Fotos: Tobias Stahel

Meta Hiltebrand ist eine über die Grenzen gefragte TV-Köchin. Vielen ist sie als «bunter Vogel» mit spitzer Zunge bekannt. Im Interview zeigte sie mir eine Seite, die nur wenige zu Gesicht bekommen.

Meta, du bist die Jüngste in der Familie. Wie geht es dir als Nesthäkchen?

Das Nesthäkchen der Familie zu sein war in meinem Fall nicht immer von Vorteil: Der Altersunterschied zu meiner Schwester beträgt acht und zu meinem Bruder sechs Jahre; da liegt also fast eine Generation dazwischen. Zudem war mein Vater als Inhaber eines Elektrogeschäfts meist nicht zu Hause. Demzufolge habe ich als Letztgeborene die innige Beziehung zum Vater vermisst. Hingegen habe ich zu meiner Mutter eine sehr tiefe und herzliche Bindung, für die ich sehr dankbar bin. Sie ist einer meiner Herzensmenschen.

Wie würdest du dich selbst beschreiben?

Ich würde mich als ehrliche, aber auch direkte Person bezeichnen, bei der Lügen kurze Beine haben. Von meinen Mitmenschen erwarte ich, dass sie mir Dinge, an denen sie sich stören, fadengrad ins Gesicht sagen, statt mir den Dolch in den Rücken zu rammen. Ich rede auch ungern um den heissen Brei herum. Wenn ich «Ja» sage, dann meine ich auch «Ja» – und umgekehrt. Zudem steckt in der harten Schale, mit der sich viele konfrontiert sehen, auch ein weicher Kern mit mehr als nur einer sozialen Ader. Mein Credo lautet: Hier bist du Mensch, hier darfst du sein. Ich mache keine Unterschiede, gehe offen auf Menschen zu und setze mich für Gerechtigkeit und Randgruppen ein. Intoleranten Menschen zeige ich die kalte Schulter.

Gibt es etwas, was du mit dem Wissen von heute rückblickend so nicht mehr tun würdest?

Wenn man solch abenteuerliche, aber auch steinige Wege hinter sich hat, wie ich sie gr sstenteils gehen musste und auch gegangen bin, gibt es vieles, was ich heute nicht mehr so machen würde. In diesem Zusammenhang muss ich gestehen, dass meine ehrliche Art nicht immer hilfreich war. Ich bereue nichts von dem, was ich gemacht habe. Worauf ich am stolzesten bin, ist, dass ich vieles gemacht habe, wovon andere nur gesprochen haben.

Foto von Meta Hiltebrand

Du warst die jüngste Küchenchefin der Schweiz.

Als damals 23-jährige Frau in einer Männerdomäne bin ich von der Küchenhilfe zur Küchenchefin aufgestiegen. Dafür musste ich sehr viel «Dreck fressen» und habe es mir durch meinen unendlichen Fleiss und harte Arbeit verdient. Während andere in den Ferien weilten, habe ich mit angepackt und meinen Wissenshunger gestillt.

Zudem bist du erfolgreiche Unternehmerin, eine gefragte TV-Köchin und Kochbuchautorin. Wie liest sich das für dich?

Ich lege weder Wert auf Auszeichnungen noch auf Gourmet-Sterne. Meine Sterne sind meine Gäste. Mit dem breiten Fundus an Rezepten ist es naheliegend, ein Kochbuch auf den Markt zu bringen. Zudem hatte ich dadurch die Gelegenheit, meinen wichtigsten Wegbegleitern – ohne die ich nicht die Meta wäre, die ich heute bin – zu danken. In erster Linie bleibe ich Köchin und Gastronomin aus Leidenschaft.

Du hast unter anderem im Restaurant von Anton Mosimann aufgetischt. Ein regelrechter Ritterschlag.

Die Zeit bei Anton Mosimann war eine schöne, aber ehrlicherweise auch eine kurze Zwischenstation. Wer den besagten Ritterschlag zweifellos mehr verdient, ist Fabio Codarini: Er war ein strenger, aber auch liebevoller Lehrmeister, der heute noch für mich da ist, wenn ich ihn brauche. Er ist und bleibt meine grösste Respektsperson, die mich auf das Berufsleben vorbereitet, mich dafür «geknetet und gewalkt» und mich so zu der Person geformt hat, die heute viele aus dem Fernsehen kennen.

Die Sendung «Grill den Henssler» hat dir auch in Deutschland Türen geöffnet. Wie kam es dazu?

Die Macher der Sendung suchten Köchinnen und fragten mich an. Im Gegensatz zu Steffen bin ich laut und rebellisch, zwei meiner Eigenschaften, die beim deutschen Publikum gut ankamen. Den Durchbruch im Deutschen Fernsehen erlangte ich durch den Sieg bei Kitchen Impossible gegen Tim Mälzer. Das war mein Durchbruch. Darauf folgte unter anderem mein Engagement bei der «Küchenschlacht». Im Jahr 2019 hatte ich einen Gastauftritt bei der internationalen Koch-Show «Masterchef», die im deutschen Bezahlfernsehen ausgestrahlt wurde. Ein Jahr später sass ich für die Promi-Ausgabe als Jurymitglied neben Nelsen Müller und Ralf Zacherl.

