29. März 2021

Die Sache mit den Komplimenten

Die Sache mit den Komplimenten
Lesezeit ca. 8 min

Viele tun sich schwer damit, ehrlich gemeinte Komplimente zu verteilen und es gibt ebenso viele, die sich schwertun, Komplimente entgegenzunehmen.

«Das ist aber ein feines Tiramisu», sagt der Gast zur Gastgeberin. Und sie antwortet: «Das war ja gar nicht schwierig, ich hatte ein gutes Rezept.» Und was hätte die Gastgeberin auch sagen können? «Vielen Dank für das Kompliment, es freut mich, dass es dir schmeckt.» Eigentlich wäre es doch eine ganz einfache Sache: Jemandem aus ganzem Herzen ein Kompliment zu machen und sich selbst darüber zu freuen. Oder umgekehrt: Von jemandem ein Kompliment entgegenzunehmen und sich dafür zu bedanken.

Ganz so einfach ist es dann eben doch nicht. Viele tun sich schwer damit, ehrlich gemeinte Komplimente zu verteilen und es gibt ebenso viele, die sich schwertun, Komplimente entgegenzunehmen. Doch schön der Reihe nach:

Was bedeutet eigentlich das Wort «Kompliment»? Es stammt aus dem Lateinischen, «complere» (erfüllen, ausfüllen, vollständig machen). Ein Kompliment ist also eine gut gemeinte, wohlwollende Aussage. Eigenschaften, Charakterzüge, Leistungen oder auch das Aussehen einer Person werden dabei lobend erwähnt.

Allerdings: Wir alle wissen, dass nicht jedes Kompliment auch tatsächlich ehrlich gemeint ist. Schmeicheleien sind nicht selten und es werden oft auch Komplimente verteilt, um sich selbst einen persönlichen Vorteil zu verschaffen.

Kulturunterschiede

Komplimente gibt es in allen Sprachen und in allen Kulturen. Allerdings wird nicht allerorts in gleicher Weise damit umgegangen. In China beispielsweise sind die Menschen fast dazu verpflichtet, Komplimente zurückzuweisen: «Sie übertreiben doch» oder «das ist zu viel des Lobes». Das ist eben asiatische Höflichkeit und Zurückhaltung.

In Europa ist es eher üblich, ein Kompliment anzunehmen und sich dafür zu bedanken. Idealerweise zeigt derjenige, der gelobt wird, auch seine Freude über ein ehrlich gemeintes Kompliment. Dann nämlich macht ein Kompliment beiden Seiten Freude: dem, der das Kompliment geschenkt hat, (es ist auch tatsächlich eine Art Geschenk) sowie auch dem, der das Kompliment erhält.

Ehrliche Komplimente stärken

Ehrlich gemeinte Komplimente stärken und kräftigen Beziehungen, sie schaffen ein gutes Klima und sind auch behilflich bei einer guten Zusammenarbeit. Komplimente können ein Türöffner sein.

Grundsätzlich streben wir ja alle nach Anerkennung und Achtung.

«Das gilt ganz besonders auch für Kinder. Sie lernen durch das Lob der Eltern, sich selbst zu mögen und ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln.»
Albin Rohrer

In Partnerschaften fühlen sich beide geschätzt und geliebt, wenn sie hin und wieder ein Kompliment hören. Auch am Arbeitsplatz sind Komplimente wichtig. Sie fördern das Engagement der Mitarbeitenden. Und nicht zuletzt sind Komplimente auch in einer Freundschaft wichtig: Freunde sehen sich oft auch als Spiegel, wo ehrlich gemeinte Rückmeldungen ein ganz zentraler Punkt der Beziehung sind.

Fähigkeit erlernen

«Das hast du wunderbar gemacht, es sieht einfach toll aus!» Oder: «Dieses Kleid steht dir hervorragend!» Wer hört so etwas nicht gerne! Bei solchen Äusserungen fühlen wir uns geschätzt. Doch vielen Menschen fällt es schwer, Komplimente zu machen. Dies, obschon sie wissen, wie gut sich ein Kompliment anfühlen kann. Weshalb ist das so?

Kinder lernen, mit Lob, Komplimenten und auch mit Tadel umzugehen. Die Eltern sind diesbezüglich die Vorbilder.

Sind aber Eltern nicht fähig, ihr Kind regelmässig zu loben, fehlt dem Kind die Erfahrung eines Lobes. Ebenso können unehrliche und überschwängliche Komplimente dazu führen, dass ein Kind diese irgendwann nicht mehr ernst nimmt und solche Aussagen als «Schleimerei» betrachtet.

Und noch ein dritter Punkt kann dafür verantwortlich sein:

«Wenn es einem Kind nicht gelingt, seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen, fehlt ihm auch die Fähigkeit, ein Kompliment zu verteilen.»
Albin Rohrer

 Ein Kompliment kann dann problematisch sein, wenn ein Verhalten gelobt wird, welches aus der Sicht des Gelobten gar kein Lob wert ist.

