Haut und Psyche
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Psychosomatische Aspekte von Hautkrankheiten sind bereits seit vielen Jahren bekannt. Die Erforschung der «Psychodermatologie» hat dabei einen erstaunlichen Fundus an Wissen hervorgebracht. Leider hinkt deren Anwendung im ärztlichen Alltag noch hinterher.

Der aufmerksame Arzt wird bestätigen, dass eine genaue Befragung seiner Patienten häufig einen Zusammenhang zwischen psychischen Belastungen und einem Aufflammen von Hautsymptomen wie Juckreiz oder Rötung aufzeigt. Doch wann sollten Hautkranke an die Psyche denken?

Ekzeme

Ekzeme gehören zu den häufigsten Hautkrankheiten und betreffen je nach Studie bis zu 20 Prozent der Bevölkerung. Dabei handelt es sich um eine Gruppe entzündlicher, nicht-infektiöser Hautkrankheiten unterschiedlicher Ursache. Sie sind in Bezug auf Aussehen, Lokalisation und Ursache äusserst vielfältig. Durch die Entzündung kommt es zu Hautrötung, Bläschenbildung, Nässen, Krustenbildung und Schuppung. Die Hautbarriere wird so gestört und Betroffene leiden unter Juckreiz, schuppender Haut und schubweisen Verläufen.

Bezogen auf ihre Ursache werden sie in allergische, toxische und atopische Ekzeme (Neurodermitis) eingeteilt. Entsprechend gestaltet sich die Behandlung, nämlich durch Weglassen von Auslösern (Reizstoffe oder Allergene), Hautschutz, Rückfettung – und bei ausbleibender Besserung das entzündungshemmende Kortison.

Aber nicht immer lässt sich eine Ursache identifizieren, und nicht selten kehrt das Ekzem nach der Behandlung wieder zurück. Lässt sich keine äussere Ursache feststellen oder spricht die Therapie nicht an, lohnt es sich, auch die Lebensumstände zu erkunden. Denn häufig spielen sogenannte «psychosoziale Faktoren» eine Rolle.

Diesen Zusammenhängen widmet sich das Gebiet der Psychodermatologie und erforscht schon seit den 70er Jahren die Wechselwirkung zwischen Haut und Psyche. Denn zwischen Entzündung und Stress gibt es enge Zusammenhänge. Besonders für Neurodermitis und Schuppenflechte wurde dies schon weitgehend nachgewiesen. Die folgende Geschichte veranschaulicht, wie sich dies abspielen kann.

Ein Fallbeispiel

Nadine* ist Anfang fünfzig und leidet seit wenigen Wochen unter einem juckenden Ekzem am rechten Handrücken. Bisher hatte sie nie Hautkrankheiten oder Allergien und hat auch keine neuen Reizstoffe wie neue Waschmittel, Kosmetika oder Handschuhe verwendet. Sie ist sonst gesund und geht nur selten zum Arzt. In letzter Zeit hatten sich jedoch Erschöpfung und Schlafprobleme eingestellt. Sie war oft müde, kraftlos und neigte zu Gedankenkreisen und Wutausbrüchen.

Der Dermatologe stellte an der Hand ein «Nicht-irritatives, nicht-allergisches Ekzem» fest – also ein Ekzem unklarer Ursache – und verschrieb ihr ein Kortisonpräparat. Vor dem Kortison hatte sie jedoch Respekt und behandelte ihre Haut mit Kokosöl und frischem Aloe-vera-Extrakt, leider ohne Besserung.

Bei der genaueren Erkundung der Lebensumstände fielen erhebliche Belastungen auf. Viele Jahre hatte sie als Alleinerziehende im «Überlebensmodus» zwischen Arbeit und Erziehung verbracht. Sie war oft auf sich gestellt gewesen, für Hobbies und Sport blieb keine Zeit. Nun bahnte sich ein neuer Lebensabschnitt an. Ihre Kinder waren vor Kurzem ausgezogen und sie spielte mit dem Gedanken, selbst umzuziehen und ihr Heim zu verkaufen. Ihre Angehörigen waren von ihrer Idee wenig begeistert. Über 20 Jahre hatte sie in dem Haus gelebt und es damals auf dem Familiengrundstück gebaut. Vom Zeitpunkt des Auszugs aus dem Haus bis zum Verkauf dauerte es zwei Jahre. Das Ekzem fiel in die Schlussphase. Kurz nach Unterzeichnung des Verkaufs bildete sich das Ekzem zurück, ganz ohne Kortison. Handeln war angezeigt gewesen und die Hand hatte gejuckt.

