Musik ist etwas Wunderbares. Aber eben nicht immer …
Wie tröstlich kann es doch sein, Musik zu hören oder noch besser, selbst Musik zu machen. Dabei werden Körper, Geist und Seele gleichermassen berührt, und vielleicht ist dieses ganzheitliche Erlebnis genau das, was an der Musik so faszinierend ist.
Genau so faszinierend ist die Tatsache, dass es Musik für jede Stimmung gibt. In traurigen Momenten eine Nocturne von Chopin zu hören ist Balsam für die Seele (vor allem für Melancholiker) und in heiteren Momenten einen griechischen Sirtaki zu geniessen, lässt doch fast jedes Herz höherschlagen und es juckt in den Beinen, diese zu bewegen. Die griechische Musik hat übrigens eine ganz besondere Eigenheit: Sie ist meist gleichermassen fröhlich und melancholisch. Das trifft bekanntlich nicht auf alle Musikstile zu.
Doch wie auch immer: Musik hilft, die eigenen Energien zu spüren, seinen eigenen Gefühlen auf den Grund zu gehen, und nicht zuletzt füllt sie die Welt mit Sinnlichkeit. Das Herz kann manchmal beinahe zerfliessen. Oder wie es einmal eine Besucherin nach einem Konzert ausdrückte: «Das war jetzt wirklich wunderbare Musik, es war Nahrung für meine Seele und davon werde ich noch lange zehren können.»
Aber was ist eigentlich Musik? Es sind Töne und Klänge.
Irgendwie steckt in der Musik etwas Unerklärliches, etwas Geheimnisvolles, etwas, was unserem Verstand kaum zugänglich ist und wir entsprechend auch nicht erklären können. «Die Musik schliesst dem Menschen ein unbekanntes Reich auf, eine Welt, die nichts gemeinsam hat mit der äusseren Sinnenwelt, die ihn umgibt und in der er alle bestimmten Gefühle zurücklässt, um sich einer unaussprechlichen Sehnsucht hinzugeben.» Das sagte einst Ernst Theodor Hoffmann, und er ist bei Weitem nicht der Einzige, der sich in dieser Richtung äusserte.
«Musik allein ist die Weltsprache und braucht nicht übersetzt zu werden», sagte dazu Berthold Auerbach. Richard Wagner, selbst ein begnadeter Komponist, formulierte es so: «Die Tonsprache ist Anfang und Ende der Wortsprache, wie das Gefühl Anfang und Ende des Verstandes ist, der Mythos Anfang und Ende der Geschichte und die Lyrik Anfang und Ende der Dichtkunst ist.» Sogar Napoleon, eher bekannt als Feldherr und Krieger, hat sich zu diesem Thema Gedanken gemacht und kam zu folgendem Schluss: «Die Musik hat von allen Künsten den tiefsten Einfluss auf das Gemüt. Ein Gesetzgeber sollte sie deshalb am meisten unterstützen.» Ziemlich drastisch drückt dies auch ein arabisches Sprichwort aus: «Ein Mensch, der beim Klang der Musik nicht erbebt, ist kein Mensch, sondern ein Esel.»
Woher stammt eigentlich die Musik? Die meisten Völker der Welt verstehen die Entstehung der Musik als ein Werk von Göttern, Geistern oder zumindest übernatürlichen Wesen. So besagt ein Mythos der Azteken, dass die Menschen die Musik auf Befehl Gottes von der Sonne herab geholt hätten. Die Inuit glaubten, dass alle Melodien den Menschen ganz zu Beginn durch Geisterbeschwörung vermittelt worden seien. Bei den Hindus ist Brahma nicht nur der Gott der Sprache, sondern auch der Schöpfer der Musik, nach chinesischer Mythologie ist die Tonleiter ein Geschenk eines Wundervogels und die alten Ägypter verehrten Thot als Gott der Schreibkunst und als Schöpfer der Musik. Afrikanische Völker glauben, dass die Menschen die Musik von Waldgeistern gelernt hätten.
Wie immer das auch gewesen sein mag: Die Musik ist und bleibt etwas Geheimnisvolles und etwas Grosses. Und für viele Menschen natürlich auch etwas ganz Wichtiges. Musik kann trösten, heilen, entspannen. Musik kann anregen, inspirieren. Musik berührt den Körper, den Geist und die Seele – oder wie es Friedrich Nietzsche sagte: «Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.»
