Der Umgang mit Geld will gelernt sein. Da sich Erkenntnis durch eigenes Handeln besser einprägt als durch theoretische Belehrung, ist das Lernen am Taschengeld eine Grunderfahrung, die buchstäblich am eigenen Leben lernt. Sie soll dem wirtschaftlichen Unterricht vorangehen.

«Spare in der Zeit, so hast du in der Not», ist eine Weisheitslehre aus puritanischen Zeiten. Nicht alle Kinder aller Länder werden mit ihr erzogen; und tatsächlich ist es bei näherem Hinsehen nicht so einfach, wie einprägsam es auch tönt. Am Taschengeld kann man viel lernen. Meist wird nur über die angemessene Höhe geredet. Das greift mir viel zu kurz!

Masseinheiten und Relativitäten

Schon im Dreisatz der Prozentrechnungen und in der Werbung von Banken wird Kindern und Kunden vorgerechnet, wie sich Zins und Zinseszins über die Jahre zum grossen Sparkapital anhäufen. Was in diesen Formeln zumeist nicht vorkommt, ist die Teuerung. Aber bei einer Teuerung von nur zwei Prozent für ein Produkt, das heute einen Franken kostet, muss jemand in zehn Jahren mindestens 1,25 Franken hinlegen; und nach 34 Jahren zwei Franken. Das Gesparte bleibt also für die Not nicht so viel wert, wenn es nicht gut angelegt ist. Selten ist der Zins vom Sparbüchlein höher als die Teuerung. Kommt hinzu, dass die Teuerungsberechnungen meist nicht die reale Teuerung der lebensnotwendigen Güter abdecken. Für Sparalternativen, damit die Ersparnisse für eine «kommende Not» ausreichen, braucht es schon etwas mehr Wissen. Wenn sich das «bare Geld» also grundsätzlich immer entwertet, stellt sich die Frage: Was heisst Sparen?

Früh schon kann mit Kindern darüber gesprochen werden, wofür sie ihr Geld ausgeben. Es geht um die Beziehung (Relation) zwischen Geldwert und dem Gegenwert, den ich erhalte für meine bezahlten Franken.

«Anschauungsunterricht erhalten sie, wenn es um ihr eigenes Geld geht – und dazu brauchen die Kinder ein vernünftiges Taschengeld.»
Dr. phil. Rudolf Buchmann

Wert und Gegenwert

Wenn ich etwas bezahle, ist die grundsätzliche Frage: Ist mir das, was ich bekomme, das Geld wert, das ich hinlege? Das ist eine sehr individuelle Güterabwägung.

Ich erinnere mich an das unterschiedliche Verhalten meiner Kinder auf dem Jahrmarkt. Alle erhielten gleich viel. Aber der eine gab kaum etwas aus und sparte es, um später etwas zu kaufen, das nicht auf dem Jahrmarkt erhältlich war, beispielsweise einen Wagen für die Modelleisenbahn. Der andere trug alles Geld den Bahnen zu, genoss begeistert die aufregenden Fahrten und kam befriedigt und vergnügt ohne gespartes Geld zurück. Der dritte kaufte «von allem etwas»: etwas Bahn, etwas Zuckerwatte und etwas Spielzeug. Die Modellbahnwagen bestehen noch heute. Das Spielzeug ist schon lange kaputt oder verloren gegangen. Wieweit die Erinnerungen an die Karussells noch bestehen, weiss ich nicht. Das Geld ist von allen ausgegeben worden. Sie haben alle etwas davon gehabt. Die Eisenbahn ist aber auch nicht mehr in Betrieb; so dass dieser – der einzige beständige – Wert eigentlich auch nichts mehr wert ist.

Aber: Ich glaube, für jeden war das, was er gekauft hat, den Kauf wert.

«Es sind nicht unsere Vorstellungen, wie Geld sinnvoll ausgegeben wird, die andere glücklich machen. Jede und jeder sollte erfahren dürfen, was ihm oder ihr wieviel wert ist.»
Dr. phil. Rudolf Buchmann

Fehlkäufe, Reue, Neid und Enttäuschung, wenn die Erkenntnis kommt, dass die andern das Geld besser ausgegeben haben, gehören dazu – zum Lernen, mit Geld umzugehen.

