Spazieren im Wald ist ein Naturerlebnis und darüber hinaus auch noch gesund.

Die gesundheitliche Wirkung von Bewegung ist allgemein bekannt. Nutzen wir unsere Muskeln und fordern wir das Herz-Kreislauf-System heraus, nutzt dies dem Körper. Mit Hilfe von Bewegung lässt sich recht einfach der alltägliche Stress abbauen und neue Energie tanken.

Aber Bewegung an der frischen Waldluft ist besonders wohltuend. Das liegt an den Bäumen: Bäume sind prächtige Lebewesen und voller Kraft. Deshalb hat jede Art für uns auch eine symbolische Bedeutung. Die Eiche steht für Ruhm und die Buche für Standhaftigkeit; die Fichte symbolisiert innere Kraft und die Weisstanne Fruchtbarkeit. Im Wald stehen verschiedene Baumarten nahe beisammen und bilden ein ganz eigenes Ökosystem. Der Wald bietet unzähligen Lebewesen Nahrung, Schutz und Unterkunft.

Spaziergang gegen Kummer und Sorgen

Spazieren wir unter dem Blätterdach gemächlich vor uns hin, so streichelt die kühle Luft erfrischend über unsere Haut. Das leise Knacken, Knarzen und Biegen dringt beruhigend sanft in unser Ohr und bewirkt eine positive Grundstimmung. Es raschelt im Wald, Waldbienen summen, Käfer grummeln – und vielleicht klopft gar ein Specht eine Made aus der Rinde. Nagen Kummer und Sorgen an unserem Herzen, wirkt ein Waldspaziergang Wunder.

Denn die Bäume sind seit Urzeiten wohlmeinende Weggefährten der Menschen. Sie liefern uns Nahrung in Form von Samen und Früchten, spenden wohltuenden Schatten im heissen Sommer und über ihrem trockenen Holz grillieren wir leckere Würstchen. Wälder schützen uns vor Hochwasser, saugen viel schädliches Kohlenmonoxid aus der Luft und schützen die Erde vor Erosion. Ein Wald ist sehr viel mehr als nur eine Ansammlung von Bäumen; und ohne Bäume wäre die Welt wüst und leer.

Heilende Waldluft

Die Luft im Wald ist etwas ganz Besonderes und komplett anders als ausserhalb. Sie riecht würzig nach dunkler Erde, nach frischen Pilzen, modernden Blättern und faulendem Totholz. Die Luft ist prallvoll Pflanzendüfte. Bäume bewegen sich zwar kaum, sie atmen aber dennoch schwer. Mit ihren Blättern schwitzen sie und der Baumschweiss besteht nicht nur aus Wasser. Die Waldluft ist angenehm feucht und voll heilender Pflanzenstoffe. Sieht und hört man nämlich genau hin, entdeckt man überall kleine Schädlinge am Werk. An den Blättern sind Frassspuren sichtbar und in den Borken feine Löcher. Dagegen setzen sich die Bäume selbstverständlich zur Wehr.

Und weil Bäume nicht schimpfen und wettern können, senden sie chemische Botenstoffe aus: Knabbert ein Schädling an einer Buche herum, produziert sie abwehrende Pflanzenstoffe und warnt damit alle ihre Artgenossen. Diese beginnen ebenfalls, Abwehrstoffe in die Umwelt abzugeben. Der Wald ist voll solcher Duftstoffe. Viele gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen der Terpene. Das sind Bestandteile von ätherischen Ölen.

Laut neuen Erkenntnissen sollen diese gasförmigen Baumausscheidungen unseren Blutdruck senken und das Immunsystem stärken. Das Spazieren im Wald beugt Infektionskrankheiten vor und kräftigt das Herz-Kreislauf-System. Es wird vermutet, dass die Waldluft das Immunsystem um bis zu fünfzig Prozent steigert; das allerdings nur, wenn wir uns regelmässig im Wald aufhalten.

Zudem filtern die Blätter in den Baumkronen die Luft, sodass weiter unten, auf «Nasenhöhe», kaum Schadstoffe nachweisbar sind. Die Luft ist frisch und frei von Feinstaub, Russ und anderen Umwelt­schadstoffen. Ideale Bedingungen also, um sich mit ein paar tiefen Atemzügen etwas wirklich Gutes zu tun.

