Der «dickflüssige Heiltrank», so die direkte Übersetzung des mittellateinischen «Sirupus», hat eine lange Tradition: Schon amerikanische Ureinwohner bohrten die Stämme von Ahornbäumen an, um an den süssen Pflanzensaft zu gelangen. Im Mittelalter hingegen wurde Sirup hauptsächlich zu medizinischen Zwecken genutzt, beispielsweise bei Magen- und Verdauungsbeschwerden.
Heute setzt die Lebensmittelindustrie auf die Dickflüssigkeit der Sirupkonzentrate, um Geld zu sparen: So werden Fruchtsäfte, insbesondere Orangensäfte, fast ausschliesslich in Form von Konzentraten gehandelt, um das Gewicht beim Transport gering zu halten. Erst am Bestimmungsort werden die Konzentrate beim Abfüllen mit Wasser verdünnt. Und im Alltag von vielen Familien ist Sirup fest verankert.
Für den eigenen Gebrauch ist die Herstellung von Sirup einfach und günstig: Es braucht Zucker oder eine zuckerhaltige Flüssigkeit, etwa aus Zuckerrüben und ein Aroma, beispielsweise Früchte oder Blüten. Zucker, Wasser und Aroma werden eingekocht und abgesiebt, und schon ist der selbst gemachte Sirup fertig.
Dabei darf bei der Wahl der Zutat die Fantasie frei walten: «Man kann aus allem Sirup machen», sagt Mathias Wirth jun. überzeugt. Denn: «Sirup bedeutet: Geschmack in Zucker konservieren.» Die Schwierigkeit sei allerdings, den Geschmack und die Essenz der Frucht oder Blüte zu transportieren. «Ein Sirup, bei dem man den frischen Apfel riecht, ist schwierig herzustellen.»
Mathias Wirth jun. ist einer, der es wissen muss. Er führt den 1980 gegründeten Familienbetrieb «Le Sirupier de Berne» in zweiter Generation. «Sirup ist wie Glace, er wird das ganze Jahr durch getrunken», sagt er aus Erfahrung. 70 000 Liter Sirup pro Jahr werden im Berner Breitenrein Quartier in einem geschichtsträchtigen Haus aus den 1950er-Jahren hergestellt und abgefüllt. Im Keller der ehemaligen Druckerei laufen zwei selbstkonzipierte Siebabfüllmaschinen, in einem Nebenraum werden die Etiketten noch von Hand angeklebt. «Es ist mir wichtig, möglichst viel selbst zu machen. Wenn meine Mitarbeiter die Flasche beim Etikettieren nochmals in der Hand haben, ist es eine zusätzliche Qualitätskontrolle», erklärt der Sirupier.
Selbst gepresste Säfte und getrocknete Kräuter, wenn möglich aus regionalen Produkten, werden zu Sirupen mit so klingenden Namen wie «Quer dür d’Hoschtet», «Besser als Ystee» oder «Elfen» verarbeitet. Die Sirupe aus Bern können warm oder kalt getrunken werden und im Sirupier-Angebot sind auch Spezialitäten wie ein Sirup aus Tannentrieb oder Bergamotte. Auf Geschmacksverstärker wird gänzlich verzichtet. Beim Produktionsprozess werden Zucker und Zitronensäure zugegeben, zudem werden die Konzentrate heiss in Flaschen abgefüllt.
Bei der Frage, ob Sirup gesünder sei als Süssgetränke aus dem Handel, scheiden sich die Geister. Klar ist: Sirup besteht zu rund 70 Prozent aus Zucker. Bei den meisten Produkten wird ein Mischverhältnis von 1:5, also ein Teil Sirup auf fünf Teile Wasser bei zwei Deziliter Wasser empfohlen – damit ergibt sich schnell ein Zuckeranteil von 18 bis 28 Gramm. Aus ernährungsphysiologischer Sicht besteht somit wenig Unterschied zu anderen Limonaden-Getränken. Viel Zucker, wenig Nährstoffe, lautet das Verdikt. Mathias Wirth jun. hat dennoch ein paar schlagkräftige Argumente pro Sirup:
Ausserdem enthalten seine Sirupe keine Farb- und Konservierungsstoffe, denn die Konservierung geschehe über den Zucker und das Heissabfüllen der Konzentrate.