23. Februar 2021

Kleiner Balkon, grosses Glück

Kleiner Balkon, grosses Glück
Lesezeit ca. 8 min

Es braucht nicht viel, um sich einen grünen Kraftort zu schaffen. Hat man das Potenzial seines Balkons erstmal erkannt, ist bereits der wichtigste Schritt getan. Wer dann beherzt ans Werk geht, kann es zwischen Blüten und Blattwerk finden: das Paradies!

Nähe zur Natur

Die Nähe zur Natur tut gut, körperlich wie seelisch. Der Blick ins Grüne entspannt und erdet, lässt Alltagssorgen verblassen. Immer mehr Menschen haben Sehnsucht nach Mutter Natur. Kein Wunder, liegen Waldbaden und Gärtnern im Trend. Allerdings ist der nächste Wald manchmal fern. Und längst nicht jeder hat das Glück, einen eigenen Garten zu besitzen.

Was viele aber haben, ist ein kleiner Balkon. Schaut man sich in den Städten allerdings um, muss man oft leider feststellen: Etliche Balkone fristen ein Dasein in grünloser Tristesse und werden zur Abstellfläche von Gerümpel degradiert. Dabei hat selbst ein Zwei-Quadratmeter-Balkon das Potenzial zum Paradies. Und wer will darauf schon verzichten?

Kurzanleitung für eine Oase

Will man aus seinem Balkon einen lebendig grünen Kraftort machen, muss man zunächst den Tatsachen ins Auge sehen: Nicht jeder Begrünungswunsch lässt sich erfüllen.

Standortverhältnisse beachten

Standortverhältnisse beachten

Der Standort entscheidet, welche Pflanzen dort am besten gedeihen. Ein Nordbalkon wird seltener zur blühenden Oase, da der Grossteil der Blumen eher sonnenhungrig ist. Schatten- und feuchtigkeitsliebende Gewächse werden hingegen nicht glücklich sein, wenn sie täglich der prallen Mittagssonne und Trockenheit ausgesetzt sind. Auch Wind vertragen längst nicht alle Pflanzen. Im ersten Schritt sollten also zunächst die Standortverhältnisse eruiert werden. Daraus ergibt sich bereits automatisch eine Pflanzenselektion.
Heimische Flora

Heimische Flora

Im zweiten Schritt gilt es zu bedenken: Wer seinen Balkon auch zum Tummelplatz von Insekten machen will, lockt sie möglichst mit heimischer Flora. Tropische Gewächse wie die populäre Dipladenia sind zwar prachtvolle und pflegeleichte Dauerblüher, für Bienen und Hummeln aber völlig uninteressant. Duftnesseln, Malven und Wicken hingegen sind bei ihnen äusserst beliebt. Auch Kräuter und Gewürze werden schnell zum summenden Hotspot, zum Beispiel Strauchbasilikum, Thymian und Minze.
Blick und Haptik

Blick und Haptik

Entscheidend, ob man sich auf Balkonien wirklich wohlfühlt, ist nicht zuletzt der eigene Blick. Es lohnt sich also, im Vorfeld zu überlegen: Wo sitze ich am liebsten, und wo schaue ich hin? Gibt es Aus- oder Anblicke, von denen ich lieber ablenken will? Oder fühle ich mich beobachtet und deshalb nicht wohl? Ein berankter Sichtschutz oder höher wachsende Pflanzen können bereits Wunder bewirken.
Richtige Möblierung

Richtige Möblierung

In Sachen Möblierung lässt sich raten, nicht nur auf die Optik zu setzen. Auch die Haptik trägt ganz entscheidend zum Wohlfühlen bei. Ein rauer Betonboden oder unansehnliche Fliesen von anno dazumal, auf denen das Regenwasser nur schlecht abfliesst, sind für Füsse kein taktiles Highlight. Holzroste und Outdoor-Teppiche hingegen eignen sich bestens als schmeichelnde Sohlenkitzler.

Mut zum süssen Nichtstun

Wenn Bepflanzung und Möblierung fertig sind, dann nichts wie los mit dem «Kraft tanken im Privatparadies». Doch: Einfach nur dasitzen und nichts tun? Damit sind viele von uns völlig überfordert. Die (digitale) Ablenkung im Alltag ist mittlerweile unser ständiger Begleiter: Hier ein Klingeln, da ein Piepsen … und schon springen wir auf. Aber sind wir mal ehrlich: Den Stress machen wir uns häufig selbst. Wer Entspannung und innere Balance sucht, sollte sich regelmässig Auszeiten gönnen – und auch den Müssiggang auf dem Balkon kultivieren!

