03. März 2023

Spätes Liebesglück pflegen

Spätes Liebesglück pflegen
Lesezeit ca. 7 min

Gemäss Statistik leben rund dreissig Prozent der Menschen über Fünfzig nicht in einer Partnerschaft, die Mehrzahl von ihnen unfreiwillig. Wie erhöht man im Alter die Chancen auf ein Leben zu zweit?

Neues Liebesglück im Alter

Leo Brunner (Name geändert) hat eine konfliktreiche Ehe hinter sich. Der pensionierte Schreiner hat sich von seiner Frau getrennt, als die gemeinsamen Kinder ihre Berufslehren abgeschlossen hatten. Anni Gerber (Name geändert) hat in ihrer Ehe ebenfalls viel einstecken müssen: Ihr Mann trank öfters zu viel, dann wurde er laut und aggressiv. Seit der Scheidung arbeitet sie als Hilfskraft in einer Personalkantine. Zwei Jahre dauert es noch bis zu ihrer Pensionierung.

Seit einem Jahr sind Leo Brunner und Anni Gerber ein Paar. Sie sagt: «Er fiel mir als guter Tänzer an einem Tanzanlass auf.» Bei der Damenwahl holte sie ihn zum Tanzen. An diesem Nachmittag funkte es zwischen den beiden. «Er hat einen ganz anderen Charakter als mein Ex-Mann, dieser war sehr aufbrausend», erzählt Anni Gerber. Leo dagegen sei sanftmütig, aufmerksam und hilfsbereit. Die beiden sind öfters mit den E-Bikes unterwegs und spielen gerne Gesellschaftsspiele. Nach ihren schwierigen Ehen seien sie besonders dankbar für ihr spätes Liebesglück, betonen sie.

Spätes Liebesglück pflegen

Geduldig sein und miteinander reden

Viele Singles im dritten Lebensabschnitt wünschen sich eine dauerhaft harmonische Gemeinsamkeit. Wunsch und Wirklichkeit sind jedoch öfters nicht deckungsgleich; eine passende Partnerin oder einen passenden Partner zu finden, ist sehr herausfordernd. Auch Gottfried Brenner und Gerti Hasler (Namen geändert) haben im Alter zusammengefunden. Sie sind sich an einem Anlass der Kirchgemeinde begegnet. Beide haben langjährige Ehen hinter sich und sind verwitwet. «Man muss viel miteinander reden», sagen sie übereinstimmend. Reden helfe, sich besser aufeinander einzustellen.

«Durch eine lange Ehe wurde man sehr geprägt, da braucht es viel Zeit und Geduld, um sich auf eine neue Partnerin einstellen zu können»,

schliesst Gottfried Brenner aus seinen Erfahrungen. Sie decken sich mit den Aussagen von Partnerschaftsexperten.

Auch Edith Debrunner und Konrad Meisterhans (Namen geändert) fanden im dritten Lebensabschnitt zusammen. Als sie bei sich zu Hause ihre beiden kleinen Enkel hütete, wies ihr Partner die Kinder am Esstisch zurecht. Mit dem Essen spiele man nicht, sagte er in barschem Ton. Beide brachen in Tränen aus. Er habe ihren Enkeln gar nichts zu befehlen, warf ihm Edith Debrunner empört an den Kopf. Eingeschnappt stand er auf, zog seine Jacke an und verliess ihr Haus. Wenige Stunden später gab ihr Konrad Meisterhans am Telefon das Ende der Partnerschaft bekannt.

Interesse zeigen

Wer eine neue Partnerin oder einen neuen Partner finden will, muss – laut Fachleuten für Partnerschaft – in erster Linie für Gelegenheiten sorgen. Dies bedeutet, dass man sich öfters an Orten aufhalten soll, an denen man Kontakte knüpfen kann – dazu gehören etwa Tanznachmittage, Volkshochschulen, Wandergruppen, Kochkurse, Ausstellungen, Busreisen und Kreuzfahrten. Dabei sollte man sich vorgängig überlegen, wonach man Ausschau hält: Soll es die grosse Liebe oder aber vor allem eine Kameradin oder ein Begleiter für Freizeitaktivitäten sein? Wer nicht weiss, wonach er sucht, jagt womöglich einem unrealistischen Phantom hinterher und übersieht dabei eventuell geeignete Personen im eigenen Umfeld.

