01. September 2023

Älter werden …

Älter werden …
Lesezeit ca. 5 min

Älter werden ist offenbar gar nicht so einfach, wie man es sich in jungen Jahren vorgestellt hat.

Offene Wünsche im Alter?

An einer Geburtstagsfeier (der Jubilar wird 65 und pensioniert) sitzen an einem Tisch acht Personen, alle ungefähr in diesem Alter. Und so verwundert es nicht, dass das Thema «Alter» schon bald zur Sprache kommt. «Ich möchte noch viel erleben», meint eine soeben auch pensionierte Frau.

Beim genaueren Nachfragen stellt sich heraus, dass sie das Gefühl hat, im Leben sehr viel verpasst zu haben. Und auch, dass sie darüber etwas traurig zu sein scheint. Ein Mann im gleichen Alter sieht das ganz anders. Er meint, er sei sehr zufrieden mit seinem Leben, habe viel erlebt, beruflich Erfolg gehabt, er sei viel gereist, habe tolle Beziehungen leben können und eigentlich wäre es jetzt für ihn kein Problem, demnächst die Bühne zu verlassen. Eine Frau, knapp 70 Jahre alt, meint, sie hätte es oft ziemlich schwer gehabt im Leben, jetzt möchte sie es eigentlich nur noch gemütlich und schön haben.

Wann ist man alt?

Da stelle ich mir die Frage, wann man eigentlich alt ist. Mit 65 bei der Pension? Oder beginnt das Alter schon früher oder erst später? So genau ist das wohl kaum zu definieren.

«Man ist so alt, wie man sich fühlt», hört man oft sagen. Doch dieser Logik kann ich nicht ganz folgen. Wenn ich 60 bin, dann bin ich 60 und wenn ich 80 bin, dann bin ich 80. Das Alter schönzureden scheint mir wenig sinnvoll.

«Ist es nicht eine unumstössliche Tatsache, dass man stetig etwas schwächer wird, dass dies und jenes schwieriger wird – und vor allem, dass der grössere Teil des Lebens halt nun einfach vorbei ist?»
Albin Rohrer

Die Endlichkeit des Lebens wird einem bewusst, falls man die Bereitschaft hat, den Tatsachen ins Auge zu sehen. «Nur wer sein Alter verleugnet, fühlt sich wirklich alt.» Das sagte einmal Lilli Palmer.

Fertig lustig?

Noch gut erinnere ich mich an einen für mich schmerzlichen Moment (da war ich 54). Fussballspielen war eine grosse Leidenschaft von mir, und dann plötzlich habe ich gemerkt, dass das nicht mehr wirklich geht. Die Kraft liess nach, die Beweglichkeit ebenso, nach einer Stunde Fussball schmerzten sämtliche Gelenke, allem voran die Kniegelenke und die Hüftgelenke. Also fertig lustig! Und was bedeutet das jetzt?

Fussball und Fussballschuhe liegen auf dem Rasen

Mir ist in diesem Moment (und 54 ist ja noch kein biblisches Alter…) bewusst geworden, dass ein Hauptthema des Alters das Loslassen ist. Fussballspielen ist irgendwann nicht mehr möglich, sechsstündige Bergtouren liegen auch nicht mehr drin, nicht nur deshalb, weil die Kräfte fehlen, sondern auch weil man plötzlich nicht mehr ganz schwindelfrei ist. Das Lernen von Neuem wird zunehmend schwieriger, geschweige denn das Begreifen aller neuen und zunehmend komplizierteren digitalen Techniken…

Älter werden: eine Kunst?

Anselm Grün, der deutsche Benediktinermönch und Autor, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel «Die hohe Kunst des Älterwerdens». Nur schon der Titel sagt viel aus. Älter werden ist offenbar keine Kleinigkeit, es ist ein grösseres und umfangreiches Projekt. Das Akzeptieren, dass die körperlichen Kräfte nachlassen, benötigt eine gewisse Demut. Ebenso der Umstand, dass man im Arbeitsleben nicht mehr «gebraucht» wird, erfordert eine gewisse Bescheidenheit und eine Zurücknahme des Egos.

Die lange Diskussion am eingangs erwähnten Geburtstagstisch hängt mir noch lange nach. Vor allem mache ich mir Gedanken über mein bisheriges Leben. Was habe ich alles getan? Was habe ich verpasst? Was hätte ich anders machen sollen?

«Klar ist, dass ich jetzt nichts mehr ändern kann. Ich glaube aber, dass, wenn jemand ein bewusstes, erfülltes und reichhaltiges Leben geführt hat, dann das Loslassen deutlich einfacher wird.»
Albin Rohrer

Wir alle wissen es ja schon, wenn wir noch 20 sind, dass auch wir älter werden. Mit 20 aber will man sich kaum mit diesem Thema befassen – und dann ist es plötzlich soweit …

«Allzu viele Gedanken sollte man sich darüber aber auch nicht machen.»
Albin Rohrer

Oder wie es Buddha formulierte: «Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft, sondern konzentriere dich auf den gegenwärtigen Moment.»

Junggebliebene ältere Frau mit Stand-up-Paddle am See lächelt in die Kamera.

Und Marie von Ebner-Eschenbach hat das Thema auf den Punkt gebracht: «In der Jugend lernt man, im Alter versteht man.»

Ich hoffe, dass mir das gelingt …