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Die gelernte Drogistin Christel Ströbel befasst sich seit langer Zeit mit Wild- und Gartenpflanzen. Sie stellt aus diesen Schätzen natürliche Heilmittel her. Streifzüge durch die Natur gehören ebenso dazu wie liebevolle Zuwendung und viel Geduld. Pflanzen zu verarbeiten ist eine Lebenseinstellung: sich auf die Ruhe und Stille einzulassen.

Es gibt kein Gestern und kein Morgen, sondern nur das Jetzt. Hektik und Ungeduld haben keinen Platz. Die Natur gibt das Tempo vor – alles hat und benötigt seine Zeit. Für ihre Heilmittel verwendet sie zum Beispiel keinen Mixer, sondern mörsert ein Brennnesselsalz. Dieses Salz bereichert feines Essen und ist ewig haltbar. Der Prozess dauert und wirkt auf die Kräuterfrau immer wieder wie eine Meditation. Diese Hingabe fliesst in das Endprodukt ein und veredelt es zusätzlich. Wer Christel Ströbel kennt, kann bestätigen, dass sie gegenüber der Natur eine bewundernswerte Ruhe und Hingabe ausstrahlt. Ich habe Christel Ströbel per Zoom in ihrem Zuhause besucht und viele interessante Antworten auf meine Fragen erhalten.

Christel, deine Arbeit ist Handwerk und Kunst zugleich, weshalb?

Handwerk ist für mich alles, was mit den Händen entsteht und wo keine Maschine die Arbeit übernimmt. Handwerk gab es schon im Mittelalter. Kunst ist es, wenn man das Eigene reinbringt und aus dem Herzen heraus etwas erschafft. Das Herstellen von Pflanzenheilmitteln ist, mit dem Herzen und mit den Pflanzen verbunden zu sein. So hat das Produkt eine ganz andere Schwingung oder Energie, als wenn tonnenweise Pflanzen durch eine Maschine geerntet werden. Die Inhaltsstoffe sind gleich, aber die Schwingung ist spürbar anders.

Wann und warum hast du dich auf den Weg mit den Pflanzen begeben?

Das begann in der zweiten Lebenshälfte, mit einem ganz neuen Lebenszyklus. Ich lernte Dieter Berweiler kennen, der eine grosse Gärtnerei hatte. Ihn bat ich um eine kleine Ecke auf dem grossen Areal, um meine eigenen Teekräuter anzubauen. Das war mein Herzenswunsch. Ich wollte eigentlich hundert Quadratmeter, und er hat dann eine halbe Hektare Land bepflanzt. Das war der Start für die eigene Teeproduktion. Ab 2002 war ich jeden Tag auf den Feldern und im Gewächshaus, habe mich mit den Pflanzen beschäftigt und ihnen zugehört. Sie haben mich als mein ganz grosser Lehrer an die Hand genommen. So begann der intensive Lebensweg mit den Pflanzen und der Erde.

Ist Hildegard von Bingen ein Vorbild für dich?

Hildegard von Bingen fasziniert mich ohne Ende. Ich war schon im Kloster und auf dem Friedhof, wo sie ruht, und habe mir das alles angeschaut. Ich bekomme jetzt, wenn ich dir davon erzähle, wieder Gänsehaut. Ich finde es absolut grossartig, was diese Frau in die Welt gebracht hat und ihr Wissen bis zum heutigen Tag erhalten blieb. Es gibt sehr viele Menschen, die nach ihren Rezepturen leben und sich ernähren. Ihr Schaffen fasziniert mich sehr, aber ihre Rezepturen verwende ich ganz selten.

Zurück zur Natur – uraltes Wissen

Rezept Löwenzahnkaffee

  1. Wurzeln ausgraben und reinigen
  2. In kleine Stücke schneiden
  3. Zum Trocknen, ohne Sonne, auslegen
  4. In Dörrapparat oder
  5. Auf Backblech legen und bei mittlerer Hitze rösten – braun, nicht schwarz. Immer wieder wenden.
  6. Mahlen
  7. 1 Teelöffel für 1 Tasse
  8. Mit heissem Wasser übergiessen
  9. 2 bis 3 Minuten ziehen lassen

Heilkraut Löwenzahn

  • Überlebenskünstler
  • Vertreibt die Sorgen, Traurigkeit und Melancholie
  • Bitterstoffe aktivieren die Leber
Zurück zur Natur – uraltes Wissen
Löwenzahnwurzelkaffee vertreibt unter anderem Traurigkeit, Sorgen und Melancholie.