Geldausgeben ist nicht gleich Geldausgeben

Grundsätzlich sollten wir – vor allem auch in der Politik – unterscheiden zwischen Konsum und Investition. Grosses Missfallen erregt bei mir, wenn etwa in den Medien davon die Rede ist, jemand habe in die Ferien «investiert». Zwar stimmt es, dass ein Ferienerlebnis für die Bereicherung des Lebens und für die eigene Lebensenergie von grossem Wert sein kann: Das ausgegebene Geld gibt also einen bleibenden Wert zurück.

«Und dennoch sollte – auch im Gespräch mit Kindern – deutlich zwischen Konsumausgaben und Investitionen unterschieden werden.»
Dr. phil. Rudolf Buchmann

Investitionen schaffen bleibende Werte: Wenn wir ein Schulhaus bauen, Kinder unterrichten oder die Bahn ausbauen, haben wir davon einen messbaren Nutzen in der Zukunft. Wir schaffen einen Wert. Auch wenn hunderttausende von Franken «nicht mehr da» sind, ist das Gebäude da oder die gebildete Person. Renditebauten oder Finanztitel sind ein Spezialfall von Investitionen, weil sie laufend Geld zurückgeben, das wir investiert haben. Viele geschulte Kinder erwirtschaften natürlich auch mit ihrem Lohn wieder Geld. Demgegenüber bezeichnen wir als Konsumausgaben solche, die keinen Geldrückfluss erzeugen. Diese sollten im Augenblick bezahlt werden können, damit nicht die Zukunft belastet wird.

Schulden und Kredit

Viele Kinder versuchen, Geld zu borgen, um sich irgendeinen spontanen Wunsch zu erfüllen. Schulden und Kredite sind ebenso unterschiedlich zu beurteilen, wie «Geldausgeben nicht gleich Geldausgeben» ist. Bei Konsumkrediten – auch wenn es um ein (zu) teures Prestige-Auto geht – wird immer eigene Zukunft verkauft. Was ich jetzt geniesse, muss ich später bezahlen. Habe ich berufliches Glück, fällt das vielleicht nicht ins Gewicht. Viele müssen aber später unter dem Kredit erleiden, dass sie auf einiges zu verzichten haben, das für ihr Leben wohl wertvoller gewesen wäre.

«Junge Menschen sind darüber aufzuklären. Ihnen ist oft nicht bewusst, auf welche Verzichte sie sich langfristig einlassen, wenn sie kurzfristige Gelüste mit geborgtem Geld befriedigen.»
Dr. phil. Rudolf Buchmann

Bei Investitionen sind Schulden grundsätzlich anders zu werten: Kauft sich ein Jugendlicher ein Fahrrad, mit dem er Zeit und Buskosten spart, oder gar Geld verdient als Kurier, steht den Schulden ein «geldwerter» Gegenwert gegenüber. Ebenso, wenn ein eigenes Haus mit Hypotheken belehnt wird. Emotionaler Gewinn, Erfahrung oder Erkenntnis sind dabei den materiellen Gegenwerten «Werterhaltung» und «Rendite» gleichzustellen. Grundsätzlich gilt: Wenn der Gegenwert, den ich für den aufgenommenen Kredit einhandle, für die Zukunft genügend abwirft, ist die Bilanz positiv. Aufwand (eventuell Schulden) und Ertrag (zum Beispiel Besitz oder Erfahrung) stehen im Einklang. Sie sind ausgewogen (Bilanz ist das Lehnwort für Waage).

Budget und Bilanz

Sprechen Sie mit adoleszenten Kindern über Budget, Investition, Konsum und Bilanz! Beim Budget ist auszuhandeln, wofür das Taschengeld vorgesehen ist: Sind beispielsweise Kleider darin enthalten? Kleider sind je nach Qualität Konsum- oder Investitionsausgabe. Halten sie über einige Jahre, haben sie quasi Investitionsniveau; denn Kleider braucht man nicht nur jetzt, sondern auch künftig. Sind es Modefürze, die jeden Monat wechseln – oder mindere Qualität, die nach dem ersten Waschgang Altstoff ist – sind es Konsumausgaben. Zigaretten sind reiner Konsum, sie lösen sich buchstäblich in Luft auf. Vielleicht ist das eine oder andere aber so wichtig, dass der emotionale Gewinn den Geldwert übersteigt, den man hinblättert. Darüber ist zu reden; bitte keine Vorschriften machen!