Und logischerweise stossen abgedroschene Komplimente eher auf Ablehnung. Wenn beispielsweise eine Mutter ihrem Sprössling ständig sagt, wie toll er etwas gemacht hat, auch wenn das gar nicht stimmt, wird es für ein Kind schwierig, mit Komplimenten adäquat umzugehen.

Und noch etwas: Menschen, die sich selbst ablehnen, sehnen sich zwar grundsätzlich nach Komplimenten, tun sich aber gleichzeitig schwer damit, Komplimente zu verteilen. Sie haben das Gefühl, beim Verschenken eines Komplimentes andere noch besser und sich selber schlechter zu machen.

Die Sache mit den Komplimenten

Gekonnt Komplimente machen

Ein Kompliment sollte unbedingt ehrlich gemeint sein. Wenn ein Kind eine Hausaufgabe katastrophal erledigt hat und sich dessen bewusst ist, dann ist ein Kompliment fehl am Platz. Unehrliche Komplimente werden berechtigterweise oft als Manipulationsversuch empfunden.

«Ein Kompliment sollte sich zudem auf ein konkretes Merkmal, eine konkrete Eigenschaft oder ein konkretes Verhalten beziehen. Tut es das, ist es viel wirkungsvoller. Und die Wirkung wird noch stärker, wenn das Kompliment begründet wird.»
Albin Rohrer

Wenn ein Kind eine tolle Zeichnung gemacht hat und dann erfährt, was genau an dieser Zeichnung denn so toll ist, kann es damit auch mehr anfangen, als wenn es nur hört, es sei toll. Was genau ist toll an der Zeichnung? Das Sujet? Die Farbwahl? Die Genauigkeit? Die Originalität? Je präziser ein Kompliment ist, desto grösser ist auch die Wirkung.

Ein Kompliment annehmen

Wenn wir ein Kompliment machen, können wir das als Geschenk für das Gegenüber betrachten. Und das Gegenüber kann dann selbst entscheiden, ob es das Geschenk annehmen möchte. Beim Verteilen von Komplimenten sollten wir auch noch daran denken, dass die besten Komplimente nichts nützen, wenn das Gegenüber grosse Probleme mit dem Annehmen von Komplimenten hat. Es gibt Menschen, die auf Komplimente verlegen reagieren, sie herunterspielen oder ein Kompliment offen zurückweisen.

Eigentlich wäre es ganz einfach: Erhalten wir ein ehrlich gemeintes Kompliment, könnten wir uns einfach bedanken und es geniessen. Doch vielen fällt das sehr schwer. Das hat seine Gründe: Wer glaubt, kein Lob verdient zu haben, verfügt meist über eine eher geringe Selbstachtung (ich bin nicht gut genug). Es kann aber auch sein, dass wir ein Kompliment deshalb nicht annehmen, weil wir glauben, es handle sich um «Schleimerei» und um eine versuchte Manipulation. Auch Menschen, die nicht so gerne im Mittelpunkt stehen, mögen Komplimente nicht unbedingt. Wer den Komplimentgeber als nicht wichtig oder als inkompetent einstuft, hat entsprechend auch weniger Freude an einem Kompliment.

In all diesen Fällen ist die Folge, dass ein Kompliment nicht genossen werden kann. Und dann erfolgt meist eine Reaktion von der Person, die das Kompliment erhält: Zum Beispiel wird mit einem Gegenlob reagiert, um die Aufmerksamkeit wieder auf den anderen zu lenken («deine Frisur ist aber noch schö- ner als meine»). Oft wird ein Kompliment dann auch relativiert («das ist doch nicht der Rede wert») oder das Kompliment wird infrage gestellt («gefällt dir das wirklich? Das kann ich fast nicht glauben!»). Schliesslich gibt es auch Menschen, die ein Kompliment gegen aussen abtun, aber innerlich stolz darauf sind.

Die Sache mit den Komplimenten

Ein Geschenk

Nicht immer sind wir derselben Ansicht wie andere. Doch auch wenn wir ein Kompliment für übertrieben halten, dürfen wir es als die persönliche Sichtweise des Gegenübers annehmen. Unser Gegenüber hat das Recht, uns positiv zu sehen und das auch zu sagen. Am besten ist es, wenn wir bei einem Kompliment gut zuhören und uns danach dafür bedanken. Wir müssen ein Kompliment weder bestreiten noch abwerten.

Falls uns das schwerfällt, müssten wir wahrscheinlich unsere Einstellung zu uns selbst überprüfen. In diesem Fall könnte es durchaus sein, dass es mit unserer Selbstachtung und mit unserem Selbstwertgefühl nicht zum Allerbesten steht. Und wir sollten nie vergessen:

«Ein Kompliment ist ein Geschenk, das man nicht zurückweist. Jedenfalls dann nicht, wenn es ehrlich gemeint ist!»
Albin Rohrer