Was fasziniert dich an deiner Tätigkeit am meisten?

Mich fasziniert, dass ich mein Wissen über die Pflanzen und deren Heilkraft täglich erweitern kann und selbst ihre Wirkung erfahren habe. Für mich ist es nicht eine Arbeit im eigentlichen Sinn. Es ist Liebe und Begeisterung und dass ich mein Liebstes zu meinem Beruf machen konnte. Ich arbeite dort, wo andere Ferien machen; und es berührt mich, sie zu begleiten und Interessierte in die Welt der Pflanzen zu führen – zurück zu ihrem Ursprung. Es ist für mich eine Art Rückbesinnung zu etwas Uraltem.

Du gehst mit den Pflanzen sehr behutsam um. Weshalb ist das für dich wichtig?

Ich habe mir nie bewusst vorgenommen, zart zu den Pflanzen zu sein. Ich bin einfach so. Auf meinen Streifzügen streiche ich sehr gerne ganz fein über die Pflanzen. So bin ich in der Berührung mit ihnen und der Erde. Es ist so etwas Kostbares, das ich einfach dankbar streicheln muss.

«Die Natur hat ihren eigenen Plan.»
Christel Ströbel

Du verwendest zum Schneiden der Pflanzen immer ein Keramikmesser. Weshalb?

Ich kann es wissenschaftlich nicht genau erklären, aber es ist so: Wenn du zum Beispiel einen Bioapfel mit dem Keramikmesser halbierst, dann wird er normalerweise erst nach ein paar Stunden bräunlich. Schneide ich einen Apfel mit einem Metallmesser auf, tritt die Verfärbung nach ein paar Minuten ein. Die Metallionen, die beim Schneiden in das Fruchtfleisch gelangen, verändern diese Oberfläche. So geschieht es auch beim Schneiden der Pflanzen. Das Keramikmesser lässt das Geschnittene so, wie es ist; für mich ein entscheidender Grund, nur mit einem Keramikmesser zu arbeiten.

Wäschst du keine Pflanze, die du verarbeitest?

Das wird oft empfohlen. Ich mache es nicht. Viele ätherische Öle sitzen bei der Pflanze ganz an der Oberfläche. Wenn ich die jetzt wasche oder sogar schrubbe, geht ganz viel Gutes verloren. Das macht für mich keinen Sinn. Deshalb sollte man auch nie nach einem Regen ernten. Man sollte warten, bis alles gut abgetrocknet ist, am besten einen ganzen Tag. So hat die Pflanze alles wieder aufgefüllt, dehnt sich wieder aus und die Wirkstoffkonzentration ist wieder an der Oberfläche. Waschen ist deshalb schade. Eine Ausnahme bilden Wildkräuter, die man direkt isst. Als ordentliche Kräuterfrau müsste ich sagen: Alle Kräuter sorgsam waschen. Ich selbst tue dies nicht, aus schon genannten Gründen.

Mich fasziniert dein Einsatz von Spitzwegerich. Erzähl uns von ihm.

Der Spitzwegerich wächst fast überall. Er ist unser «Notfallwiesenpflaster», wenn wir draussen unterwegs sind. Er findet seinen Einsatz bei Insektenstichen, kleinen Verletzungen oder Blasen an den Füssen. Er wirkt desinfizierend, heilend, wundverschliessend und stoppt kleine Blutungen. Ich habe bei meinen Kindern bei kleinen Verletzungen nie Jod verwendet, sondern immer den Saft des Spitzwegerichs. Der Saft zieht in die Wunde ein und hat eine keimtötende Wirkung. So heilt er von unten nach oben und von aussen, weil die Wunde schneller schliesst. Bei Insektenstichen ist es so: Je schneller ich den Saft auf den Stich gebe, desto weniger breitet sich das Gift aus. Spitzwegerich kann aber noch mehr. Er hilft bei Husten und Verschleimung der Atemwege. Er hindert Bakterien daran, sich zu vermehren. Hierbei kommt ein Tee oder eine Tinktur zum Einsatz.

Rezept Notfallsalbe mit Spitzwegerich

Zutaten für Salbe:

  • Spitzwegerich
  • 100 ml Öl
  • 15 g Bio-Bienenwachs

Spitzwegerich mit dem Keramikmesser zerkleinern und im Öl erhitzen. Eine Stunde sanft kÖcheln und anschliessend abfiltern. In das warme Öl Wachs hineingeben. Rühren, bis sich das Wachs verflüssigt hat. In Tiegel füllen. (Haltbarkeit: mindestens 1 Jahr)

Anzuwenden bei:

  • Verletzungen
  • Hämorrhoiden
  • Juckreiz
  • Insektenstichen
  • Hautekzemen
Bild von Zutaten für das Mischen einer Notfallsalbe mit Spitzwegerich

Deine Arbeit braucht Geduld. Weshalb ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen?

