Silberweide
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Die Silberweide beeindruckte die Menschen mit ihrer mächtigen Gestalt. In alten Zeiten war sie heilig, später galt sie als Hexenbaum, aber auch als Baum der Fruchtbarkeit, Erneuerung und Wiedergeburt.

Robust und schnell wachsend

Spielt der Wind mit ihren silbrig behaarten Blättern, zaubern diese flirrende Lichtmuster in die Baumkrone – ein faszinierender Anblick.

Das Element der Silberweide (Salix alba) ist das Wasser. Ihr Lebensraum sind Auen und Flusslandschaften, wo sie, dank eines besonderen Durchlüftungssystems der Wurzeln, auch mit lang dauernden Überflutungen klarkommt.

Sie wächst zu einem imposanten Baum mit weit ausladenden Ästen heran, wird bis 30 Meter hoch und erreicht einen Stammdurchmesser von einem Meter. Anders als ihre eher kurzlebige Weidenverwandtschaft kann die Silberweide ein Alter bis zu 200 Jahren erreichen.

In der griechischen Mythologie war sie Demeter geweiht, der Göttin der Fruchtbarkeit und des Wachstums; im Norden gehörte sie zu Iduna, der Göttin der Jugend und der Unsterblichkeit. Ihr rasches Wachstum und die Fähigkeit, sich aus sich selbst zu erneuern, sind denn auch beeindruckend. Wenn sie von einem Sturm gefällt wird, schlägt sie unverdrossen aus dem Stock wieder aus. Auch jeder Zweig, der in den Boden gesteckt wird, bewurzelt. So werden Weiden­stecklinge denn auch häufig für Boden- und Uferbefestigungen verwendet. Mit ihren Zweigen lassen sich aber auch lebende Bauwerke wie Weidenhäuschen und Tunnels realisieren.

Göttin oder Hexe

Die silbernen Blätter und die Vorliebe für Wasser zeigen die Verbindung der Silberweide zum Mond, zum weiblichen Prinzip, zu Yin. In alten Zeiten war sie der Baum der Mondgöttin. Später wurde sie hingegen als Hexenbaum verunglimpft. Dazu mitgeholfen hatten sicher auch die zu Kopfweiden geschnittenen Bäume. In der Dämmerung oder im Nebel konnten diese zweifellos die Fantasie des Wanderers anregen und ihn «gefürchige» Gestalten sehen lassen.

Wertvoller Lebensraum und Nahrungsquelle

Die Kopfweiden dienten der Gewinnung von Flechtruten, wurden aber in jüngerer Zeit nicht mehr gepflegt. Heute werden sie wieder als markante und ökologisch besonders wertvolle Landschaftselemente gefördert. Rund 180 Insektenarten, dazu der seltene Steinkauz und andere höhlenbrütende Vogelarten, aber auch Kleinsäuger und Fledermäuse leben auf ihnen. Zweige und Blätter sind zudem Futter für das Wild.

Die Silberweide ist zweihäusig, das heisst, es gibt weibliche und männliche Bäume. Aus den flauschigen Blütenkätzchen stossen im April die aufs Wesentlichste reduzierten Blüten; weiblichen Blüten bestehen nur noch aus dem Fruchtknoten, männliche aus zwei Staubblättern. Sie produzieren dennoch reichlich Nektar, der eine wichtige Nahrungsquelle für die Bienen darstellt.

Die Samen der Weide sind winzig und hängen an einem hellen Haarbüschelchen. Mit diesem «Gleitschirm» können sie bis 50 Kilometer weit fliegen und sorgen so für die Verbreitung. Dieser Weidenflaum wurde früher sogar gesammelt und als Kissenfüllung verwendet.

Sanfte Heilkräfte

Die Silberweide ist vom Wesen her ein ausgesprochen sanfter Baum, dem die Menschen früher ihren Kummer anvertrauten und sogar ihre Leiden übertrugen. Dazu strich man mit einem Zweig über die kranke Stelle, sprach einen Bannspruch und machte einen Knoten in den elastischen Zweig. Auch Haarausfall sollte auf diese Weise gestoppt werden können.

Silberweide (Salix alba)

Heilende Blätter, Weidenrinde und -kätzchen

Doch in der Weide stecken noch handfestere Heilkräfte. Bereits in der Antike kannte man die zusammenziehende, blutstillende und schweisstreibende Kraft der Weide. Gemahlene Blätter mit Pfeffer und Wein wurden als empfängnisverhütendes Mittel verwendet.

Die Volksmedizin setzte die Rinde bei Fieber, Grippe, rheumatischen Beschwerden, aber auch bei Hautirritationen, Wundliegen und Geschwüren ein. Weidenrinde ist adstringierend, kühlt bei einem Übermass an Hitze, lindert Schmerzen und desinfiziert. Bäder mit Weidenrinde helfen bei Schuppenflechte, Kopfschuppen und Fussschweiss.

Ein Tee aus den Weidenkätzchen wurde bei Schlaflosigkeit und Nervenstörungen gegeben. Heute sind die Weidenkätzchen als wichtige Bienennahrung jedoch geschützt.

Als Wirkstoffe findet man Salicin und andere Salicylate, Aldehyde, Flavonoide, Gerbstoffe. Hauptwirkstoff ist Salicin, das im Organismus zu Salicylsäure umgewandelt wird. Vor 200 Jahren gelang es, Salicin in reiner Form aus Weidenrinde zu gewinnen und daraus Salicylsäure herzustellen. Heute wird diese synthetisiert, sodass Weidenrinden­zubereitungen nur noch in der Volksmedizin eingesetzt werden.

Silberweide (Salix alba)

Schmerzlindernd und harmonisierend

In der Gemmotherapie werden die Frühlingsknospen der Silberweide verwendet. Dieses Knospenmazerat ist schmerzstillend, kühlend, entzündungshemmend und antirheumatisch. Es entwässert und hilft, Harnsäure auszuscheiden. Zudem hilft es bei fiebrigen Erkältungskrankheiten, Grippe, Rheuma, Kopf- und Rückenschmerzen, Gicht und Fibromyalgie.

Die Silberweide kühlt aber auch erhitzte Gemüter und harmonisiert das vegetative Nervensystem, sodass der Körper zur Ruhe kommt und sich regenerieren kann. Das Knospenmazerat von Silberweide passt damit für Menschen, die sich kaum Erholung gönnen.