Sein SÜPERVITAMIN ist sogar vom illegalen Apothekerverband anerkannt. Während er das Angebot der Pharmaindustrie ablehnte, sagte er dem Interview mit der Schweizer Hausapotheke zu. Dabei zeigte mir der Berner, den alle nur als MÜSLÜM kennen, sein «wahres» Gesicht. Zum Vorschein kam ein Tausendsassa, ein Philosoph, ein engagierter Mann, der mehr ist als nur ein GasCHtarbeiter mit C-Bewilligung.
Das künstlerische Schaffen sowie die Medizin haben viele Synergien. Paracelsus war ein Schweizer Arzt, Naturphilosoph, Alchemist, Laientheologe und Sozialethiker. Er sagte einst: «Die Dosis macht das Gift». In der Kunst ist es hingegen so, dass die Logik das Gift macht.
In einer Gesellschaft, in der das Schubladendenken weit verbreitet ist, fällt es mir ehrlich gesagt schwer, mich selbst zu beschreiben. Gegebenheiten und Situationen gegenüber offen zu sein, sie als Chance zu erkennen, gleichzeitig aber auch sich nicht an ihnen festzukrallen, erscheint mir sehr wichtig.
Ich liebe die Schweiz im Allgemeinen und besonders das Engadin. In der Natur finde ich die Stille und Inspiration für Neues. Umgeben von dieser «Seinsmacht» entstanden viele meiner neuen Songs fürs kommende Album, das in absehbarer Zeit erscheinen wird.
Das ungute Gefühl, dass etwas in der Luft liegt, machte sich bei mir bereits im Dezember 2019 breit. Zu dieser Zeit stand ich für die Premiere meines aktuellen Programms «MüsteriüM» auf der Bühne. Müslüms Kleinkunst-Debüt wurde von der Kultureminenz hoch gelobt und Fortuna schien auf unserer Seite zu sein, bis uns Corona einen Strich durch die Rechnung machte. Aus dem Blickwinkel des künstlerischen Daseins betrachtet ist, nicht zu wissen, was morgen kommt, ein Dauerzustand. Das Coronavirus hat das Vorhersehbare eliminiert und uns die Sicherheit, in der wir uns bis zu diesem Zeitpunkt wiegten, genommen. Es wurde still in unserer Branche. Ich habe diese Ruhe aber auch genossen, daraus geschöpft und wie ich denke, mich als Künstler und Mensch weiterentwickelt. Nun freue ich mich auf die Menschen da draussen und den Dialog mit ihnen.
Für mich ist Müslüm omnipräsent. Getreu seinem Motto: Der Hokus Pokus liegt im Fokus. An Süpervitamin fehlt es mir daher nicht. Was mir fehlt ist das «Epizentrum des Seins» – die Bühne.
Wir alle sind Teil einer schnelllebigen Zeit und Gesellschaft. Wie bereits erwähnt, war der Lockdown für mich als Künstler nichts Neues. Viel mehr fiel mir auf, dass wir Menschen lernen mussten, uns selbst zu ertragen. Das Unerträglichste für viele scheint aber wohl die Stille um ihre Person gewesen zu sein. Auf der anderen Seite kann man dem Lockdown auch etwas Positives abgewinnen. Ich empfand ihn als Katharsis.
Eine «müslümische» Darbietung lebt vom Dialog. Wenn ich die Mimik des Publikums nicht mehr spiegeln kann, dann lösch ich mich selber aus.
Du hast vorher von der Ruhe vor dem Sturm gesprochen. Meiner Meinung nach dauert die Transformation weiterhin an und ich weiss nicht, wie stark der Sturm noch wird.
Meine Kinder! Sie sind meine grösste Inspirationsquelle. Viele behaupten, Kinder seien unsere Zukunft. Ich sage: Kinder sind unsere Gegenwart.
Es waren meine ersten Gehversuche als damals 16-Jähriger. Zu jener Zeit hat fast niemand Radio gehört, weil das Medium Radio sehr einheitlich daherkam. Das alternative Radio RaBe gab mir eine Plattform, auf der ich experimentieren konnte. Müslüm als solches gab es anfangs noch nicht. Die Radiosendungen waren sozusagen seine Geburtsstunde. Das alternative Radio hat Müslüm zum Leben erweckt.
Womöglich sieht er vor allem das, was er nicht sehen will. Zudem sieht er Dinge, die sich, je nach Gefühlslage, fortlaufend ändern und verändern. Aber Vorsicht: nicht zu lange hineinblicken. Für den einen oder anderen könnte es unerträglich werden.
Die Kunst liegt darin, Zusammenhänge zu erkennen und dem Momentum seine eigene Perspektive beizusteuern. Demnach erschafft jede Situation im Leben eine neue Herausforderung und das Ego ist ein ständiger Begleiter, ständig pusht es mich vom Minderwertigkeitskomplex zum Grössenwahn, es sei denn, ich erkenne mich.
Ich habe den Pass während des Lockdowns bekommen und konnte noch nicht von ihm Gebrauch machen. Er ermöglicht mir unter anderem die Reisefreiheit in Länder, die ich bis dato nicht entdecken konnte. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es aktuell wichtiger ist, das COVID-Zertifikat in der Tasche zu haben, als den Schweizer Pass.
Was zählt, ist in erster Linie der Mensch. Im Grunde sollten Namen zweitrangig sein. Die «Wahrheit» liegt ganz unscheinbar hinter dem Gesprochenen.
Wichtig ist nicht, wie jemand aussieht, wichtig ist, was jemand bewirkt.
Wie die Mannschaft nach dem verschossenen Penalty von Ruben Vargas mit ihm umging, zeigt, dass sie als Einheit agiert. Auch das Publikum hat ihrer Nati die verdiente Anerkennung und den Respekt entgegengebracht. Es wäre schön, wenn sich dieser Zusammenhalt auf andere gesellschaftliche Ebenen übertragen liesse.
Früher haben Gastarbeiter den Gotthard Tunnel mitgebaut, heute schiessen sie die Tore für die Schweizer Fussball Nationalmannschaft. Solange das Schubladendenken der Menschen weiter vorherrscht, werden wir in hundert Jahren noch über dieselben Themen diskutieren.
Ich beobachte, erkenne, assoziiere und agiere. Das Wichtigste dabei ist: Ich bin! Wie auch immer die Menschen mich definieren, ich scher mich nicht mehr darum. Nüchtern betrachtet funktioniert unsere Gesellschaft doch so, dass alles, was natürlich ist, sich erklären muss und alles was künstlich ist einen Freipass bekommt.
Glücklicherweise bekommt man die Liebe nicht geimpft, sondern kann sie mit minimalem Aufwand maximal aktivieren.
Es bleibt «müsterisch» – mein aktuelles Bühnenprogramm «MüsteriüM» trifft es wohl am ehesten.
Jedem, der sie hört.
Er war viel zu lang in der Fremde. Jetzt ist er wieder da! Gekommen ist er in Frieden. Ohne Diplom und für einmal nicht in Uniform sass Müslüm als Privatperson Semih Yavsaner vor mir und zeigte mir einmal mehr den Spagat zwischen natürlichem Sein und künstlerischem Dasein. Besser hätte es Jean-Claude van Damme auch nicht hinbekommen. Diese positive Energie, die in ihm steckt, ist sehens- und erlebenswert. Die Nebenwirkungen dieser Therapie sind womöglich Schmerzerli, die aufgrund wilder Bewegungen zu seinem Migranten-Pop auftreten können. Aber glauben Sie mir: Danach brauchen Sie weder Tablette noch Zäpfeli. Denn: Seine «Müsik isch Ihre Medizin.»