Schwarzerle
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Der kleine Baum aus der Familie der Birkengewächse gehört zu unseren sagenumwobensten Bäumen. Sein Lebensraum an Gewässern und im Moor mit Nebelschwaden und Irrlichtern war den Menschen nicht geheuer, die blutrote Verfärbung des Baumes bei Verletzungen unheimlich.

Geheimnisvolle Wurzeln

Die Erle liebt nasse Füsse. So wächst sie mit Vorliebe entlang von Bächen, an Teichen und Seen, in Auengebieten und in Mooren, wo sie wenig Konkurrenz hat. Ihre Fähigkeit, nasse Standorte zu besiedeln, ist unter den heimischen Bäumen einzigartig. Stehendes Wasser ist für sie kein Problem; ein raffiniertes inneres Belüftungssystem versorgt die Wurzeln mit Sauerstoff.

Doch die Wurzeln bergen noch ein weiteres Geheimnis: Sie beherbergen in knöllchenartigen Gebilden Bakterien, die Stickstoff aus der Luft binden können und so die Erle mit diesem wichtigen Nährstoff düngen. Die Bakterien erhalten im Gegenzug Kohlenhydrate aus der Fotosynthese. Die Erle ist dank dieser Mitbewohner so gut mit Stickstoff versorgt, dass sie es sich sogar leisten kann, im Herbst die Blätter in grünem Zustand abzuwerfen, ohne vorher die Nährstoffe daraus  zurückzugewinnen. Dieses stickstoffreiche Laub ist bei den Bodenorganismen besonders begehrt und wird rasch zersetzt.

Nutzen für die Tierwelt

Nebst der Förderung des Bodenlebens bietet die Schwarzerle (Alnus glutinosa) Lebensraum für ein paar Dutzend Vogelarten und 150 Insektenarten, darunter 75 Schmetterlingsarten. Aus den Früchten, den kleinen Erlenzäpfchen, fallen die Samen im Winter heraus und landen nicht selten im Wasser. Sie verfügen über ein kleines Luftpolster, eine eigentliche Schwimmweste, dank der sie auf dem Wasser treiben und so neue Lebensräume erreichen.

Die Schwarzerle ist eine besonders gerbstoffreiche Pflanze, die Rinde diente früher zum Gerben und Färben von Leber. Aus den Erlenzäpfchen wurde Tinte hergestellt. Heute finden die Zäpfchen Verwendung in der Aquaristik, wo sie das Wasser mild ansäuern und die Wasserbewohner vor Schadbakterien, Pilzen und Parasiten schützen.

Den lateinischen Namen «glutinosa» erhielt die Schwarzerle aufgrund der klebrigen jungen Blätter. Auch diese wurden von unseren Vorfahren sinnvoll genutzt: Sie hängten die jungen Zweige als Insektenfänger auf. Tiere wurden mit Erlentee gewaschen, um die lästigen Bremsen fernzuhalten.

Holz für Venedig

Das Wasser ist das Element der Erle. So verwundert es auch nicht, dass ihr Holz im Wasser besonders beständig ist. Das erkannten bereits die Pfahlbauer, die Erlenstämme als Stützpfähle ihrer Bauten einsetzten. Auch Venedig steht auf Erlen- und Eichenpfählen. Schleusentore, Quellfassungen und Wasserleitungen werden ebenfalls aus Erlenholz gemacht.

Schwelle zwischen den Welten

Die Erle steht nicht nur an der Schwelle zwischen Land und Wasser, sie gilt auch als Schwelle zwischen den Welten, dem Diesseits und der Anderswelt. Sie verkörpert das Urweibliche; in ihr soll die Erlenfrau wohnen, «Frau Else» genannt, die aufbauend, aber auch zerstörerisch wirken kann.

Wird eine Erle verletzt, verfärbt sich ihr Saft an der Luft rot, was stark an Blut erinnert. Die Kelten sahen in ihr eine grosse Heilerin und benutzten die Rinde zum Stillen von Blutungen und bei
schwierigen Geburten.

Schwarzerle (Alnus glutinosa)

Volksheilkunde

In der Volksheilkunde galten Blätter und Rinde als fiebersenkend. Abkochungen wurden äusserlich
bei Verletzungen, Geschwüren und zum Blutstillen verwendet, bei Zahnweh und Halsentzündungen
wurde damit gegurgelt. Kissen mit getrockneten Erlenblättern gefüllt wurden auf dem Ofen gewärmt und bei Rücken- und Gelenkschmerzen aufgelegt. Frische, zerstampfte Blätter sollten auf Wunden aufgelegt wie eine «Zugssalbe» wirken.

Als Inhaltsstoffe findet man Gerbstoffe, Flavonglykoside, Steroide, Triterpensäuren, Anthrachinone, Zucker, Harze und Wachse.

Durchblutungsfördernde Heilpflanze

In der Gemmotherapie wird die Essenz aus den sich öffnenden Frühlingsknospen eingesetzt. Sie hat eine stark entzündungshemmende Wirkung und einen ausgeprägten Bezug zum Blut und zum Kreislaufsystem. Sie löst Krämpfe in den Blutgefässen und hat sich bei Migräne bewährt, wo sie am besten mit Schwarzer Johannisbeere kombiniert wird.

«Schwarzerle fördert die Durchblutung des Gehirns und hilft bei Gedächtnisschwäche und Vergesslichkeit älterer Menschen, vorteilhaft in Kombination mit der Gemmoessenz Olive.»
Ursula Glauser-Spahni

Schwarzerle wirkt Entzündungen der Arterien entgegen und lindert die Folgen eines Herzinfarktes. Sie verringert die Viskosität des Blutes, beugt Thrombosen vor und hilft bei Venenentzündungen.

Ihre entzündungshemmende und schleimhautstärkende Wirkung macht sie bei Luftröhrenentzündung, Stirn- und Nebenhöhlenentzündung und Bronchitis, aber auch bei
Blasenentzündungen und Nierenbeckenentzündungen zum Mittel der Wahl. Im Verdauungstrakt wird sie zudem bei Gastritis und Darmentzündungen eingesetzt.

Die Schwarzerle, deren Pollen nicht selten Allergien auslösen, hilft als Gemmoessenz bei Nesselsucht und allergischem Asthma (in Kombination mit schwarzer Johannisbeere).

Auf der mentalen Ebene hilft die Schwarzerle Schein und Sein zu unterscheiden, sie verleiht Klarheit und hilft, Erfahrungen sinnvoll einzuordnen.