Kopfschmerzen bei Kindern
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Auch Kinder und Jugendliche leiden unter Kopfschmerzen. Die Ursachen sind selten organisch: Meist spielen eher Stress zu Hause, Überforderung in der Schule, Bewegungsmangel, Ängste oder ein hoher Selbstanspruch eine Rolle.

Kopfschmerzen ernst nehmen

Eltern werden schnell unsicher, wenn ihr Kind öfter über Kopfschmerzen klagt. «Sie sind ein häufiger Vorstellungsgrund beim Kinderarzt», sagt die Kinderneurologin Katrin Lengnick. Tatsächlich sollten Eltern den Schmerz ihres Kindes nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn dieses leidet genauso wie ein Erwachsener darunter.

«Treten Kopfschmerzen mehrmals pro Monat über mehr als drei Monate auf, sollte der Arzt konsultiert werden, denn das Risiko, dass der Kopfschmerz mit der Zeit chronisch wird – und zwar bis ins Erwachsenenalter – ist hoch.»
Katrin Lengnick
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Ostschweizer Kinderspital

Lengnick leitet die Kopfschmerzsprechstunde am Ostschweizer Kinderspital in St.Gallen. Sie empfiehlt, vor dem Besuch ein Kopfschmerztagebuch zu führen, um mögliche Auslöser wie Stress in der Schule, Familie oder im sozialen Umfeld zu notieren.

Spannungskopfschmerz oder Migräne?

Bei den meisten Jugendlichen (60 Prozent und mehr) sind es Spannungskopfschmerzen. Die beidseitig drückenden Schmerzen dauern zwischen 30 Minuten und mehreren Tagen. Die Intensität ist leicht bis mittel, und körperliche Aktivität verstärkt die Kopfschmerzen nicht. Eine Ablenkung vom Schmerz ist häufig möglich.

10 bis 15 Prozent der Betroffenen haben dagegen eine Veranlagung zur Migräne. Die Intensität der meist einseitig pulsierenden Kopfschmerzen ist mittel bis hoch. Eine Attacke kann 2 bis 72 Stunden andauern und ist häufig mit Übelkeit, Erbrechen und Reizempfindlichkeit verbunden. Körperliche Aktivität verstärkt die Schmerzen – eine Linderung durch Ablenkung ist während einer Attacke kaum möglich. Anders als bei Erwachsenen können die Schmerzen auch beidseitig auftreten. Eine vorausgehende Aura ist selten.

Auslöser und Therapien ähneln sich

Die Auslöser der beiden Kopfschmerzarten überlappen sich, und präventive Massnahmen sind ähnlich. «Ein wesentlicher Baustein der Therapie besteht darin, Kind und verunsicherte Eltern aufzuklären, welche Erkrankung vorliegt, welche Faktoren die Schmerzen auslösen können und was sie präventiv und in der Akutsituation tun können, um die Schmerzsituation positiv zu beeinflussen», sagt Neurologin Lengnick. Das reduziere die Angst bei Kindern und Eltern und überzeuge sie, dass eine akute Schmerzsituation selbst gemeistert werden könne. «Oft trägt diese Erkenntnis bereits dazu bei, Intensität und Häufigkeit der Kopfschmerzen positiv zu beeinflussen.»

Hier helfen auch kindgerechte Online-Comics wie «Mütze hat den Kopfschmerz satt» oder «Migräne? Hab ich im Griff» vom Deutschen Kinderschmerzzentrum.

Präventive und hilfreiche Massnahmen

Daneben stehen vor allem bei Spannungskopfschmerzen nicht-medikamentöse Therapien im Mittelpunkt. Sie sollen Auslösern vorbeugen und die Erfahrung stärken, sich im Akutfall selbst wirksam helfen zu können. Dazu gehören Tipps, wie man sich vom Schmerz ablenkt; beispielsweise, indem man sich gedanklich in eine schöne Situation versetzt. Aber auch Entspannungstechniken, Aromatherapie, Akupressur, Osteopathie oder Nervenstimulation können hilfreich sein. «Zusammen mit der Aufklärung haben diese Verfahren einen nachweislich guten Effekt», so Lengnick.

Gleichzeitig empfiehlt die Kinderneurologin Änderungen im Lebensstil wie regelmässige und ausgewogene Mahlzeiten, einen festen Schlafrhythmus, mehr Bewegung und ausreichend Freizeit: «Diese Massnahmen sind gerade im frühen Kindesalter häufig hilfreich.»

«Eltern sollten zudem die Augen offen halten nach Auslösern wie eskalierenden Medienkonsum, hohen Leistungsdruck in der Schule oder soziale und familiäre Belastungen.»
Andreas Grote

Medikamentöse Therapie

In der medikamentösen Akuttherapie dagegen unterscheiden sich Spannungskopfschmerz und Migräne. Bei ersterem sollten Schmerzmittel nur ausnahmsweise zum Einsatz kommen. Zum einen wirkten diese bei Spannungskopfschmerz nicht optimal, da keine entzündliche Ursache vorliege. «Ausserdem könnte bei häufigem Gebrauch das Schmerzmittel selbst zum Auslöser werden», befürchtet die Kinderneurologin.

Bei einer Migräneattacke dagegen gilt es, frühzeitig und richtig dosiert ein gut wirksames Medikament einzunehmen. Aufgrund der entzündlichen Vorgänge bei Migräne empfiehlt sich Ibuprofen, das nach etwa 30 Minuten wirkt. «Das Gefühl, durch eine rasche und wirksame Medikation Kontrolle über die Migräne zu erhalten, hilft, Intensität und Auftreten zu reduzieren», erklärt Lengnick. Bei unzureichender Wirkung kommen ab dem zwölften Lebensjahr auch Triptane wie Sumatriptan in Frage, die optimalerweise als Nasenspray bereits nach 10 bis 15 Minuten wirken.