Brainfood: Was uns besser denken lässt
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Ob wir bis ins hohe Alter geistig fit bleiben, hängt grösstenteils von den Genen ab. Aber auch eine ausgewogene Ernährung hilft, das Gehirn leistungsfähig zu halten. Sie könnte die Welt gar zu einem friedlicheren Ort machen.

Studien belegen nicht erst seit gestern, dass eine ausgewogene Ernährung das Gehirn mit Energie und den nötigen Nährstoffen versorgt. Auch gibt es Lebensmittel, welche die Leistungsfähigkeit unseres Denkapparates gar steigern. Gleichwohl reicht es nicht, täglich ein paar Nüsse oder Vollkornbrötchen zu essen, um schlauer zu werden. Aber eine angemessene und abwechslungsreiche Ernährung hält unsere grauen Zellen definitiv in Schwung.

Genauso wie unser Körper altert das Gehirn. Bereits ab der Lebensmitte baut es ab. Kognitive Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Lernfähigkeit, Sprachvermögen oder das Handeln, aber auch Konzentrations- und Leistungsfähigkeit werden langsam weniger. Ernährt sich der Mensch ungesund und fordert die grauen Zellen nicht, beschleunigt dies den Abbau zusätzlich. Kehrt man die Geschichte um, kann gesundes Essen diesem Prozess entgegenwirken.

Ernährung fördert Hirnleistung

«Ernährungsfachleute sind sich einig, dass eine ausgewogene, den individuellen Bedürfnissen und der Lebenssituation angepasste Ernährung entscheidend für eine gute Hirnleistung ist», bestätigt die Ernährungsberaterin Barbara Richli.

«Klinische Studien belegen, dass diese dazu beitragen kann, das Risiko für krankhafte Veränderungen des Nervensystems wie Depressionen, Schlaflosigkeit, Parkinson, ADHD, Psychosen, Autismus oder Demenz zu reduzieren.»
Barbara Richli

Auch verbessere ein gesunder Ernährungs- und Lebensstil neben der Hirn- die Herzfunktion und verringere das Risiko für ernsthafte Erkrankungen einschliesslich Schlaganfall, Diabetes Typ 2 oder Alzheimer. Nichtsdestotrotz spielt bei der Hirngesundheit der individuelle sowie genetische Bauplan die Hauptrolle.

Hoher Energiebedarf

Unser Gehirn macht lediglich zwei Prozent des Körpergewichts aus, wiegt also rund eineinhalb Kilogramm. Trotzdem verbraucht es 20 bis 25 Prozent unseres täglichen Energiebedarfs. Da der Denkapparat keine Energie speichern kann, ist er auf eine regelmässige Nährstoffzufuhr angewiesen. «Das Gehirn braucht diese für den Aufbau und die Reparatur der Zellen, um Hormone und Botenstoffe, aber auch kognitive Prozesse und die Emotionen zu steuern», erklärt Barbara Richli. Bleibt die nötige Energiezufuhr aus, können Gedächtnis- und/oder Konzentrationsstörungen, aber auch Müdigkeit die Folge sein.

Ernährungsfachleute wie Barbara Richli empfehlen, dem Körper komplexe Kohlenhydrate, die in stärkehaltigen Vollkornprodukten wie Brot, Teigwaren, Reis oder Hülsenfrüchten enthalten sind, gehaltvolle Proteine aus Fisch, magerem Fleisch und Milchprodukten, mehrfach gesättigte Fettsäuren wie Omega-3 oder Omega-6, die in fettem Fisch, Lein-, Raps-, Hanf- oder Baumnussöl, Nüssen, Geflügel, Eiern oder Avocado vorkommen, zuzuführen.
Ebenfalls wichtig für Körper und Gehirn sind Mikronährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, die wir für gewöhnlich über eine ausgewogene Ernährung ausreichend zu uns nehmen. Früchte und Obst enthalten neben Vitaminen und Mineralstoffen sekundäre Pflanzenstoffe und Antioxidantien. Diese schützen die Zellen vor gefährlichen Radikalen, die als Abfallprodukte des Stoffwechsels entstehen. Vitamin C und Vitamin E sind bekannte, in Früchten und Gemüse enthaltene Antioxidantien.