Längst ist wissenschaftlich bewiesen, dass das Beobachten von Fischen im Aquarium einen positiven und beruhigenden Einfluss auf unseren Körper hat. Unter anderem wird dabei der Blutdruck gesenkt. Warum sollte das beim Abtauchen in den Mikrokosmos auf dem Balkon anders sein? Statt Fische beobachtet man eben Insekten – und das sogar an der frischen Luft.

Naturerlebnis im Kleinformat

Wer sich auf das Abenteuer «grünes Balkonien» einlässt und ganz genau hinschaut, dem tun sich wahre Wunderwelten auf. Der Natur im Rhythmus der Jahreszeiten zuzusehen, ist und bleibt ein Faszinosum. Flora und Fauna bringen einfach Erstaunliches hervor. Und je näher man heranzoomt, desto fantastischer wird diese Welt.

Die wahre Schönheit liegt dabei oftmals im Detail, zum Beispiel in Blumensamen. Wer sich die Mühe macht, nach der Blüte Samen zu sammeln, wird erstaunt sein ob der Vielfalt der Winzlinge, in denen das Leben programmiert ist. Das Sammeln hat übrigens nicht nur den Vorteil, dass man im nächsten Jahr wieder selbst säen kann. Lichtgeschützt in Tütchen verpackt und in einen Briefumschlag gesteckt, sind sie ein wunderbares Geschenk für Freunde.

Ein kleiner Erfahrungsbericht

Mein eigener Balkon – Südseite, mitten in der Stadt – ist gerade mal zweieinhalb Quadratmeter gross. Wahrlich nicht viel, könnte man meinen. Aber Sie werden erstaunt sein, wie viele Pflanzenarten bei mir gedeihen: nicht fünf, nicht zehn, über 20! Das ist sozusagen mein persönlicher Beitrag zur Biodiversität. Das meiste wächst in Kästen, die an einer schmiedeeisernen Brüstung hängen. Einiges gedeiht aber auch in Töpfen direkt auf dem Boden.

So manche winterharte Pflanze begleitet mich mittlerweile seit Jahren. Darunter ein Weisser Lavendel, eine Nelke in Pink und die Montbretie mit leuchtend roten Blüten. Edelwicke, Pfirsichsalbei und Elfenspiegel gehören ebenfalls zu meinem Standardsortiment. Sie duften einfach betörend! Genauso wie mein Löwenmäulchen, das (zumindest für mich) so herrlich nach Kaugummi – nach Kindheitserinnerung – riecht.

Kleiner Balkon, grosses Glück

Im letzten Sommer zog erstmals eine schwarzäugige Susanne auf meinen Balkon. Ehrlich gestanden habe ich die orange blühende Kletterpflanze nur ihres Namens wegen gekauft. Den haben wir schliesslich gemeinsam. Sie gedieh prächtig und erwies sich als Glücksgriff, in doppeltem Sinn: Mir bot sie eine ununterbrochene Blütenpracht, den Insekten an der Hauswand eine beachtliche Fläche als Nektarquelle und Unterschlupf. Entsprechend tummelte sich dort vieles, was kreucht und fleucht: Bienen, Hummeln, Schwebfliegen, Gammaeulen (Nachtfalter), Kleine Füchse (Schmetterlinge), Ohrenkneifer, Marienkäfer …

Freunde fürs Leben

Je mehr man Insekten beobachtet und über sie weiss, desto verbundener fühlt man sich ihnen. Wenn sich zum Beispiel eine Biene mühsam in die Blüte des Schlangenkopfs zwängt, möchte man ihr fast dabei helfen. Ein Kraftakt, der aber nur sichtbar wird, wenn man die Nähe nicht scheut. Ein Balkon liefert zig solch kleiner und grosser Geschichten. Und sensibilisiert dafür, was wir in der Hektik des Alltags sonst nicht wahrnehmen. Zum Beispiel den «Wind», den die Blaue Holzbiene macht, wenn sie mit sattem Sound vorbeifliegt. Ein riesiger Brummer mit schwarzem Pelz und schimmernd blauen Flügeln.

Kleiner Balkon, grosses Glück

Am meisten haben es mir die grasgrünen Heupferde angetan. Zum einen hielten sie den Pflanzen die Blattläuse vom Leib, zum anderen waren sie (standort-)treue Gesellen. Das ganze Jahr über habe ich verfolgt, was sie so treiben. Sofern ich sie überhaupt ausfindig machen konnte, denn trotz ihrer Grösse (rund 6 cm lang) sind sie Meister der Tarnung. Wenn man jedoch ihre Gewohnheiten kennt, kommt man ihnen schnell auf die Schliche: Die Blätter der Duftnessel, so stellte sich heraus, waren ihr Lieblingsort, um abzuhängen und zu chillen. Dabei zuzuschauen, war wiederum für mich Entspannung pur. Mal ehrlich, wer braucht da noch ein Aquarium?