Ist es «einfacher», als TV-Köchin Geld zu verdienen als mit einem eigenen Restaurant?

Das würde ich so nicht sagen. Dass ein TV-Koch ein Restaurant betreibt, ist üblich. Hingegen gibt es den TV-Koch als Alleinstellungsmerkmal nicht. Wenn ich die Möglichkeit hätte, an fünf Tagen der Woche als TV-Köchin zu arbeiten, wäre der Job sicher lukrativer. Das ist eher unrealistisch. Als Restaurantköchin habe ich die Gelegenheit, mein Können jeden Tag unter Beweis zu stellen, kreativ zu sein und ein regelmässiges Einkommen zu generieren. Jedoch könnte ich mich allein mit einem Restaurant oder wie in meinem Fall mit meinem Kochstudio nicht über Wasser halten.

Als gefragte Persönlichkeit bist du ständig auf Tour. Wie sehen deine Erholungsphasen aus?

Die Pandemie hat mich gelehrt, zu entschleunigen. Freundschaften und soziale Kontakte im Allgemeinen sind mir sehr wichtig. Ich verbringe viel Zeit mit Familie, Freunden und meinem Partner. In regelmässigen Abständen besuche ich eine ältere Dame im Seniorenheim, die mir über die Jahre ans Herz gewachsen ist; esse Kuchen mit ihr, trinke Kaffee, spiele Gesellschaftsspiele oder höre ihr einfach zu. Ich nehme das Leben bewusster wahr, bin dankbar und geniesse den Moment.

Was verstehst du unter gesunder Ernährung?

Für mich bedeutet gesunde Ernährung, die Balance zwischen Junkfood und gesundem Essen zu finden. Zur gesunden Ernährung gehören für mich auch ein bequemes Bett und ausreichend Schlaf.

Lieber kochen oder bekochen lassen?

Ganz klar selbst kochen.

Wie sehen dein Fast Food und «Verwöhnteller» aus?

In der ausgewogenen Ernährung liegt für mich der Schlüssel zum Erfolg. Wenn ich Lust auf einen Burger habe, gönne ich ihn mir. Dazu trinke ich dann aber kein Süssgetränk, sondern Wasser. Habe ich hingegen das Verlangen nach einem Süssgetränk, leiste ich es mir und bereite mir dazu einen feinen Salat. Demzufolge wirst du mich nicht beim Essen eines Burgers ertappen, während ich nebenbei an einer Cola nippe: Das sind meine Prinzipien, an die ich mich halte.

Dein Restaurant «Le Chef» ist Geschichte. Wie schwer ist es dir gefallen, es loszulassen?

Da der Wunsch nach Veränderung bereits länger in mir brodelte, nicht so schwer. Wenn man sich meinen Werdegang vor Augen hält, ist es nur die logische Konsequenz. Ich stieg mit 23 Jahren zur Küchenchefin auf, brachte es im Alter von 24 Jahren zur Privatköchin und mit knappen 28 eröffnete ich mein erstes Restaurant; nun ist die Zeit gekommen, zurück zu den Wurzeln zu gelangen. Das Kochstudio gibt mir die Möglichkeit, wieder ich zu sein, noch greifbarer zu werden und meiner Kreativität freieren Lauf zu lassen.

Du bist als Kämpferin bekannt und hattest vorab sicher ein Ass im Ärmel?

Ich würde das Kochstudio «Cook Couture» nicht als Ass im Ärmel bezeichnen, denn wie gesagt, brodelte der Wunsch nach einem Kochstudio bereits vor der Pandemie in mir. Die Pandemie war somit die Initialzündung, meinen Herzenswunsch in die Tat umzusetzen. Der Unterschied liegt darin, dass ich nicht mehr für die breite Masse koche, sondern für einen überschaubaren, kleinen Kreis.

Foto von Marmelade by Meta
«Marmeladen by Meta»

Wie muss man sich das vorstellen?

Bisher war es so, dass mein Angebot so breit gefächert war, dass ich im selben Moment nicht alle Bedürfnisse meiner Gäste zu 100 Prozent befriedigen konnte. Mein Team und ich veranstalten kleinere Events und Kulinarik-Abende. Das Gänge-Menü ist eine Überraschung à la Meta. Wer also Lust auf kulinarische Überraschungen hat, bucht ein Ticket für den Abend und lässt sich von mir in familiärer Atmosphäre bekochen. Was neu ist, ist, dass nicht der Kunde vorgibt, was er essen will – sondern dass ich selbst entscheide, was ich meinen Gästen an diesem Themenabend serviere. Diese Art zu kochen, macht mich kreativer und für die Gäste, welche zu mir ins Kochstudio «Cook Couture» kommen, nahbarer.

