Jede zehnte Person in der Schweiz ist stark übergewichtig. Dr. med. Georgios Peros erklärt, warum es mit dem Abnehmen oft nicht so einfach klappt und welche Möglichkeiten bei Adipositas helfen können.

Wann spricht man von Übergewicht und Adipositas?

Heute beurteilen wir das Gewicht immer im Verhältnis zur Grösse im Quadrat, also anhand des Body-Mass-Indexes (BMI). Der normale BMI liegt zwischen 20 und 25.

Von Übergewicht spricht man, wenn der BMI grösser als 25 und kleiner als 30 ist. Bei einem BMI zwischen 30 und 35 handelt es sich um Adipositas Grad 1 und bei einem zwischen 35 und 40 um Adipositas Grad 2. Übersteigt der BMI 40, handelt es sich um Adipositas Grad 3.

Bei einem BMI von unter 18,5 liegt bei Männern Untergewicht vor. Bei Frauen ist ein BMI von 17,5 noch akzeptabel.

So lässt sich der BMI berechnen

Der Body-Mass-Index (BMI) ermöglicht die Beurteilung des Körpergewichts. Er lässt sich aus dem Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergrösse im Quadrat berechnen.

BMI =

Körpergewicht in Kilogramm

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Körpergrösse in m × Körpergrösse in m

In der Schweiz sind etwa 400000 Menschen übergewichtig oder adipös. Warum sind so viele zu schwer?

Verantwortlich dafür sind der moderne Lebensstil und die Lebensumstände. Heute muss alles schnell gehen, weshalb viele Menschen sich oft von Fast oder Convenience Food ernähren. Ein Menü mit frischen Zutaten von Grund auf zuzubereiten, braucht mehr Zeit. Häufig ist Fast Food auch sehr billig, weshalb manche Leute lieber zum Hamburger greifen, der viel Fett und leere Kalorien enthält, anstatt sich zu Hause oder in einem Restaurant einen Salatteller zu gönnen.

Ein weiterer Faktor für Übergewicht ist die mangelnde Bewegung. Einige Studien lassen vermuten, dass auch die Gene eine gewisse Rolle spielen könnten. Diese sind jedoch in seltenen Fällen ausschliesslich für das Übergewicht verantwortlich.

Dicke Menschen werden in der Schweiz immer noch stigmatisiert. So gelten Übergewichtige und Adipöse in unserer Gesellschaft oft als undiszipliniert. Ist das Körpergewicht tatsächlich eine Frage des Willens?

In der Bevölkerung ist die Vorstellung verbreitet, dass das Gewicht durch weniger Essen und mehr Bewegung kontrollierbar ist.

«Es ist nicht fair, Menschen mit Übergewicht abzuwerten und der mangelnden Disziplin zu beschuldigen. Der Wille ist nicht der einzige Faktor, der das Gewicht beeinflusst.»
Dr. med. Georgios Peros

Da spielen viele Faktoren direkt und indirekt eine Rolle.

Warum ist es für adipöse Menschen so schwierig, Gewicht langfristig zu verlieren?

Mit zunehmendem Körpergewicht wird es immer schwieriger, Sport zu treiben.

«Übergewicht begünstigt diverse Krankheiten, die dazu führen, dass sich Betroffene weniger bewegen. Ein hoher Körperfettanteil führt zudem dazu, dass der Körper noch mehr Kalorien aufnehmen will.»
Dr. med. Georgios Peros

Wenn jemand ein gewisses Gewicht überschritten hat, braucht es sehr viel Kraft, um abzunehmen. Wo diese Grenze liegt, ist individuell. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass der Gewichtsverlust ab einem BMI von 35 zu einer grossen Herausforderung wird. Die Gewichtsabnahme hängt davon ab, ob Betroffene in der Lage sind, sich mehr zu bewegen und ihre Ernährungsgewohnheiten langfristig umzustellen.

Weshalb ist es wichtig, starkes Übergewicht nicht einfach auf die leichte Schulter zu nehmen?

Aus medizinischer Sicht steht beim Übergewicht nicht das Aussehen im Vordergrund.

