23. Februar 2021

Vielen Dank!

Vielen Dank!
Lesezeit ca. 8 min

Dass Dankbarkeit sehr wichtig ist, wird oft unterschätzt. Dankbar zu sein, ist nicht nur ein angenehmes Gefühl, es ist in vieler Hinsicht auch sehr nützlich.

Keine Selbstverständlichkeit

Ganz einfach ist das nicht. Wie viele Menschen konzentrieren sich doch stets auf all das, was ihnen fehlt. Und vieles, was wir haben, nehmen wir als selbstverständlich hin. So zum Beispiel auch die Gesundheit: Immer, wenn es uns gut geht, denken wir kaum daran und empfinden kaum ein Gefühl der Dankbarkeit. Sobald es aber irgendwo zwickt, klemmt, juckt oder beisst, wird uns bewusst, wie wichtig die Gesundheit ist. Wenn wir dann wieder gesund sind, verspüren wir vielleicht einen Moment lang ein Gefühl der Erleichterung. Doch sind wir dann jeweils auch dankbar?

«Die Dankbarkeit ist die angenehmste aller Tugenden; allerdings nicht die leichteste», schreibt der französische Philosoph André Compte-Sponville. Diese Aussage könnte zu folgenden Fragen führen: Sind wir fähig, ein wirklich tiefes Gefühl von Dankbarkeit zu empfinden? Gegenüber wem oder was müssten oder könnten wir dankbar sein? Und wie könnten wir dieser Dankbarkeit Ausdruck verleihen?

Doch, wenn wir dankbar sein möchten, dass wir gesund sind, bleibt noch eine Frage unbeantwortet: Wem sollten wir jetzt deswegen dankbar sein? Uns selbst gegenüber, weil wir uns genug bewegt haben, weil wir einigermassen gesund gegessen und genug geschlafen haben, weil wir nicht zu viel geraucht und nicht zu viel getrunken haben? Oder sollen wir deswegen einfach dem Leben gegenüber dankbar sein? «Liebes Leben, ich danke dir so sehr, dass ich gesund bin!» Oder gehört dieser Dank eventuell sogar Gott? Und was ist, wenn wir gar nicht an Gott glauben?

Neue Erkenntnisse aus der Forschung

Im Allgemeinen sagt man, dass Dankbarkeit ein Gefühl ist. Oder genauer gesagt: Es ist eine Haltung von Anerkennung gegenüber einer materiellen oder immateriellen Zuwendung.

«Gläubige Menschen können Gott dankbar sein, doch man kann auch gegenüber anderen Menschen und auch ganz allgemein dem Sein dankbar sein, obschon Letzteres ein wenig abstrakt erscheint.»
Albin Rohrer

Aus religiöser Sicht ist die Dankbarkeit schon etwas Uraltes, aus wissenschaftlicher Sicht ist die Dankbarkeit ziemlich neu. Das systematische Studium der Dankbarkeit begann innerhalb der Psychologie erst vor knapp 30 Jahren. Dies wahrscheinlich deshalb, weil sich die Psychologie traditionell eher mit negativen und weniger mit positiven Emotionen befasste. Seit der Entstehung der «positiven Psychologie» ist die Dankbarkeit aber ein wichtiger Teil der psychologischen Forschung geworden.

Diese Forschung hat unter anderem auch herausgefunden, dass sich Dankbarkeit im Geschäftsleben durchaus bezahlt machen kann. In einem Experiment hat man herausgefunden, dass Kunden eines
Juweliers, die nach einem Kauf angerufen wurden und bei denen man sich für den Kauf bedankt hat, später um 70 Prozent mehr gekauft haben. Zum Vergleich zeigten Kunden, die nach einem Kauf nicht angerufen wurden und bei denen man sich nicht bedankte, keine Erhöhung ihres Kaufverhaltens. In einem anderen Experiment gaben Gäste eines Restaurants deutlich mehr Trinkgeld, wenn die Kellner «danke» auf die Rechnung geschrieben hatten. Aus diesen Experimenten kann man durchaus das Fazit ziehen, dass sich Dankbarkeit letztlich lohnen kann. Was aber gar nicht heissen soll, dass man nur dankbar sein soll, um daraus später Kapital schlagen zu können.