Wie würdest du Alain Berset entgegentreten, wenn er dich in deiner neuen Location besuchen käme?

Ich würde ihn bekochen wie jeden anderen Gast auch. Die Frage bietet mir die Gelegenheit, etwas richtigzustellen: Nämlich, dass ich kein Problem mit unserem Gesundheitsminister und Bundesrat habe. Ich bin schlichtweg der Meinung, dass wir in der Schweiz den roten Faden verloren oder aus der Hand gegeben haben. Meine Absicht mit der entsprechenden Videobotschaft an ihn war, ihm die Spaltung unseres Landes und die damit entstandene Zweiklassengesellschaft vor Augen zu führen. Während ich, meine Berufskolleg*innen und unsere Mitarbeitenden als nicht systemrelevant abserviert wurden, bekamen andere Branchen, die sich unter anderem der Pflege von Menschen verschrieben haben, stehende Ovationen, Boni und lechzten trotzdem nach noch mehr Geld. Einkaufszentren durften öffnen, weil die Deckung der Grundversorgung gewährleistet sein musste. Dass die Menschen wie Sardinen in der Büchse durch die Läden hamsterten, steht auf einem anderen Blatt Papier. Andererseits bin ich Herrn Berset aber auch unendlich dankbar:

«Denn durch den Lockdown habe ich erfahren, wie schön das Familienleben sein kann und habe meinen Partner besser kennenlernen dürfen. Früher hatte ich für solch alltägliche Dinge schlicht und einfach keine Zeit.»
Meta Hiltebrand
Erfolgreiche Köchin

Viele Menschen haben sich verändert. Bekommst du das zu spüren?

Gäste, die zu mir ins Restaurant kamen, wollten immer mehr für ihr Geld – und sind nach meiner Wahrnehmung selbst geiziger geworden, weil auch sie an den finanziellen Folgen der Pandemie zu knabbern haben. Dafür habe ich absolutes Verständnis. Geiz ist aber nicht immer geil. Denn als Gastronomin bedeutet das für mich und meine Mitarbeitenden, geringere Qualität auftischen zu müssen. Das kann ich mir nicht leisten. Waren günstiger einzukaufen demzufolge auch nicht, weil ich das nicht mehr vertreten könnte. All diese Aspekte haben meiner Meinung nach dazu geführt, dass die Menschen in gesellschaftlicher Hinsicht unzufriedener und komplizierter geworden sind. Während ich bis zur Pandemie wildfremde Menschen an einen Tisch setzen konnte und diese sich über die neu geknüpften Kontakte freuten, heisst es heute vielfach: «Entschuldigung, könnten Sie bitte Abstand wahren.» Gleichzeitig wird gejammert, dass es schwieriger geworden sei, jemanden kennenzulernen. Die Pandemie hat es zwar geschafft, unser Bewusstsein für das Wesentliche zu schärfen. Fakt ist aber auch, dass sozial benachteiligte Menschen und Randgruppen, die es ohnehin schwer im Leben haben, noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt, isoliert und ausgegrenzt wurden und sehr darunter leiden. Das ist nach meinem Empfinden die Kehrseite der Medaille namens Solidaritätswelle, die zu Beginn der Pandemie durch unser Land schwappte.

Mit welchen Erwartungen blickst du in die Zukunft?

Früher war ich eher ein verbissener Mensch, der immer mehr wollte und auch immer mehr von sich selbst forderte. Heute weiss ich, was ich will und blicke entspannt in die Zukunft. Ich erfreue mich an der Lebensqualität, die ich zurückgewonnen habe.

Wie sehen deine kurz- beziehungsweise langfristigen Projekte aus?

Das Jahr 2022 wird in zweierlei Hinsicht mein Jahr. Zum einen das Jahr der Veränderung, aber auch das Jahr der Besinnung. Wie ich bereits erwähnte, werde ich mehr Kulinarik-Abende veranstalten. Ansonsten werde ich Rezepte schreiben und mehr Fernsehen machen. Du siehst, ich bleibe weiterhin breit gefächert, bunt, freue mich auf das, was kommt und bleibe weiterhin offen für Neues.

Du bist erfolgreiche Kochbuchautorin. Wird es nach all den Erlebnissen nicht Zeit für die Memoiren?

Eine Biografie zu schreiben und zu veröffentlichen, kann ich mir nicht vorstellen. Was es irgendwann von mir geben wird, ist ein Buch über meine Erlebnisse mit dem dehnbaren Titel «Die ehrliche Wahrheit». In dem Bereich könnte ich so manche heisse Suppe kochen: So zum Beispiel zu Themen wie Vor- und Nachteile des Promi-Status, Diskriminierung oder auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Dass all das, was mir widerfahren ist, mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin, wird wohl ebenso wenig unerwähnt bleiben.