Die Tierärztin Olivia Scherrer aus Zürich behandelt sowohl Katzen und Hunde als auch deren Halterinnen und Halter mit homöopathischen Mitteln. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen.
Während vieler Jahre habe ich eine Kleintierpraxis geführt und dort die Erfahrung gemacht, dass ich bei einigen meiner vierbeinigen Patienten mit der Schulmedizin an Grenzen stosse. Oft musste ich lebenslang Medikamente verschreiben. Das empfand ich als unbefriedigend, weshalb ich mich nach Alternativen umgeschaut und eine Ausbildung in Homöopathie absolviert habe.
Vor allem bei chronischen Krankheiten sah ich ein Potenzial mit dieser Methode. Seit acht Jahren behandle ich Tiere und oft auch ihre Halterinnen und Halter mit Homöopathie. Mein Angebot habe ich auf Menschen ausgeweitet, weil mir Tierhalterinnen und Tierhalter oft in der Praxis auch von ihren Problemen erzählen.
Der grösste Unterschied ist die ganzheitliche Betrachtung der Patientinnen und Patienten. Leidet eine Katze an einer Blasenentzündung, konzentriere ich mich nicht nur auf die Blase, sondern versuche, auch andere Auffälligkeiten zu erfassen, um ein auf das Individuum abgestimmtes Mittel zu finden.
Die Homöopathie setzt stark verdünnte Mittel ein, die dem Körper den Anstoss zur Selbstheilung geben sollen. Sie basiert auf dem Ähnlichkeitsprinzip. Bei einem gesundheitlichen Problem werden also stark verdünnte Mittel verwendet, die in stofflicher Form zu diesem Problem führen können. Der Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann, hat zum Beispiel Chinin eingenommen und die Erfahrung gemacht, dass dieses Mittel bei gesunden Menschen zu Fieber führt. Heute wird Chinin in der Schulmedizin gegen Malaria eingesetzt und stark verdünntes Chinin in der Homöopathie bei Fieberschüben.
In Notfallsituationen bietet die Schulmedizin sehr gute Lösungen. Manche homöopathischen Mittel setze ich auch in der Akutsituation ein, zum Beispiel wenn sich ein Tier verletzt hat. Gute Erfahrungen mache ich mit der Homöopathie vor allem bei psychosomatischen Problemen oder Verhaltensproblemen. Bei chronischen, vorbehandelten Krankheiten, die schon lange bestehen, braucht es jedoch viel Geduld.
Für mich ist es immer gut, wenn ich Einblick in die Krankengeschichte erhalte und mir selbst ein Bild vom Tier und seinen Eigenheiten machen kann. Toll ist natürlich, wenn Halterinnen und Halter sich Auffälligkeiten vor der Konsultation notieren.
Das ist nicht immer einfach. Die Mittel sollten sie so im Magen landen, ohne mit der Mundschleimhaut in Kontakt zu kommen. Am besten gibt man die Globuli aufgelöst in Wasser mithilfe einer Spritze ins Maul des Tiers.
Mich interessiert der Mensch sehr. Viele Halterinnen und Halter erzählen viel von sich, wenn sie über ihr Tier sprechen. Ich schaue mir immer die Mensch-Tier-Konstellation an. Nicht selten verschreibe ich Mensch und Tier das gleiche Mittel. Viele Halter kommen später auch ohne ihr Tier in meine Praxis.
Nein. Weil Menschen aber besser über ihren Zustand Auskunft geben können, steht mir für Zweibeiner eine etwas grössere Palette an Mitteln zur Verfügung.