Achtsames Naturerlebnis

Joggen, rennen und sich kraftvoll bewegen ist zwar gut für den Körper, aber es lohnt sich, zwischendurch längere Pausen einzulegen oder ganz gemächlich durch den Wald zu schlendern. Eine günstige Gelegenheit, sich Zeit zu nehmen und die Waldatmosphäre auf sich einwirken zu lassen: So wirkt etwa ein lichter Mischwald mit seinem lockeren Baumbestand ganz anders auf uns als ein düsterer Tannenwald. Dort stehen die schlanken Bäume so dicht, dass kaum Licht bis zum Waldboden dringt. Deshalb sind Tannenwälder etwas unheimlich und es braucht Mut, tief in sie einzudringen. Der Boden ist weich und voller Nadeln, die einen einzigartigen Geruch verströmen. Diesen tief in die Lungen zu ziehen, ersetzt manchmal eine medizinische Inhalation.

Schaut man sich im Wald genauer um, gibt es vieles zu entdecken. Da sind Insekten zu sehen, die am Blattgrün herumknabbern oder von den Samen naschen. Andere Tiere schlecken am Harz herum, als wäre es Schokolade.Während die einen Löcher in die Borke bohren, huschen Eichhörnchen im Geäst herum. Es tut uns gut, den Eichelhäher bei der Nahrungssuche zu beobachten, seinem Ruf zu lauschen oder sein farbenprächtiges Gefieder zu bewundern. Es ist eine wunderbare Entdeckung, einen Prachtkäfer dabei zu erwischen, wie er seine Eier in die Baumrinde legt.

Der Wald ist eine einmalige Landschaft und idealer Erholungsraum. Der Wald wirkt direkt auf unsere Stimmung und vertreibt üble Laune. Da schrumpfen selbst grosse Sorgen – und zwischen den Blättern glitzert Optimismus bis in unser Innerstes herein.

Dr. Wald

Doch das ist noch lange nicht alles, was Dr. Wald uns zu bieten hat.

Den Bäumen ist jedes chemische Mittel recht, Schädlinge und Frassfeinde abzuwehren und alle lästigen Biester mit Duftstoffen zu vergraulen. Die Biologen nennen diese Stoffe, die reichlich im Wald herumschweben, Phytonzyde. Sie sind so etwas wie natürliche Antibiotika. Eine japanische Forschungsgruppe hat herausgefunden, dass diese Phytonzyde im Wald die Killerzellen unseres menschlichen Immunsystems aktivieren.

Das menschliche Abwehrsystem ist hoch komplex und effizient. Ununterbrochen sind Killerzellen wie Soldaten im Körper unterwegs. Eindringlinge werden effizient angegriffen und bekämpft. Gegen eine solche Armee haben unsere Schädlinge nur selten grosse Chancen – und das ist gut so. Die Killerzellen kennen die Feinde: Das sind Bakterien, Viren oder Pilze, die in unserem Inneren nichts zu suchen haben. Killerzellen stechen alles nieder, was ihnen fremd und merkwürdig vorkommt – auch körpereigene Zellen, die sich irgendwie komisch verhalten, wie Krebszellen zum Beispiel. Wenn man Glück hat, spüren die Killerzellen diese krank machenden Fieslinge rechtzeitig auf und murksen sie hinterrücks ab. Die heimtückischen Krebszellen können sich dann nicht weiter vermehren und eine schwere Erkrankung bleibt aus.

Die japanischen Waldluftforscher vermuten, dass der Wald die Killerzellen kräftig stimuliert. Sie haben in ihren Studien nämlich festgestellt, dass die Bevölkerung ländlicher Gebiete mit viel Wald weniger häufig an Krebs erkrankt als beispielsweise Städter. Menschen, die in der Nähe von Bäumen leben, sollen durchschnittlich bis zu sieben Jahre länger leben.

«Sollten diese Wissenschaftler Recht behalten, könnten wir das Risiko, an Krebs zu erkranken, mit regelmässigen Waldspaziergängen vermindern.»
Judith Dominguez

Waldbaden in der Stadt

Allerdings brauchen wir nicht auf weitere Forschungsresultate zu warten; denn jeder Waldspaziergang stärkt den Körper und ist Balsam für die Seele. Wir müssen uns nur dazu aufraffen. Für alle Menschen, die keinen Wald in ihrer Nähe aufsuchen können, gibt es dennoch einen Trost: Einzelne Bäume in Parkanlagen, kleine Baumgruppen auf belebten, städtischen Plätzen oder Alleen wirken auch gut. Das haben kanadische Forscher herausgefunden, indem sie die Gesundheit von Stadtbewohnern im Verhältnis zur Anzahl Bäume in ihrer Stadt untersuchten. Je mehr Bäume in der Stadt gezählt wurden, desto grösser die Wirkung und desto besser die Gesundheit der dort lebenden Menschen. In der Nähe von Bäumen spazieren ist wie ein Bad nehmen: Man taucht ein in die frische, gefilterte Luft und das ist erholsam, wohltuend und heilend.