Bei dieser ganzheitlichen Sicht fallen mehrere stressbezogene Symptome wie Erschöpfung, Schlafstörungen und Gedankenkreisen auf. Auf körperlicher Ebene gehen solche Symptome in der Regel mit leichtgradigen Entzündungsprozessen einher. Messbar sind diese im Alltag leider nicht, aber das Puzzle aus Symptomen und Geschichte ergibt ein Bild, das sich psychosomatisch einordnen lässt und mit der Hautentzündung einhergeht.

Wie der Stress in die Haut kommt

Zusammenhänge zwischen Stress und der Haut liessen sich bisher sowohl in Bevölkerungsuntersuchungen als auch molekular auf Ebene des Nerven- und Immunsystems – «psychoneuroimmunologisch» – nachweisen. Hautkrankheiten können die Psyche stark in Mitleidenschaft ziehen.

«Betroffene leiden überdurchschnittlich häufig unter Depressionen und Ängsten. Umgekehrt kann die Psyche aber auch die Haut belasten. Beispielsweise ist im Vorfeld der Entwicklung von Neurodermitis, Psoriasis oder malignen Melanomen vermehrt ein psychisches Trauma nachzuweisen.»
Dr. med. Marc Fouradoulas

Dass Stress entzündliche Hautkrankheiten begünstigen kann, gilt als mittlerweile gesichert, obwohl dies wissenschaftlich schwerer zu erfassen ist.

Trotzdem sind diese Erkenntnisse sowohl Ärzten als auch Patienten nur wenig bekannt. Auch mangelnde Erfahrung im Umgang mit psychischer Belastung, Angst vor Stigmatisierung oder Zeitmangel können dazu beitragen, nur die Haut und nicht den Menschen zu behandeln. Zum besseren Verständnis ein paar gesicherte Fakten:

Auf jeder Immunzelle in und unter der Haut befinden sich Rezeptoren für Stresshormone. Bei jeder Stressreaktion reagiert auch das Immunsystem mit. Psyche und Haut sind so über Nerven und Immunsystem eng verknüpft.

Bei chronischem Stress – seien es Traumatisierung, Angst oder Depressionverschiebt sich das Gleichgewicht des Immunsystems. Es kommt zu einer peripheren, nicht zellulären Entzündung, welche pro-allergen und pro-autoimmun wirkt. Man spricht von «stressverstärkter Entzündung».

Bei Neurodermitis wird unter psychosozialer Belastung in bis zu 50 Prozent eine Hautverschlechterung beobachtet. Bei akutem Stress stellt sich diese in der Regel innert 24 Stunden ein. Bei Psoriasis kann diese zeitliche Verzögerung bis zu drei Wochen dauern.

Traumatische Lebensereignisse sind mit einem erhöhten Auftreten von Neurodermitis, Psoriasis oder Hauttumoren in einem Zeitfenster von etwa sechs Monaten verbunden.

Ratschläge für den Alltag

1. Reagiert Ihre Haut auf Stress?

Oft, aber nicht immer spielt die Psyche mit. Daher lohnt es sich, rückblickend bis zu einem halben Jahr vor einer neuen Hauterkrankung oder Verschlimmerung einer bestehenden Hauterkrankung auf psychische Belastungen zu achten.

Liegen andere stressbezogene Symptome vor, wie zum Beispiel Schlafstörungen, chronische
Müdigkeit oder Stimmungsschwankungen?

2. Was können Sie tun?

Alles, was Stress reduziert, reduziert auch eine Entzündung. Das ist gut belegt für moderaten Ausdauersport, Entspannungsübungen wie etwa autogenes Training oder Meditation, aber
auch ausreichend Schlaf und soziale Unterstützung.

Wenn Sie erkennen, dass Ihre Hauterkrankung auf psychische Probleme zurückgeht, sollten diese auch entsprechend erkannt und fachkompetent – ärztlich psychosomatisch, psychologisch – mitbehandelt werden.

Faktoren, die eine Hautentzündung fördern

Allergene

  • Kontaktallergene
  • Nahrungsmittel
  • Aeroallergene (Pollen, Hausstaubmilben)

Psyche

  • Alltagsstress
  • Ängste
  • Konflikte
  • Schlafstörungen
  • etc.

Mikroben

  • Bakterien
  • Pilze
  • Viren

Irritation

  • Chemikalien
  • Mechanische Belastung (Kratzen)
  • Detergenzien

* Name geändert