Bereits vor und mit der Geburt – über Fruchtwasser und Muttermilch – wird unser Geschmacksempfinden erstmals geprägt. Mit jedem weiteren Lebensmittel baut sich der Mensch ein «Geschmacksarchiv» auf, aus dem er seinen ganz individuellen Geschmack entwickelt. Und dieser verändert sich, ein Leben lang.
Über sogenannte Geschmacksknospen auf unserer Zunge können wir die verschiedenen Geschmacksrichtungen wahrnehmen und unterscheiden: Süss, sauer, salzig, bitter – und umami, eine Art würziger Fleischgeschmack.
Cornelia Eiberli, Drogistin und Ernährungsberaterin, kommt ohne Umschweife auf den Punkt:
So tief verwurzelt ist also die wiederkehrende Lust auf Süsses bei Kopfarbeit, Frust oder als Belohnung. Es muss aber nicht immer Zucker sein, «auch naturbelassene Früchte, manche Gemüse oder gar Brote und Getreide schmecken gut gekaut süss – und sind um einiges gesünder», so Eiberli.
Süsses schenke uns zwar schnelle Energie, die sei aber auch rasch wieder verbraucht. Und noch ein Tipp, falls Sie nach einem süssen Dessert unter Verdauungsproblemen leiden: «Wagen Sie einen Versuch und essen Sie das nächste Mal das Dessert zuerst!»
Diese «umgekehrte» Reihenfolge macht auch deshalb Sinn, «weil Bitterstoffe zum Abschluss die Verdauung einleiten und die Darmbewegung anregen.» Der Kaffee nach dem Essen ist aus dieser Sicht sehr passend; auch, «weil Bitteres in unserer Ernährung heutzutage oft fehlt, fast schon gesucht und gezielt zugeführt werden muss; etwa über Salate, frische Kräuter und Sprossen, einen Artischockensaft oder Gewürze wie Kurkuma.»
Im Gegensatz zu Bitterstoffen findet sich Saures im Alltag häufig, beispielsweise in Tomaten oder Salatsaucen: «Deshalb muss man es mit dieser Geschmacksrichtung auch nicht übertreiben», so Cornelia Eiberli, «aber sie wirkt sehr befeuchtend, was gerade im Winter gefragt ist.» Aufgekochtes, leicht abgekühltes Wasser mit frischem Zitronensaft oder Apfelessig wecke morgens die Lebensgeister, bringe die Entgiftung in Schwung und wirke befeuchtend – das perfekte Wintergetränk!
Bei häufigen Entzündungen allerdings, beispielsweise im Hals, ist Saures weniger geeignet und mit Vorsicht zu geniessen. Und interessanterweise wirken Zitronensaft und Apfelessig im Stoffwechsel nicht etwa sauer, sondern basisch – mit ausgewählter Säure kann also auch dem tendenziellen Säureüberschuss begegnet werden.
«In sehr vielen Produkten, von denen wir es gar nicht erwarten, versteckt sich Salz: natürlich verbessert es die Haltbarkeit und fördert die Geschmacksintensität – andererseits kann es den Körper auch sehr belasten, speziell die Nieren.» Gerade beim Konsum von Fertigprodukten erreiche man die empfohlene Tagesdosis von sechs Gramm ziemlich schnell. Für die eigene Küche empfehlen sich naturbelassene Alternativen zum konventionellen Streusalz, wie beispielsweise Steinoder Meersalze, feingeschnittene Algen, Hefeflocken oder eine selber angesetzte Salzsole.
Cornelia Eiberli rät, «grundsätzlich experimentierfreudiger sein und nicht auf dem ewig Gleichen verharren. Auch ein temporärer Verzicht, beispielsweise auf Salz, lässt einen anschliessend das Gewürz in ganz anderer Intensität neu erleben.» Während Fertigprodukte und künstliche Aromen unseren Geschmackssinn zunehmend einlullen, schenken bewusst genossene Frischprodukte immer wieder neue Geschmackserlebnisse und schulen die Sensorik – probieren Sie es aus!
Ann-Brita Dähler