Brombeerstrauch
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Der Brombeerstrauch hat eine helle und eine dunkle Seite: Er versorgt uns mit gesunden, süss-aromatischen Früchten, doch sein unbändiges Wachstum kann Gartenliebhaber zur Verzweiflung treiben.

Der Brombeerstrauch strotzt vor überschäumender Vitalität: Erreicht er ein Geäst oder einen Strauch, nutzt er seine gekrümmten Stacheln wie Steigeisen, um daran emporzuklettern. Findet er keine Kletterunterlage, bildet er bis drei Meter lange bogenförmige Triebe, die, sobald sie den Boden berühren, Wurzeln schlagen. Als Pionierpflanze erobert er auf diese Weise freigewordene Flächen nach Sturmschäden oder Holzschlag und bildet undurchdringliche Dickichte. In gleicher Weise überwuchert er aber auch vernachlässigte Gärten. Sein überbordendes Wachstum lässt sich dann nur unter schweisstreibender Arbeit wieder in geordnete Bahnen lenken.

Alte Bräuche und Aberglaube

Früher gab es den magischen Brauch des Brombeerkriechens. Dieses galt als Therapie für fast alle Lebenslagen; Überholtes sollte abgestreift werden und im Dornenbusch hängen bleiben. Ein zerstrittenes Paar etwa sollte wieder zu Harmonie finden, wenn es dreimal gemeinsam unter einem Brombeerbogen durchgekrochen war. Kinder, die lange nicht laufen lernten, mussten ebenfalls dreimal unter einer Brombeerranke durchkriechen. Der Brauch wurde bei allen möglichen Krankheiten und bösen Zaubern eingesetzt, die so in der Pflanze hängen bleiben sollten. Brombeerbüsche um das Haus herum galten zudem als Mittel gegen böse Geister; diese würden sich darin verheddern, so glaubte man. Brombeerranken über der Stalltüre aufgehängt sollten auch das Vieh vor Verhexung schützen.

Schwierige Verwandtschaftsverhältnisse

Botanisch gehört die Brombeere zu den Rosengewächsen. So weit ist die Verwandtschaft klar. Doch dann wird es kompliziert: Unter der Bezeichnung «Echte Brombeere» (Rubus fruticosus) wird eine Vielzahl von Unter- und Regionalarten zu einem sogenannten Aggregat zusammengefasst. Dazu kommen Hybriden zwischen diesen verschiedenen Arten, ja sogar Mehrfachhybriden, die gestandene Botaniker das Grauen lehren. Brombeeren bilden sogar Samen ohne Befruchtung, die auswachsen und Klone der Mutterpflanze bilden. Eines ist aber beruhigend: Alle Brombeeren sind ungiftig, sodass man auf dem Waldspaziergang getrost davon naschen kann.

Gesunde Nahrungsquelle

Rund 100 Insektenarten, darunter auch 30 Schmetterlinge, nutzen die Blätter, Blüten oder Früchte als Nahrungsquelle. Brombeerdickichte sind wertvoll, bieten sie doch Vögeln wertvollen Lebensraum und Nahrung. Verschiedene Kleinsäuger wie Haselmaus und Eichhörnchen gehören ebenfalls zu den Brombeerliebhabern. Bereits den Steinzeitmenschen dienten die Beeren als Nahrung, wie Ausgrabungen steinzeitlicher Lagerplätze zeigen.

Die Beeren sind nicht nur fein, sondern auch gesund. Sie enthalten viel augenstärkendes Provitamin A, blutbildendes Eisen, Magnesium für Muskeln und Nerven und Mangan, das Knochen und Bindegewebe stärkt. Dazu enthalten sie zellschützende Anthocyane, B-Vitamine, Vitamin C und Vitamin E.

Wertvolle Früchte und Blätter

Brombeerstrauch «Echte Brombeere» (Rubus fruticosus)

Auch die Blätter werden genutzt. Getrocknet ergeben sie einen feinen Tee, fermentiert erinnert der Geschmack an Schwarztee. In den Blättern finden sich Gerbstoffe, Bitterstoffe, Flavonoide, organische Säuren, Triterpene. Hippokrates empfahl die Blätter als heilende Wundauflage. Der Tee ist ein bewährtes Hausmittel bei Durchfallerkrankungen, Entzündungen von Mund und Rachen und zur Kräftigung des Zahnfleischs. Hildegard von Bingen setzte die Blätter bei Lungenleiden und Husten ein. Die Volksmedizin nutzte sie ebenfalls bei Atemwegserkrankungen, aber auch bei Blinddarmreizung, Hautausschlägen und Diabetes. Diese Wirkung wurde von neueren Studien bestätigt und wird weiter erforscht.

Für Lunge, Knochen und Willenskraft

In der Gemmotherapie werden die sich öffnenden Knospen des Brombeerstrauches verwendet. Das Knospenmazerat stärkt das Lungengewebe, verbessert den Gasaustausch und damit die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff. So wirkt es auch als Stärkungsmittel, denn eine optimale Sauerstoffversorgung ist unabdingbar für Wohlbefinden und Vitalität. Das Knospenmazerat der Brombeere hilft bei chronischen Lungenerkrankungen, Bronchitis und Asthma, wobei es oft mit den Knospenmazeraten von Haselnuss und Schwarzer Johannisbeere kombiniert wird.

Das zweite grosse Anwendungsgebiet sind die Knochen. Das Knospenmazerat der Brombeere regt die knochenbildenden Zellen an. Es lindert rheumatische Beschwerden, hilft bei Arthrose von Knie- oder Hüftgelenken, beschleunigt die Heilung von Knochenbrüchen und beugt Osteoporose vor. Das Knospenmazerat lindert zudem Entzündungen in Mund und Rachen.

Nicht zuletzt hat es auch eine psychische Wirkung: Es hilft, Ideen umzusetzen, stärkt den Willen und das Durchhaltevermögen, ein Projekt bis zur Vollendung durchzuziehen.

Streift man durch den Wald, hält einen ab und zu eine Brombeerranke zurück. Es lohnt sich, innezuhalten und ihr etwas Aufmerksamkeit zu schenken. Vielleicht sollen wir etwas Überholtes bei ihr zurücklassen.