Feigenbaum
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Der Feigenbaum ist klein, aber in der Breite ausladend. Trotz der knorrigen Gestalt, wirkt er überaus sanft. Er erinnert an eine liebenswerte Nonna, die über dem Wohlergehen ihrer Lieben wacht.

Besondere Symbolik

Seine Heimat liegt in Südwestasien, doch bereits in der Antike war der Feigenbaum (Ficus carica) im ganzen Mittelmeerraum verbreitet und spielte in der Ernährung der Menschen eine zentrale Rolle. Seine wichtige Stellung zeigt sich auch in der Symbolik: Die Feige steht für Liebe, Sinnesfreude, Fruchtbarkeit, aber auch für Reichtum und Überfluss.

Grabungen in einer 11 000 Jahre alten Fundstätte bei Jericho brachte zahlreiche Feigen zutage, die meisten davon waren samenlos. Solche Früchte können nur von stecklingsvermehrten Bäumen stammen, was beweist, dass damals bereits Feigenbäume kultiviert wurden. Damit gehört der Feigenbaum zu den ersten Kulturpflanzen und ist sogar älter als das Getreide.

Der Legende nach soll der Feigenbaum aus einem Blitz von Zeus entstanden sei. Der Göttervater schien dem Baum jedenfalls besonders zugetan, denn Feigenbäume sollen vor Blitzen verschont sein. Als einzige Pflanze wird der Feigenbaum namentlich als Bewohner des Gartens Eden erwähnt. Seine Blätter mussten denn auch als Verhüllung herhalten, nachdem Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis genascht hatten. So ein Feigenblatt ist recht gross und kann einiges bedecken, die fingerförmige Lappung erfordert allerdings etwas modisches Geschick, damit nichts hervorblitzt.

Feigenbaum (Ficus carica)

Eine schöne Legende, die dem Wesen des Baumes besonders gerecht wird, besagt, dass auch der wildeste Stier sofort ruhig und sanft wird, wenn man ihn an einen Feigenbaum anbindet.

Botanik

Botanisch gehört er in die Familie der Maulbeergewächse. Er ist ein sommergrüner kleiner Baum und erreicht eine Höhe von knapp zehn Metern. Der Stamm ist kurz, knorrig und oft gedreht. Die grossen Blätter sind oberseits rau behaart, unterseits heller und flaumig.

Alle Pflanzenteile enthalten Milchsaft. Diesen verwendeten die alten Maler als Bindemittel für ihre Farben. Er enthält das eiweissspaltende Enzym Ficin und wird deshalb auch in der Küche verwendet: Der Milchsaft macht das Fleisch zart und lässt die Milch gerinnen.

Befruchtung: einzigartiges Zusammenspiel

Nie sieht man einen Feigenbaum in Blüte. Er verbirgt sie nämlich geheimnisvoll im Innern der grünen, kleinen Feigen. Die Befruchtung ist ein «Ménage-à-trois», ein einzigartiges Zusammenspiel zwischen einer Wespe und dem Feigenbaum. Dieser tritt in zwei Varietäten auf, als Essfeige und als ungeniessbare Holz- oder Bocksfeige. Die Essfeige besitzt nur weibliche Blüten, die Holzfeige weist männliche und sterile (unfruchtbare) weibliche Blüten auf. In diesen sterilen Blüten entwickeln sich die Feigengallwespen (Blastophaga psenes). Die flugunfähigen Wespenmännchen begatten die Weibchen im Innern der Holzfeigenfrüchte. Die Weibchen fliegen danach aus, suchen eine Feige zur Eiablage und befruchten dabei sowohl Essfeigen als auch Holzfeigen.

Nach der Befruchtung wächst die kleine Feige, die botanisch gesehen ein Fruchtverband winziger Steinfrüchte ist, bis sie nach drei bis fünf Monaten gross und saftig ist. Es gibt jedoch auch parthenokarpe Feigensorten, die ohne Bestäubung samenlose Feigen bilden. Sie eignen sich besonders auch für kühlere Gegenden, wo die Feigenwespe nicht vorkommt.

Vielseitiges Heilmittel

Feigen sind ausgezeichnete Energiespender und reich an Mineralstoffen, Aminosäuren, Vitaminen und Ballaststoffen. Auch in der Volksmedizin spielte der Feigenbaum stets eine grosse Rolle: Früchte, Blätter, Rinde und Milchsaft werden bei Verdauungs­beschwerden, Atemwegserkrankungen und zur Stärkung von Herz und Kreislauf eingesetzt.

«Die Früchte sind mild abführend, antioxidativ und entzündungshemmend, tonisieren den Magen und entkrampfen die Darmmuskulatur.»
Ursula Glauser-Spahni

Sie lindern Hämorrhoiden, helfen bei Harn- und Nierengriess und zeigen zudem eine hemmende Wirkung auf Bakterien, Pilze und Würmer. Der Milchsaft wurde zur Behandlung von Warzen und bei Hautinfektionen, Skorpion- und Insektenstichen verwendet.

Der Saft aus den Blättern wurde bei Vitiligo (Weissfleckenkrankheit) eingesetzt.

 

«Die überlieferte Wirkung auf Diabetes durch Feigenblättertee erhält durch neue Studien Bestätigung.»
Ursula Glauser-Spahni

Der Tee wurde zudem bei Bronchitis, Halsschmerzen, Husten und Herz-Kreislauf-Problemen eingesetzt. Als Wirkstoffe findet man Cumarine, ätherisches Öl, Polysaccharide, Triterpene, Gerbstoffe und Rutin.

Harmonisierende Wirkung

In der Gemmotherapie werden die sich entfaltenden Frühlingsknospen des Feigenbaumes verwendet. Das Mazerat harmonisiert das vegetative Nervensystem. Mit ihrer angstlösenden und stressabbauenden Wirkung hilft sie bei Angstzuständen, depressiven Verstimmungen, Panikattacken, aber auch bei stressbedingten Leiden wie Magenbrennen, Magen- und Darmschleimhautentzündung, nervösen Herzbeschwerden, Schlafstörungen und bei Hautkrankheiten mit nervösem Hintergrund.

«Kombiniert mit dem Gemmomazerat von Sommerlinde hilft sie besonders auch Kindern, die einen Kummer verarbeiten müssen – eine tröstende Umarmung der Nonna.»
Ursula Glauser-Spahni