Preiselbeeren
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Die Preiselbeere enthält viel Vitamin C und Mineralstoffe. Ihr Saft ist vor allem bekannt als Mittel bei Blasenentzündungen oder Menstruationsbeschwerden. Doch sie kann noch viel mehr.

Trotzig, wild und klein

Die Preiselbeere lebt auf der gesamten nördlichen Halbkugel in Heiden und lichten Nadelwäldern, wo sie auch extremen Umweltbedingungen zu trotzen vermag. Der immergrüne kleine Strauch wird 15 bis 30 Zentimeter hoch und wächst auf sauren, nährstoffarmen Böden. Wurzelpilze (Mykorrhiza) sind für ihn unverzichtbar: Das weitverzweigte Pilzgeflecht bringt anorganische Nährstoffe zur Pflanze und erhält von ihr wiederum Zucker, Vitamine und Wachstumsstimulatoren. Im Mai erscheinen die glockenförmigen Blüten, die unverkennbar die Verwandtschaft zur Familie der Erikagewächse zeigen.

Die Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) wird oft mit ihrer amerikanischen Verwandten, der Cranberry oder Moosbeere (Vaccinium macrocarpon), verwechselt. Es sind zwei verschiedene Arten, die Cranberry ist so gross wie eine Kirsche und wird in den USA im grossen Stil angebaut. Die Preiselbeere ist kleiner und stammt meist aus Wildsammlung.

Alte Sagen

In den nordischen Ländern bildete die Preiselbeere stets eine wichtige Vitaminquelle. Die Bedeutung war so gross, dass sie sogar Eingang ins finnische Nationalepos «Kalevala» fand: Im letzten Gesang isst die Jungfrau Marjatta eine Preiselbeere und wird davon schwanger. Marjatta bringt einen Sohn zur Welt, der sich durch grosse Weisheit und Stärke auszeichnet und schliesslich König von Karelien wird.

Eine Tiroler Sage hingegen erzählt, dass der Teufel den Herrgott bat, auch etwas erschaffen zu dürfen. Er erhielt die Erlaubnis und schuf die Preiselbeeren in seiner Lieblingsfarbe, einem leuchtenden Rot. Allerdings hatte er sie mit einem Zauber versehen, sodass jeder, der die Beeren ass, dem Teufel anheimfallen würde. Der liebe Gott durchschaute jedoch die List und versah die Beeren mit einem Kreuz, um den Zauber zu lösen. Dieses Kreuz tragen die Preiselbeeren noch heute. Die Beeren können gefahrlos gegessen werden. Zudem tun wir uns damit sogar viel Gutes.

Altbekanntes Gericht und Heilmittel

Die Beeren enthalten Vitamin C, Gerbstoffe, Flavonoide, organische Säuren und viele Mineralstoffe. Roh genossen sind sie allerdings ziemlich herb und etwas mehlig. Zu Marmelade oder Gelee gekocht, kommt ihr Aroma richtig zur Geltung; traditionellerweise begleiten sie Wildgerichte oder Käse. Die Idee dazu ist übrigens recht alt: Im ältesten deutschen Kochbuch aus dem Jahr 1350 findet sich eine Preiselbeersauce aus Beeren, Wein, Pfeffer, Piment, Gewürznelken und etwas Honig.

Foto von Preiselbeerkonfitüre auf überbackenem Camembert

Die Beeren standen bereits auf dem Speiseplan der Steinzeitmenschen. Ob sie sie auch als Arznei nutzten? Erste schriftliche Nachweise zur Verwendung gibt es aus dem Mittelalter. Hildegard von Bingen setzte sie bei schmerzhafter Menstruation ein. Preiselbeersaft mit Zucker gekocht wurde fiebernden Patienten zur Stärkung gereicht. Die Beeren sollten zudem vor Seuchen schützen. Sie wurden aber auch bei Durchfall und Magenproblemen eingesetzt, bei Entzündungen, Lungenblutungen sowie bei Gicht und Rheuma.

Auch die entzündungshemmende und antiseptische Wirkung auf die ableitenden Harnwege war bekannt. Gerbstoffe und Fruchtsäuren in den Beeren wirken adstringierend und pilzhemmend.

Gesund für Blase und Blutgefässe

Der Saft der Beeren lässt sich auch prophylaktisch gegen wiederkehrende Harnwegsinfekte einsetzen. Auch die Blätter werden medizinisch verwendet. Sie enthalten Hydrochinonglykoside (u. a. Arbutin), Gerbstoffe, Flavonoide, Anthocyanidine, Östradiol, Triterpene. In der Volksmedizin werden sie ebenfalls bei Entzündungen der ableitenden Harnwege verwendet.

Neuere Untersuchungen deuten zudem auf eine antidiabetische Wirkung. Eine finnische Studie fand heraus, dass der langfristige Konsum von Preiselbeersaft den Blutdruck senken kann und die Blutgefässe gesund hält. Dabei spielen die Polyphenole als Radikalfänger eine zentrale Rolle. Freie Radikale sind aggressive Teilchen, die die Zellen schädigen und die Alterung beschleunigen. Preiselbeersaft wirkt also als «Anti-Aging».

Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea)

Jungbrunnen

In der Gemmotherapie hat das Knospenmazerat der Preiselbeere einen besonderen Stellenwert: Es gilt als Jungbrunnen für die Frau, denn es wirkt vorzeitigen Alterungsprozessen entgegen. Es fördert die Aufnahme von Kalzium, regt den Knochenstoffwechsel an und beugt Osteoporose vor. Wechseljahrbeschwerden werden dank der östrogenartigen Wirkung gemildert und der Hormonhaushalt harmonisiert.

Doch die Preiselbeere ist mehr als ein Mittel für Frauen in der zweiten Lebenshälfte. Das Mazerat ist entzündungshemmend, harntreibend, adstringierend und antiseptisch. Es hilft bei Harnwegsentzündungen – auch chronisch wiederkehrenden Blasenentzündungen – und stärkt die Harnwege.

«Preiselbeere verbessert die Gesundheit der Gefässwände, wirkt altersbedingten Gedächtnisstörungen mit verringerter Aufmerksamkeitszeit entgegen und stärkt das Kurzzeitgedächtnis.»
Ursula Glauser-Spahni

Preiselbeere reguliert die Darmtätigkeit und hilft sowohl bei Verstopfung als auch bei Durchfall. Sie ist ebenfalls angezeigt bei entzündeter und geschädigter Darmschleimhaut und spastischem Colon.

«Nicht zuletzt hilft sie, eine gestörte Darmflora wieder ins Lot zu bringen, zum Beispiel nach einer Antibiotikabehandlung.»
Ursula Glauser-Spahni