Das grosse Vergessen
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Der Bericht des Dachverbandes «Alzheimer’s Disease International» (ADI) verzeichnete im Jahr 2010 weltweit rund 35 Millionen Demenzerkrankungen. Laut Hochrechnungen wird sich die Zahl der Betroffenen etwa alle zwanzig Jahre verdoppeln: bis 2050 auf rund 115 Millionen Menschen.

Demenz ist ein Oberbegriff für rund fünfzig Krankheitsformen, die alle unterschiedlich verlaufen, aber langfristig zum Verlust der geistigen, emotionalen und sozialen Leis­tungsfähigkeit führen. Die Ursachen dafür sind verschieden:

Bei der Alzheimerkrankheit, die mit etwa 60 Prozent am häufigsten auf­tritt, entstehen beispielsweise Eiweissabla­gerungen im Gehirn, die den Stoffwechsel der Nervenzellen behindern. Im Verlauf der Krankheit sterben immer mehr Nervenzellen im Gehirn ab.

Bei der zweithäufigsten Krank­heitsform, der vaskulären Demenz, verursa­chen Durchblutungsstörungen den Zelltod im Gehirn.

Sich gut informieren

Die Diagnose Demenz oder Alzheimer ist erst einmal ein Schock – sowohl für die Betroffe­nen selbst als auch für die Angehörigen. Wie soll es nun weitergehen? Was kommt auf mich zu? Wie kann ich mit der Situation um­ gehen und wo liegen meine eigenen Grenzen? Das alles sind Fragen, die auf alle Beteiligten einstürmen. Eine der wichtigsten und hilf­ reichsten Massnahmen besteht deshalb zu­ nächst darin, sich ausführlich über die Er­krankung zu informieren. In der Schweiz gibt es viele Stellen, die Aus­kunft geben und auch praktische Hilfe bei Demenzerkrankungen leisten.

Beispiele sind «Alzheimer Schweiz», eine gemeinnützige Organisation, die in der ganzen Schweiz kantonal vertreten ist und die sich mit Ange­boten und Dienstleistungen vor Ort für Men­schen mit Demenz und ihre Angehörigen ein­setzt, oder «alzheimer.ch», eine Plattform, die Betroffene, Angehörige und Fachpersonen informiert und vernetzt.

Diagnose und Therapie

Zu Beginn der Erkrankung ist es manchmal noch schwer zu sagen, ob es sich um eine eher harmlose Altersvergesslichkeit oder um Demenz handelt. Zwar gibt es einige Tests, die Klarheit über die aktuellen kognitiven Fä­higkeiten schaffen können und dadurch er­lauben, geeignete Hilfen zur Bewältigung des Alltags zu finden. Aber eine genaue Diagnose oder eine Prognose über den Verlauf der Er­krankung zu stellen, ist in diesem Stadium noch schwierig.

Um eine weitere Abnahme der Gehirnleistung möglichst lange hinauszuzögern, stehen ver­schiedene medizinische Massnahmen zur Verfügung. Einerseits können in manchen Fällen Medikamente verschrieben werden, die den Krankheitsverlauf verlangsamen. Hier ist es wichtig, schon frühzeitig mit der Therapie zu beginnen, damit sie möglichst gut wirken kann. Andererseits helfen verschiedene von Fachpersonen angeleitete Trainingsmethoden, um die körperlichen und geistigen Fähig­keiten zu stärken und noch möglichst lange zu erhalten.

Ein fortschreitender Prozess

Eine Demenzerkrankung kann verschieden schnell fortschreiten. Zu Beginn leidet vor allem das Kurzzeitgedächtnis: Betroffene werden vergesslich, haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, verlegen häufig Gegenstände oder suchen nach Wörtern. In fremder Um­gebung fällt die Orientierung zunehmend schwerer.

Im fortgeschritteneren Stadium be­ginnt auch der Abbau des Langzeitgedächt­nisses: Die Erinnerung an länger zurückliegen­ de Ereignisse verblasst, und selbst Angehörige werden oft nicht mehr erkannt. Im späten Stadium sind vermehrt auch körperliche Ein­schränkungen zu beobachten, sodass die betroffene Person ihre Selbständigkeit verliert und zunehmend auf fremde Hilfe angewiesen ist.

Liebevolle Betreuung

Demenzkranke leben in ihrer eigenen Welt. Oft fällt es Aussenstehenden schwer, sich in ihre Gedanken hineinversetzen und ihre Handlungen nachvollziehen zu können. Wer Men­schen mit Demenz intensiv betreut, weiss, wie zermürbend das sein kann. Sie können manchmal stur, unfreundlich, ängstlich, ag­gressiv oder völlig uneinsichtig sein. Diese Verhaltensweisen sind aber in der Regel nicht gegen eine bestimmte Person gerichtet, sondern ein Zeichen von Verunsicherung und Überforderung.

«Auch wenn Betroffene nicht mehr verstehen, was um sie herum geschieht –, auf Gefühle lassen sie sich oft ein. Körper­kontakt, Singen oder von früheren Zeiten erzählen und Bilder anschauen sind Dinge, die oft wahrgenommen werden und die Betrof­fenen einen wertvollen Moment lang glücklich machen.»
Christiane Schittny