26. Januar 2022

Faszien: unterschätzte Bestandteile der menschlichen Anatomie

Faszien: unterschätzte Bestandteile der menschlichen Anatomie
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Lange als «lebloses Bindegewebe» ignoriert, stehen die Faszien nun im Forschungsinteresse. Die neuesten Forschungsresultate versprechen Hoffnung bei Rückenleiden.

Was sind Faszien?

Sie sind für uns nicht ersichtlich, umhüllen den Körper wie ein Netz und verbinden Muskeln, Sehnen und Organe mit den Knochen. Die Rede ist von den Faszien, nach dem Lateinischen «fascia», zu Deutsch «Band».

Das weissliche Fasziengewebe macht zirka 20 Kilogramm des Köpergewichts aus und wird in drei Ebenen unterteilt: in die oberflächliche, die tiefe sowie die viszerale Faszienschicht.

Oberflächliche Faszien bestehen aus elastischen Fasern und sind deswegen sehr dehnbar, so können sie etwa auf Gewichtsschwankungen reagieren. Sie sind durchlässig für Blut-, Lymph- und Nervengefässe.

Die tiefer gelegenen Faszien weisen einen hohen Kollagen-Anteil auf, was sie stabiler und weniger dehnbar macht. Diese dichten Gewebe und Stränge umschliessen Blutgefässe, Knochen, Muskeln und Nervenbahnen.

Die viszeralen Faszien sind die tiefste Schicht des Fasziengewebes und halten die inneren Organe, indem sie eine Bindegewebemembran um sie bilden.

Die Medizingeschichte belegt, dass Faszien bereits im 18. Jahrhundert bekannt waren, doch sie wurden lange Zeit als «totes» Stütz- und Hüllgewebe ignoriert. Erst seit den letzten 40 Jahren interessiert sich die Medizin wieder für die Faszienforschung.

Der Schmerz wurzelt in der Faszie

In den letzten Jahren wurden Faszien immer wieder mit chronischen und diffusen Rückenschmerzen in Verbindung gebracht. Die Fascia Thoracolumbalis ist die grösste Faszie am Rücken, sie spannt sich vom Lenden- bis zum Brustbereich und mehrere Muskeln haben ihren Ursprung an ihr. Es konnte nachgewiesen werden, dass Entzündungen und Verletzungen in der Fascia Thoracolumbalis das Schmerzzentrum im Gehirn aktivieren. Oftmals sind auch verklebte Faszien die Ursache für Rückenschmerzen.

«Verklebte Faszien sind weniger durchblutet und dadurch weniger mobil, was sich auf den Beweglichkeitsradius der Wirbelsäule auswirkt: Rotationen und Beugungen werden schwieriger und schmerzhaft.»
Manuela Donati

Neueste Untersuchungen zeigen, dass unzählige Schmerzrezeptoren in den Faszien sitzen. Das bedeutet: Das Bindegewebe ist sehr empfindlich und könnte in vielen Fällen der Ort sein, an dem der Schmerz sitzt. Und: Die Rezeptoren in den Faszien reagieren nicht nur auf muskuläre und nervliche Reize, sondern auch auf biochemische Zusammenhänge. Dass Stress sich auf den Rücken auswirkt, ist mit diesem Hintergrund folglich nicht mehr nur die Vermutung von Patienten mit Rückenleiden ohne konkrete Ursache.

Faszien: unterschätzte Bestandteile der menschlichen Anatomie

Den Schmerz wegrollen

Die Faszienforschung ist noch ein junges Gebiet und viele Erkenntnisse müssen durch weitere Untersuchungen belegt werden. Doch viele Forscher sind sich einig: Als verbindendes Gewebe haben viele Beschwerden ihre Ursache in den Faszien, also muss auch dort mit der Therapie angesetzt werden. So wird bei Rückenleiden ohne ersichtlichen Grund die Faszientherapie immer beliebter. In der Sporttherapie kommt bereits immer häufiger die Faszienrolle zum Einsatz. Diese kann auch in Form eines Balles oder einer Doppelkugel Anwendung finden.

«Mithilfe von Roll-Druck-Bewegungen kann die Durchblutung und Wasseraufnahme der Faszie verbessert werden, was sie weicher und gleitfähiger macht. Dies fördert den Bewegungsradius der bearbeiteten Körperregion. Der Schmerz wird sozusagen weggerollt.»
Manuela Donati

Zudem konnte durch Faszientraining auch die Schmerzempfindung reduziert werden. Sehr wahrscheinlich werden so die Sinneszellen, sogenannte Mechanorezeptoren in der Haut und der äussersten Fazienschicht aktiviert, was den Mechanismus der Schmerzlinderung im Gehirn auslöst und das autonome Nervensystem reguliert.

Neben dem Training mit der Faszienrolle können auch andere manuelle Therapieformen angewandt werden. Massage und Schröpfen wirken auf das oberflächliche Fasziengewebe ein, während die tieferen Faszien mit Rolfing und Osteopathie behandelt werden.