«Wichtig zu wissen ist, dass Adipositas zu Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Stoffwechsels, der Lunge, des Verdauungstrakts und der Leber führen kann.»
Dr. med. Georgios Peros

Starkes Übergewicht fördert ausserdem Erkrankungen des Bewegungsapparates, wie zum Beispiel Arthrose, was sich negativ auf das Sporttreiben auswirkt. Betroffene leiden zudem häufig an Magenbrennen und saurem Aufstossen. Nicht zuletzt gibt es Hinweise, dass adipöse Menschen ein höheres Krebsrisiko haben als normalgewichtige.

Welche Massnahmen empfehlen Sie bei starkem Übergewicht in einem ersten Schritt?

Am Kantonsspital Winterthur beginnen wir immer mit einer konservativen Behandlung. Dabei werden Übergewichtige von einem/einer Ernährungsberater*in und einem/einer Physiotherapeut*in begleitet, um möglichst ohne Medikamente oder operative Eingriffe Gewicht zu verlieren. Ziel dieser Begleitung ist nicht nur der Verlust von Kilos, sondern vor allem das Anstreben eines langfristig gesunden Lebensstils. Wir erleben immer wieder Patientinnen und Patienten, die mit diesem Programm erfolgreich sind. Viele brauchen aber weitere Massnahmen.

Gibt es Medikamente, die den Gewichtsverlust unterstützen können?

Ja, die gibt es tatsächlich. Diese Kosten für diese Medikamente werden bei adipösen Patientinnen und Patienten heute von den Krankenversicherern übernommen. Die Medikamente reduzieren den Appetit und haben einen Einfluss auf den Stoffwechsel. Im Schnitt führen sie zu einem Verlust von 10 bis 15 Prozent des Übergewichts.

Welche operativen Methoden bieten Sie am Kantonsspital Winterthur zur Behandlung von Adipositas an?

Heute stehen zwei bariatrische Operationen zur Verfügung: Einerseits können wir mit einem Magenbypass das Volumen des Magens verkleinern und die Anatomie des Dünndarms sowie des Verdauungstrakts verändern.

Andererseits bieten wir die Magenschlauch-Operation an, bei der ein grosser Teil des Magens entfernt wird. Beide Operationen haben eine metabolische Wirkung, führen dazu, dass Betroffene weniger essen und in der Folge Gewicht verlieren.

Für wen eignen sich bariatrische Operationen?

Grundsätzlich müssen alle Übergewichtigen zuerst versucht haben, ihr Körpergewicht durch eine Ernährungsumstellung und vermehrte Bewegung zu reduzieren. Bringen konservative Massnahmen nicht den gewünschten Erfolg, kommen operative Eingriffe ab einem BMI von über 35 in Frage.

Wie sieht der langfristige Nutzen dieser Operationen aus?

Die Erfolgsaussichten sind allgemein gut. Nach der Operation verlieren Betroffene in den ersten ein bis zwei Jahren sehr schnell an Gewicht. Gelingt es ihnen, den Lebensstil langfristig anzupassen, werden sie das neue Gewicht halten können. Wer viel Sport betreibt, verliert auch nach zwei Jahren noch weiter an Gewicht. Im Schnitt ist eine Reduktion des Übergewichts um 40 bis 60 Prozent möglich. Ein kleiner Teil der Patientinnen und Patienten, denen es nicht gelingt, einen neuen Lebensstil zu etablieren, wird wieder etwas zunehmen, jedoch werden sie nie wieder das Ausgangsgewicht erreichen.

Welche Risiken bergen bariatrische Operationen?

Jeder chirurgische Eingriff ist mit Risiken verbunden. Bariatrische Operationen können zu Blutungen, Infektionen, Thrombosen oder Embolien führen. Nach einer Magenschlauch-Operation kann Magenbrennen auftreten. Bei der Magenbypass-Operation sind innere Einklemmungen möglich. Das Risiko, an einer dieser Operationen zu sterben, ist sehr tief und geschieht bei etwa 1 von 1000 Fällen. Damit ist das Sterberisiko vergleichbar mit einer Operation zur Entfernung der Gallenblase.