Welche Musik hören Sie denn gerne? Ganz bestimmte Sparten, vielleicht sogar viele verschiedene Arten? Mozart, Helene Fischer oder Züri West? Volkstümliche Musik, geistliche Musik? Schlager oder Freejazz? Nun: Das Angebot an Musik und an Musikstilen ist mittlerweile schier grenzenlos und manchmal staunt man, dass es jemandem überhaupt noch gelingt, eine neue Melodie zu schreiben.
Die Vorlieben sind natürlich unterschiedlich. Wer mag welche Musik? Häufig wird Musik klassifiziert, bewertet und manchmal auch mit verschiedenen sozialen Schichten in Verbindung gebracht. Bauern tanzen doch gerne zu volkstümlicher Musik, gebildete Menschen gehen in die Oper oder kaufen sich CD’s von Johann Sebastian Bach, junge Städter lieben Rap oder Techno. Manchmal ist es aber auch ganz anders oder eben so, wie man es nicht erwarten würde. Auch Bauern hören manchmal gerne Bach und auch sehr Gebildete können sich für AC/DC begeistern.
Und so stellt sich die Frage, was denn eigentlich gute Musik ist. Ist nun Schlager «gute» Musik oder ist er «billige» Musik? Ist es notwendig, dass wir die Musik bewerten, klassifizieren, beurteilen oder gar verurteilen? Oder genügt es, wenn ich für mich selbst weiss, welche Musik ich gerne höre und welche Musik meiner Seele guttut?
«Sage mir, welche Musik du hörst, und ich sage dir, wer du bist.» Unter diesem Motto haben Wissenschaftler in den USA versucht, aufgrund des Musikgeschmackes Rückschlüsse auf die Persönlichkeit eines Menschen zu ziehen.
Sie kamen zum Ergebnis, dass man vom Charakter eines Menschen mehr erfährt, wenn man mit ihm über Musik spricht, als wenn die Konversation die üblichen Small-Talk-Themen (Sport, Kleider, Filme, Fernsehen) beinhaltet. In einer Untersuchung sollten 74 Studenten ihre zehn liebsten Melodien notieren. Aufgrund dieser Liste erstellten die Forscher ein Persönlichkeitsprofil und sie kamen zum Schluss, dass einige Eigenschaften wie zum Beispiel Offenheit, Gewissenhaftigkeit oder Extravertiertheit aus den angegebenen Musikvorlieben sichtbar wurden.
Ob man aufgrund der Lieblingsmusik Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ziehen kann, mag ja fraglich bleiben. Keine Frage ist jedoch, dass die Musik Auswirkungen auf die Befindlichkeit und die Entwicklung eines Menschen hat.
Diese beruhigende Wirkung von klassischer Musik auf Neugeborene entdeckte der französische Arzt Alfred Tomatis bereits in den 1950er Jahren. Daraus entwickelte er eine spezielle Therapie, die sogenannte «Tomatis-Therapie», die auch heute noch in der Kinderheilkunde verwendet wird. 1981 machte Tomatis in einer weiteren Studie auf sich aufmerksam, in der er eine Wirkung von klassischer Musik auf den Fötus nachwies.
Doch Musik hat nicht nur positive Wirkungen. Sie kann auch schädlich wirken. Dann nämlich, wenn man es mit ihr übertreibt. Und das ist heutzutage leider da und dort der Fall. Wir werden mit Musik förmlich überschwemmt. Unzählige Radiostationen senden pausenlos Musik, Musik in den Warenhäusern, Musik in jeder Bar, Musik in Hotelhallen. Beinahe überall, wo sich Menschen treffen, läuft irgendwo im Hintergrund Musik, wenn auch manchmal nur sehr leise und so, dass wir sie gar nicht bewusst wahrnehmen. Und nicht selten werden wir auch noch am Telefon beim Warten mit Musik «bedient». Ob wir das dann bewusst wahrnehmen oder ob diese Musik unbewusst auf uns wirkt, spielt keine Rolle. Tatsache ist, dass ein Übermass an Musik abstumpft und überreizt.
Wer das nicht glaubt, kann folgenden Test (als grosses Erlebnis!) mit sich machen. Der Ablauf ist ganz einfach: Zuerst drei oder vier Stunden absolute Ruhe – und dann einer wunderschönen Melodie lauschen oder sie selbst spielen. Das fühlt sich etwa so an, wie wenn man stundenlang durch die Wüste gewandert wäre und dann endlich einen Schluck Wasser trinken könnte …