Bildungsgut Taschengeld

Das Budget ermöglicht erzieherisch wertvolle Wertediskussionen: Zu einer Gruppe dazugehören, die bestimmte Embleme verlangt, kann emotional nötig sein – auch wenn einen das Geld reut. Hier geht es um bewusste Entscheide, die immer ein Gemisch aus Gefühlen, Vernunft und ausgewogener Einschätzung der reellen Möglichkeiten und der Zukunftsperspektiven sind. Zweckdenken gehört dazu, Zukunftsfantasien – der Kinder, aber auch der Eltern (Ängste etwa) – gehören dazu, Wünsche und Verzichtsforderungen auch: Am Thema Taschengeld lässt sich sehr viel Bewusstseinsarbeit leisten, die für die praktische Lebensführung von grosser Bedeutung ist.

Sparen am falschen Ort

Eltern, die knappe finanzielle Verhältnisse erlebten, tragen oft – aus ihrer Erfahrung berechtigte – Ängste mit sich herum und an die nächste Generation heran. Die heutige Generation kennt solche Not nur zum Teil; aber mit Verarmungsängsten lassen sich Wahlen gewinnen. Ein Land kann sich durch Sparen andererseits die Zukunft auch verbauen. Wenn beispielsweise die Infrastruktur unter Spardruck nicht unterhalten wird – seien das Schienen, Schulhäuser, Klassengrössen oder Energienetze und anderes mehr – geht das auf Kosten der nächsten Generation. Zwar wird gesagt, man dürfe dieser nicht so viele Schulden hinterlassen; aber ein Renovationsrückstau und fehlende Investitionen in öffentliche Güter erzeugen viel grössere Belastungen in der Zukunft. Für Sachreparaturen und mangelhafte Dienstleistungen müssen diese «zu schonenden» Generationen aufkommen. Oft käme es sie deutlich billiger zu stehen, wenn kontinuierlich in diese Aufgaben investiert würde – notfalls auch über Kredite respektive Schulden.

Sparen entpuppt sich da als Augenwischerei. Wer nur auf momentane Ausgaben schaut, merkt es nicht: Wer aber die Bilanz ansieht, erschrickt. Ist der Betrag der gesparten Gelder kleiner als die Wertabnahme der Infrastruktur, des Gesundheitswesens oder der Bildung, dann wird gar nicht gespart; dann wird noch stärker auf Kosten der Zukunft gelebt. Die «schwarze Null» kann sich leicht zum «schwarzen Loch» entwickeln!

Kinder werden mündige Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Auch daher ist es dringend nötig, dass – vielleicht anhand des Taschengeldes – konkret über Budgets, Abrechnungen (die Überprüfung, wo das Budget über- oder unterschritten wurde) und Bilanzen gesprochen wird. Nur so können sie später auch wissen, wovon die Rede ist; und durchschauen, wo sie mit Slogans hintergangen werden.

Über Geld spricht man nicht

Der alte Satz aus der vermögenden Aristokratie und dem Geld-«Adel» kann für die Erziehung nicht gelten. Es darf ab der Adoleszenz auch nicht anrüchig sein, über die Löhne der Eltern und die Finanzsituation der Familie zu sprechen.

Schon kleinen Kindern ist der Zusammenhang zwischen «Geld haben», «Geld bekommen» und «Geld ausgeben» verständlich zu machen. Das ist möglich ab dem Kindergarten. Kontinuierlich gilt es dann, dieses Thema altersgemäss aufzubauen.

Niemand versteht mit Hilfe von ein, zwei Lektionen, wie Geld und Wirtschaft funktionieren, wenn kein Erlebnis dahintersteht.

«Das Austauschmittel Geld – das zwischen Arbeit, Leistung, Gegenleistung und kurz- oder längerfristigen Werten respektive Schulden vermittelt – ist ohne Anschauungsunterricht, ohne eigene Erfahrung und eigene Auseinandersetzung mit dem Thema nicht zu verstehen.»
Dr. phil. Rudolf Buchmann

Von früh an ist über Geld zu sprechen. Der Bildungsweg beginnt mit dem Taschengeld, das wohl zunächst für Konsumausgaben bereitgestellt wird. Schritt für Schritt soll es ausgebaut werden: In der Pubertät erweitert sich das Budget um die Güter des eigenen Lebensunterhaltes (wovon Genuss zwar ein Teil, aber nur ein Teil ist) und schliesslich um die Zukunftsplanung.

Lebenstauglichkeit umfasst auch den finanziellen und wirtschaftlichen Teil des Bildungsgutes. Es ist sinnvoll, ja notwendig, das Schritt für Schritt aufzubauen.