Zum Beispiel beim Mörsern eines Brennnesselsalzes siehst du genau, wie die Pflanze ihren Saft abgibt, sich mit dem Salz verbindet und es zu glänzen beginnt. So kannst du in die Verbindung mit der Pflanze kommen. Dieser Prozess fordert Geduld, aber die Belohnung ist gross, weil das Vorgehen einer Meditation gleicht. So entsteht eine Dankbarkeit zur Pflanze und zur Erde, die diesen Schatz hervorgebracht hat. Während dieser Arbeit dürfen auch die eigenen Gedanken wandern und kreisen. Oft kommt es zu anderen, neuen Gedanken oder Erkenntnissen, die mich in eine ganz andere Richtung führen.

Zurück zur Natur – uraltes Wissen
Wirkt wie eine Meditation: Mörsern eines Brennesselsalzes.

Welche Erfahrungen machst du in deinen Online-Seminaren?

Für viele Teilnehmer ist es wie der Eintritt in ein neues Universum. Das sind zum einen die Heilkräuter mit ihren wundervollen Inhaltsstoffen und Wirkungen auf den Körper, aber vor allem auch die Begegnungen mit den Pflanzenwesen. Der Garten und die Landschaft in direkter Umgebung, werden mit völlig neuen Augen wahrgenommen. Der Onlinekurs ist eine virtuelle Bibliothek zum Nachschauen, Nachhören und sich immer wieder neu inspirieren lassen. Der Lockdown in der Coronakrise hat viel, in diesem Fall Positives, dazu beigetragen. Durch die Zeit, die plötzlich zur Verfügung stand, waren viele Menschen bereit, sich diese zu nehmen und neue Erfahrungen zu sammeln. Viele haben die Liebe zur Natur entdeckt.

Die Brennnessel – was bedeutet sie für dich?

Die Brennnessel ist ein Powerriegel, der das Feuer in uns entfacht. Sie ist eine der fünf wichtigsten Pflanzen überhaupt. Sie ist ein Rundum-sorglos-Paket, wirkt blutreinigend und Blut aufbauend, durchspült die Nieren und verfügt über sehr viel Eisen und viel Vitamin C. Da heute bekannt ist, dass der Körper Vitamin C benötigt, um Eisen aufzunehmen, ist es doch wunderbar, dass diese Pflanze über beides verfügt. Sie hat auch unzählige Mineralstoffe und Spurenelemente. Deshalb ist sie wirklich ein Powerriegel, weil auch noch die Faserstoffe dazukommen, die für unseren Darm wichtig sind.

Pflanzen kommunizieren miteinander. Kannst du uns ein Beispiel schildern?

Im Pflanzengarten kommen jedes Jahr im Mai Läuse. Sobald eine Pflanze befallen ist, kommuniziert sie mit den anderen. Die wappnen sich mit der Produktion von Bitterstoffen gegen einen Befall. Das ist ein Segen, denn die Läuse sind in der Regel nach ein paar Wochen wieder weg und die Pflanzen sind reicher an wertvollen Bitterstoffen. Das ist für mich extrem faszinierend – so lerne ich jeden Tag etwas dazu.

Was kann die Natur bei uns bewirken?

Vielen Menschen geht im Zusammenhang mit der Natur und dem Pflanzenreichtum das Herz auf. Im Wald oder auf einer bunten Wiese finden sie Zeit zum Nachdenken und dafür, die Schwingung der Pflanzen zu spüren. Je offener ich bin, desto mehr komme ich in der Natur zur Ruhe. Vielleicht ist es wichtig, dass wir alle in der Natur lernen, die Gedanken mehr ins Positive zu verlagern und mehr das Schöne zu sehen. Die Ruhe, die grosse Dankbarkeit und Achtsamkeit gegenüber der Natur und die faszinierende Spiritualität von Christel Ströbel haben mich sehr berührt. Ich nehme dieses Erlebnis mit in meinen Alltag und bin überzeugt, dass es nachhaltig auf mich wirken wird.

Anmerkung der Redaktion: Christel Ströbel ist keine Ärztin oder Naturheilpraktikerin. Sie gibt ihr grosses Wissen gerne auf ihren Führungen, in Kursen oder in Online-Seminaren weiter.

Foto von Christel Ströbel
Christel Ströbel

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