Schlüsselblume – vergessene Schönheit
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Schlüsselblume (Primula officinalis oder Primula veris) aus der Familie der Primelgewächse (Primulaceae).

Muse der Dichter und Komponisten

Die echte Schlüsselblume kommt in vielen Gegenden Europas vor. Doch während sie bei unseren Vorfahren häufig wild wuchs, ist sie heute eher selten anzutreffen. Sie liebt trockene Standorte, lichte Wälder oder unberührte Eichenbestände.

Die zierliche Pflanze ist hübsch mit ihren gelben Blüten und animierte frühere Dichter, sie in ihre Verse zu weben. Die Schlüsselblume wurde als Himmelsschlüssel bezeichnet, denn man glaubte, sie sei eine himmlische Wunderblume.

«Da sie ganz früh im Frühling ihre Blüten entfaltet, hat Johann Sebastian Bach sie in seiner Johannes-Passion bedacht. Die Schlüsselblume ist demnach eine berühmte Schönheit.»
Judith Dominguez

Auch in der nördlichen Mythologie haben die gelben Blümchen einen wichtigen Platz. Man glaubte, die Pflanze werde von sagenhaften Nixen und Elfen geschützt und in den Blüten liege der Schlüssel zu verborgenen Schätzen.

Wohlschmeckendes Futter

Alle Lebewesen wissen, was gut für sie ist – Schmetterlinge zum Beispiel: Der hübsche Würfelfalter (Hamearis lucina) ist ganz auf die Schlüsselblume spezialisiert und nimmt nicht gern anderes Futter an. Er ist der einzige Vertreter seiner Art in unseren Breitengraden, seine Verwandten bevorzugen tropische Gebiete. Die Mutter weiss um die Nahrungspflanze und heftet die Eier an die Unterseite der Blätter. Die Raupen schlüpfen früh im Frühling und ernähren sich von den Blättern der Schlüsselblume.

Durch die intensive Landwirtschaft ist die Schlüsselblume selten geworden; und somit auch der schöne Würfelfalter vom Aussterben bedroht. Wer den niedlichen Tieren etwas Gutes tun will, setzt nah verwandte Primelarten in den Garten, die in der Not auch als Futterpflanzen angenommen werden.

Selbst Menschen wussten um diese Leckerbissen.

«In früheren Zeiten wurden die Blätter der Schlüsselblümchen als Gewürz für Salate und Kräutersuppen genutzt. Da die Blüten viel Zucker enthalten, würzte man Gebäck oder süsse Milchsuppen mit ihnen.»
Judith Dominguez

Das ist nicht nur schmackhaft, sondern auch dekorativ. Da die Pflanze natürliche Farbstoffe enthält, färbte man früher Ostereier mit ihr. Doch diese Nutzungsmöglichkeiten sind heute in Vergessenheit geraten.

Altes Kräuterwissen

Die gelben Blüten der Schlüsselblumen fehlten früher in keiner Hausapotheke. Als Erste beschrieb Hildegard von Bingen das Blümchen in ihrem Buch der Naturkunde als Heilpflanze. Sie empfahl, sich Umschläge auf das Herz zu legen, um Wahnvorstellungen und Schwermut zu lindern.

Kneipp empfahl, die Blüten als Tee gegen Gliederschmerzen zu trinken. Lonicerus, ein berühmter Arzt, schrieb 1564 in seinem Kräuterbuch, dass die Heilpflanze gut gegen Gicht sei.

Bei äusserlicher Anwendung verwendete man das Kraut. Dieses wird zu einem saftigen Brei zerstossen und als Wickel auf die schmerzenden Gelenke gelegt.

Als Bonbon in Zucker gegossen lutschte man die Schlüsselblümchen zur Stärkung des Herzens.

Die Wurzeln wurden gekocht und als Tee gegen Blasen- und Nierensteine getrunken. Aus den Wurzeln stellte man früher zudem ein Niespulver her. Dieses wurde bei Erkältungen geschnupft und linderte so den Schnupfen.

Wurzeln der Schlüsselblume

Alle diese Anwendungsarten sind zwar durch gute Erfahrungen bestätigt, aber die Wissenschaft konnte keine dafür geeigneten Inhaltsstoffe in den Blümchen finden.

Natürliches Hustenmittel

Für die Wirkung als Hustenmittel jedoch sind nachweislich die Saponine verantwortlich. Sie lösen hartnäckigen Schleim und erleichtern das Abhusten. Dafür werden nicht nur die Blüten, sondern vor allem die Wurzeln verwendet. Schlüsselblumen sind deshalb nicht selten ein wichtiger Bestandteil in natürlichen Hustenmitteln. Hustenpillen, Hustensäfte, Kapseln oder Tee mit Schlüsselblumen sind im Handel erhältlich.

Die Wurzelpräparate sollten allerdings nicht über längere Zeit und nicht in grossen Mengen eingenommen werden, denn die Saponine können die Magenschleimhaut reizen und Übelkeit als Nebenwirkung verursachen.