17. August 2022

Pilze sind selten die Ursache

Pilze sind selten die Ursache
Lesezeit ca. 4 min

Wenn Beschwerden wie Blähbauch, Durchfall und Abgeschlagenheit immer wieder auftreten, fällt der Verdacht gelegentlich auf einen Pilzbefall im Darm.

Pilzbefall: Wurzel allen Übels?

Vor rund vier Jahrzehnten veröffentlichte ein amerikanischer Arzt einen Artikel, der einiges Aufsehen erregte. Darin äusserte er die Vermutung, dass eine ungesunde Lebensführung und der Verzehr verschiedener industriell verarbeiteter Lebensmittel sowie Umweltgifte zu einer Überwucherung der Darmwände mit Pilzen führen könnten. Diese würden die natürliche Immunabwehr des Körpers herabsetzen und zu Beschwerden führen wie etwa häufiger Durchfall, vermehrte Erkältungen sowie Blasenentzündungen, Schlappheit, Neurodermitis, allergische Reaktionen und weiteres mehr.

Dieser Bericht sorgte beim Publikum für einige Verunsicherung. In der Folge erschienen Bücher und Zeitschriftenartikel, die das Thema aufgriffen. Sie wirkten ihrerseits verwirrend. Es hiess etwa, die Pilze könnten unter für sie günstigen Umständen in die Lymph- und Blutbahnen eindringen und über diese Wege Organe befallen. Sogar eine Blutvergiftung durch die Pilze wurde als Möglichkeit erwähnt.

Pilze im Darm sind häufig

Die Schilderung von Pilzen im Darm als Auslöser verschiedener Beschwerden stellt die tatsächliche Situation verzerrt dar.

«Mikroskopisch kleine Hefepilze sind im Körper nicht ungewöhnlich; sie können sogar nützlich sein. Bei rund 75 Prozent der Erwachsenen findet man Pilze im rund sieben Meter langen Darm; bei Babys sind es 96 Prozent. Entscheidend ist ihre Menge.»
Adrian Zeller

Hefepilze können Teil des sogenannten Mikrobioms sein – so nennt die Heilkunde mittlerweile die Darmflora. Damit sind über 100 Billionen von Viren und Bakterien gemeint, welche die Wände des Darms besiedeln. Sie teilen sich in 500 bis 1000 verschiedene Arten auf. Ihr Gesamtgewicht beträgt über ein Kilogramm.

Von Mensch zu Mensch ist die Zusammensetzung des Mikrobioms unterschiedlich – bei einem grösseren Teil der Menschen findet man darin auch Pilze. Die Zusammensetzung ist einerseits genetisch bedingt, aber auch von Lebensstil und Ernährung abhängig.

Aufgabe unseres Mikrobioms

Die Aufgabe des Mikrobioms ist die Verwertung der Nahrung, etwa durch Fermentation, damit die Nährstoffe vom Organismus aufgenommen werden können.

Weiter spielt es bei der Blutgerinnung eine Rolle, indem die Bakterien Vitamin K produzieren. Zudem sorgt es auch für den Abwehrschutz gegen Krankheitserreger. Die Darmwände sind Teil des komplexen Immunsystems. Das Mikrobiom vernichtet einen grossen Teil der schädlichen Mikroben, die etwa über die Nahrung in den Körper gelangt sind. Nicht immer gelingt dies umgehend, wie das Beispiel Reisedurchfall veranschaulicht: Dabei setzen sich vorübergehend schädliche Keime im Darm fest.

Mikrobenvielfalt fördern

Während einseitige Ernährung dem Mikrobiom schadet, wird es durch ausgewogene gefördert. Verschiedene Medikamente wie Cortison, Antibiotika und Abführmittel können die Zusammensetzung ungünstig verändern. Auch Stress sowie Nikotin und Alkohol im Übermass reduzieren die Mikrobenvielfalt im Darm. Dagegen haben Naturjoghurt, Sauerkraut, eingelegtes Gemüse sowie Vollkornprodukte eine positive Wirkung. Sie fördern die Vermehrung erwünschter Mikroben.

«Bezüglich einer übermässigen Ausbreitung von Pilzen im Darm besteht gemäss Angaben von Expert*innen nur ein Risiko, wenn eine krankheitsbedingte Abwehrschwäche besteht. Dann können die Pilze nicht mehr ausreichend in Schach gehalten werden.»
Adrian Zeller

Bauchbeschwerden, wie etwa Durchfall, Krämpfe und übermässige Blähungen, haben meistens andere Ursachen und sind vorübergehend. Ein Wärmekissen auf dem Bauch sowie verschiedene Tees mit Fenchelfrüchten, Anis oder Pfefferminze lindern sie.