Schwarzpappel
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Die imposante Schwarzpappel (Populus nigra) bereichert die Landschaft und fördert die Biodiversität. Doch sie ist leider nur noch selten anzutreffen; ihr Lebensraum schwindet und der Anbau von Hybridpappeln setzt ihr zu.

Ein knorriger Stamm, weit ausladende Äste und eine raumgreifende Krone – die Schwarzpappel erscheint stark und unerschütterlich. Doch die Blätter bewegen sich im leisesten Lufthauch. Dieses Flüstern der Blätter begründete auch ihren Namen: Pappel stammt vom lateinischen «populus» (Volk), da das Blätterrascheln an die Geräuschkulisse einer Versammlung erinnert. Im antiken Griechenland glaubten die Menschen, im Blätterrauschen gar Botschaften der Götter zu vernehmen und ehrten die Pappel als Orakelbaum.

Bräuche und Mythen

Um den Baum rankten sich allerlei Bräuche: Ein Pappelzweig unter dem Kopfkissen sollte der Schlafenden im Traum ihren zukünftigen Bräutigam offenbaren. Hexensalben wurden durch die Zugabe von Pappelblättern aufgepeppt, diese sollten die Wirkung der übrigen Ingredienzen verstärken. Für besseren Haarwuchs bohrte man ein Loch in eine Pappel, stopfte ein paar Haare hinein und verschloss es wieder.

Doch stets galt die Schwarzpappel auch als Baum des Todes und der Unterwelt. Der Eingang zum Hades, dem Totenreich, sollte von Schwarzpappeln gesäumt sein. Auch ihre Entstehungsgeschichte handelt von Tod und Trauer: Als Phaethon, der Sohn des Sonnengottes Helios, eine Spritztour mit dem väterlichen Sonnenwagen unternahm, verlor er die Kontrolle über das feurige Gefährt und stürzte ab. Sein Tod versetzte seine Schwestern, die Heliaden, in derart grosse Trauer, dass sie zu Pappeln erstarrten.

Die geheimnisvolle Mona Lisa hat ebenfalls eine Verbindung zur Pappel: Leonardo da Vinci malte sie auf eine Pappelholztafel. Ob die Melancholie in ihrem Ausdruck darauf beruht?

Überlebenskampf

Die Schwarzpappel selbst hätte allen Grund zur Melancholie, sie kämpft ums Überleben. Ihr Lebensraum, der Auenwald, schwindet immer mehr. Zudem wird sie von Hybridpappeln verdrängt. Die Hybridbäume (Populus x canadensis) wurden in grossem Stil gepflanzt, weil sie schneller wachsen und eine bessere Holzqualität aufweisen. Da sie mit den Schwarzpappeln bastardieren, nehmen die Hybridbäume immer mehr überhand; echte Schwarzpappeln sind inzwischen selten geworden. Häufig sind hingegen die säulenartigen Pyramidenpappeln, eine Unterart der Schwarzpappel (Populus nigra italica).

Schwarzpappel (Populus nigra)

Pappeln gehören zur Familie der Weidengewächse und haben eine Vorliebe für licht- und nährstoffreiche, feuchte Standorte. Die Bäume sind zweihäusig, das heisst, es gibt männliche und weibliche Pappeln. Dank watteartiger Flughaare verteilen sich die Samen über weite Strecken. Dieser Pappelflaum hat ausgezeichnete Wärmeeigenschaften und wird bei der Herstellung edler Kissen und Decken verwendet.

Ökologisch wertvoll

Der Stamm alter Schwarzpappeln weist oft knollenartige Verdickungen auf. Diese und die im Alter tief gefurchte Borke verleihen den Bäumen etwas Urtümliches. Sie können bis zu 35 Meter hoch und gut 200 Jahre alt werden, ein ausser­gewöhnliches Alter für so rasch wachsende Bäume. Eine Besonderheit der Schwarzpappel ist ihre Fähigkeit, verseuchte Böden von Schwermetallen zu befreien. Die Blätter variieren in Form und Grösse derart, dass für eine exakte Abgrenzung zu Hybridbäumen eine genetische Analyse nötig ist. Grün austreibende junge Blätter gelten als Hinweis auf Schwarzpappeln; Hybridbäume haben rote Austriebe. Misteln befallen fast ausschliesslich Hybridpappeln, in den seltensten Fällen jedoch Schwarzpappeln.

Der ökologische Wert der Schwarzpappel ist beachtlich. Die Blätter dienen mehreren hundert Insektenarten als Nahrung, 18 davon sind auf die Schwarzpappel spezialisiert und können ohne sie nicht überleben. Im Frühling geben die Knospen vermehrt ein balsamisch-duftendes Harz ab. Bienen sammeln dieses und verwenden es für die Produktion von Propolis.

Heilende Wirkung

Die heilende Wirkung der Pappel ist seit der Antike bekannt. Auch die Volksheilkunde verwendet die harzreichen Knospen bis zum heutigen Tag. Sie wirken antibakteriell, schmerzstillend, entzündungshemmend und fördern die Wundheilung.

«Pappelknospensalbe wird äusserlich bei Verletzungen, Muskelschmerzen, Frostbeulen, Verbrennungen und bei Hämorrhoiden eingesetzt.»
Ursula Glauser-Spahni

Knospentee, so wird ihm nachgesagt, hilft bei Lungenentzündung, der Tee aus den Blättern gilt als harntreibend, fiebersenkend und soll die Leber reinigen. Lauwarm ins Ohr geträufelt soll er Ohrenschmerzen lindern.

Die  Gemmotherapie verwendet die aufbrechenden Frühlingsknospen. An Inhaltsstoffen finden sich Salicylsäurederivate, ätherische Öle, Flavonoide, Gerbstoffe und Harz darin.

«Das Knospenmazerat ist ein wertvolles Gefässmittel, es verbessert den peripheren Blutfluss, lindert Arterienentzündungen, hemmt das Verklumpen der Blutplättchen und hilft bei Thrombosen.»
Ursula Glauser-Spahni

Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Blasenschwäche, Reizblase und Prostatabeschwerden mit Blasenentleerungs­schwierigkeiten. Die schmerzlindernde und stoffwechselanregende Wirkung hilft bei rheumatischen Beschwerden und Gicht. Die Pappel bricht Stagnationen auf – auch seelische – und bringt alles wieder in Fluss.