Nicht nur die rechtzeitige Klärung der eigenen Bedürfnisse verbessert die Erfolgschancen, auch das Verhältnis zu sich selbst muss unter die Lupe genommen werden.

«Wie Studien ergeben haben, glauben viele Menschen, für andere nicht interessant zu sein.»
Adrian Zeller

Sie tun sich schwer beim Knüpfen von Kontakten, weil sie glauben, keine guten Gesprächspartner zu sein. Tatsächlich muss man nicht über ein grossartiges Wissen oder beeindruckende Reiseerfahrungen verfügen und auch keine versierte Kunstkennerin sein. Es reicht, spürbares Interesse am Gegenüber zu zeigen.

Fragen sind gute Gesprächseinstiege: «Mir gefällt diese Ausstellung, Ihnen auch?», «Ich lerne gerne andere Kulturen kennen, verreisen Sie auch gerne oder sind Sie lieber in Ihrer vertrauten Umgebung?», «Dieses Jahr hatten wir oft schönes Wetter, haben Sie viel unternehmen können?» Solche Fragen bringen leicht einen flüssigen Dialog in Gang. Vorsicht: Heikle Themen wie Krankheit, Politik und Religion meidet man besser, mit ihnen kann man leicht ins Fettnäpfchen treten.

Attraktiv bleiben – aber anders

Ein weiteres Vorurteil beim Knüpfen von Kontakten ist der Glaube, im Alter nicht mehr genügend attraktiv zu sein.

«Laut Fachleuten verändert sich im Alter die Wahrnehmung von Attraktivität. Im Alter über 60 ist es eher der Lebensstil, der anziehend macht.»
Adrian Zeller

Wer mit sich und seinem Leben einigermassen im Einklang ist, strahlt dies positiv gegen aussen aus. Ein wacher Geist, der sich für andere Menschen und neue Themen interessiert; Humor, Flexibilität, Einfühlungsvermögen, Ehrlichkeit, Toleranz; oder auch eine ausgewogene Ernährungsweise, regelmässige Bewegung an der frischen Luft sowie ein höchstens mässiger Alkoholkonsum sind gute Voraussetzungen, um bei anderen Menschen Sympathien zu wecken.

Dagegen sammelt man mit Egozentrik, Besserwisserei, Tratsch, Nörgelei und Verhaftet sein in der Vergangenheit wenige Bonuspunkte.

Absprachen sind entscheidend

Manche frisch verliebten Menschen im dritten Lebensabschnitt schwärmen, sie fühlten sich wieder wie Teenager. Amors Pfeil wirkt in jedem Lebensalter sehr belebend und verjüngend, aber die Ausgangslage für eine neue Partnerschaft ist im Alter eine wesentlich andere als in jungen Jahren: Nach der Pensionierung bleibt viel freie Zeit, die man gemeinsam gestalten kann. Dies bedeutet Chance und Herausforderung zugleich: Viele gemeinsam verbrachte Stunden können auch zu vermehrten Reibungsflächen führen. Daher ist es wichtig, dass man die Vorstellungen über die gemeinsame Zeit frühzeitig bespricht.

Eine temperamentvolle E-Bike-Fahrerin wird sich rasch über einen Gefährten ärgern, der gerne länger in den Gaststätten verweilen will. Ein Opernfreund wird mit einer Begleiterin, die mit dieser Art von Bühnenkunst nichts anfangen kann, kaum einen angenehmen Abend verbringen. Und ein passionierter Hobby-Restaurator von Oldtimern darf seine Partnerin nicht vernachlässigen. Bei einer Partnerschaft müssen die Interessen nicht unbedingt deckungsgleich sein. Man sollte sich jedoch frühzeitig absprechen, welche Aktivitäten man gemeinsam unternimmt, und welche man lieber mit Freundinnen oder Kollegen teilt. Wer sich ständig anpassen muss, wird mit der Zeit unzufrieden.

Auch die Zukunftsvorstellungen sind ein wichtiges Thema: Will man in getrennten Wohnungen leben oder möchte man zusammenziehen? Ist eventuell gar eine Heirat ein Thema? In diesem Fall sollte man sich – trotz Romantik – rechtzeitig über allfällige Auswirkungen auf die Rentenzahlung informieren. Und auch über Erbschaftsfragen sollte man sich erkundigen; andernfalls kann es beim Ableben eines Partners zu Konflikten mit den Angehörigen der verstorbenen Person kommen.