Geschätzte Länderküchen

«Zu den Ernährungsformen, welche die geistige Gesundheit besonders begünstigen, gehören die mediterrane und die traditionelle japanische Küche», sagt Barbara Richli. «Beiden ist gemein, dass sie viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Fisch, Meeresfrüchte und geringe Mengen an magerem Fleisch und Milchprodukten enthalten.» Auch weisen diese Länderküchen kaum raffinierte, kohlenhydrathaltige Lebensmittel auf, die in der «westlichen» Ernährung oft vorkommen.

««Zu den Ernährungsformen, welche die geistige Gesundheit besonders begünstigen, gehören die mediterrane und die traditionelle japanische Küche.»
Barbara Richli

Ferner sind sie reich an Probiotika. Das sind lebendige Mikroorganismen, die etwa in Joghurt oder fermentiertem Gemüse wie Sauerkraut vorkommen. Sie unterstützen unsere Darmbakterien, was sich auf das Wohlbefinden und letztlich auf die Hirnleistung auswirkt.

Was soll man essen, wenn eine wichtige Aufgabe ansteht?

«Wer beispielsweise ein Jobinterview oder eine Prüfung zu bewältigen hat, tut gut daran, vorab üppige Mahlzeiten zu vermeiden», rät die Ernährungsberaterin. «Schweres Essen wirkt sich negativ auf unsere Gedächtnisleistung aus und macht müde. Daher empfehle ich ausgewogene und leicht verdauliche Gerichte oder Snacks, die uns einerseits genug Energie liefern, um die Konzentration zu halten, und andererseits die nötigen Nährstoffe haben.» So helfe eine kohlenhydratreiche Kost beim Denken, da die B-Vitamine in Vollkornprodukten die Nerven stärken. «Proteinreiche Mahlzeiten dagegen fördern die Botenstoffe Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin, die wach machen und das analytische Denken unterstützen.» Dauere eine Prüfung länger als eine Stunde, sollten Prüflinge Getränke wie verdünnte Fruchtsäfte oder Wasser mitnehmen und regelmässig trinken. Auch Trockenfrüchte, Obst oder Getreideriegel helfen, den Kohlenhydratspeicher ausgeglichen zu halten.

Brainfood: Was uns besser denken lässt

Regelmässig Trinken

«Regelmässig trinken ist essenziell für die Gehirnleistung», sagt Richli. «Klinische Studien und Metaanalysen belegen, dass bereits eine minimale Dehydration dazu führt, dass sich die Leistungsfähigkeit des Gehirns deutlich vermindert.» Noch bevor wir überhaupt Durst verspüren, lasse beispielsweise unsere Konzentrationsfähigkeit nach. Dies erstaunt kaum, da unser Gehirn zu 75 Prozent aus Wasser besteht. «Jede Zelle braucht ein bestimmtes Verhältnis an Wasser und verschiedene Stoffe, um zu funktionieren», ergänzt die Ernährungsberaterin. Stehe zu wenig Flüssigkeit zur Verfügung, sei dieses Gleichgewicht gestört. «Wasser ist auch nötig, um Nährstoffe zum Gehirn zu transportieren und Abfallstoffe herauszuspülen.» Neben der Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten, könne zu wenig Flüssigkeit zu Stimmungsschwankungen und Schmerzen führen.

Rotwein für den Frieden

«Grundsätzlich ist Wasser die einzige, lebensnotwendige Flüssigkeit und somit in jeder Lebenslage zu empfehlen», antwortet sie auf die Frage, welche Getränke zu favorisieren sind. «Studien belegen aber auch, dass ein moderater (Rot-)Weinkonsum bei Erwachsenen im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung positive Auswirkungen auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden hat und präventiv gegen Zivilisationskrankheiten wirken kann.»

Und kann eine ausgewogene Ernährung die Welt gar zu einem friedlicheren Ort machen? «Schwierig zu sagen», so Richli. «Wenn ich jedoch die positiven Auswirkungen einer gesunden Ernährung mit den negativen Folgen einer langfristig ungesunden vergleiche, stimme ich dieser Frage zu.» Denn wer sich angemessen verköstigen kann und genug trinkt, darf davon ausgehen, dass das zentrale Nervensystem gut funktioniert. «Insofern befindet man sich so in einer entspannten, positiven und konstruktiven Verfassung. Zugleich ist man im Vollbesitz seiner kognitiven und mentalen Kräfte und Fähigkeiten.»