Religiöse Haltung

Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die sich als spirituell oder religiös bezeichnen und diese Spiritualität auch leben, im Allgemeinen deutlich dankbarer sind. Die Dankbarkeit spielt nämlich in vielen Religionen eine wichtige Rolle. In christlichen, buddhistischen, jüdischen und auch in hinduistischen Traditionen wird die Dankbarkeit als eine wertvolle menschliche Neigung gesehen. Die Anbetung eines Gottes, verbunden mit Dankbarkeit gegenüber diesem Gott ist ein Thema, das praktisch allen Religionen gemeinsam ist. So erstaunt es auch nicht, dass zahlreiche religiöse Texte das Thema «Dankbarkeit» beinhalten, dies sowohl in Gebeten und als auch in Liedern.

Vielen Dank!

Die Dankbarkeit ist eines der wesentlichsten Gefühle, welches Religionen erwecken und fördern wollen. Die Dankbarkeit gilt daher als eine universelle religiöse Haltung. Im Judentum zum Beispiel ist die Dankbarkeit ein wesentlicher Teil des Gottesdienstes. Im jüdischen Weltverständnis kommt alles von Gott, daher ist Dankbarkeit ein zentraler Aspekt. So ist etwa im Psalm 30.13 folgendes zu lesen: «Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit».

Ähnlich sieht es auch im Christentum aus. Für Martin Luther war die Dankbarkeit «die wesentliche christliche Haltung». Und auch heute noch werden Christen dazu ermutigt, ihren Schöpfer zu loben und ihm zu danken. Die christliche Dankbarkeit sieht Gott als den «selbstlosen Geber alles Guten». Dankbarkeit ist im Christentum die Anerkennung von Gottes Grossmut und Gnade, die den Christen dazu führt, seine eigenen Gedanken und Taten nach diesen Idealen auszurichten. Die christliche Dankbarkeit soll eine Tugend sein, die nicht nur Emotionen und Gedanken erzeugt, sondern auch zu guten Taten führt. Nach dem englischen Theologen Jonathan Edwards gehören Liebe und Dankbarkeit gegenüber Gott zu den Anzeichen wahrer Religiosität.

Dankbarkeit macht glücklich

Doch man muss nicht zwingend religiös sein, um dankbar sein zu können. Oder sein zu wollen.

«Denn: neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass dankbare Menschen sich subjektiv besser fühlen, dass sie glücklicher und seltener depressiv sind, weniger unter Stress leiden und alles in allem zufriedener mit ihrem Leben und ihren sozialen Beziehungen sind.»
Albin Rohrer

Dankbare Menschen haben zudem ihre Umgebung und ihr persönliches Wachstum besser im Griff, sie haben einen Lebenssinn und ein höheres Selbstwertgefühl. Dankbare Menschen können besser mit Schwierigkeiten und mit Problemen umgehen, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie voller Dankbarkeit Hilfe und Unterstützung annehmen (und auch geben!) können. Wer dankbar sein kann, hat mehr positive Gedanken und mehr positive Gefühle, was schliesslich zu einem ruhigeren und auch gesünderen Leben führt.

Dankbarkeit ist ansteckend

Gemäss Cicero ist die Dankbarkeit nicht nur die grösste aller Tugenden, sondern auch die «Mutter aller anderen Tugenden». Viele Studien haben den Zusammenhang zwischen Dankbarkeit und Wohlbefinden nicht nur für den einzelnen, sondern für alle betroffenen Menschen aufgezeigt. Das heisst: Wenn wir uns gegenüber anderen dankbar zeigen, so freut das beide Seiten und tut allen Beteiligten gut. Wie schön ist es doch, wenn sich jemand für einen kleineren oder auch grösseren Dienst herzlich bedankt. Und wenn sich jemand dankbar zeigt (statt ständig nur motzt und kritisiert), so fällt es einem auch leichter, dieser Person wieder einmal etwas Gutes zu tun.

«Wenn wir uns gegenüber anderen dankbar zeigen, so freut das beide Seiten und tut allen Beteiligten gut. (...) wenn sich jemand dankbar zeigt (statt ständig nur motzt und kritisiert), so fällt es einem auch leichter, dieser Person wieder einmal etwas Gutes zu tun.»
Albin Rohrer

Wie neueste Studien zeigen, ist Dankbarkeit auch ein gutes Mittel gegen Egoismus. Dankbare Menschen sind weniger egoistisch und haben die höhere Bereitschaft, anderen zu helfen oder andere zu unterstützen. Somit dient die Dankbarkeit letztlich allen.

Wofür können wir dankbar sein?

Bleibt noch die Frage, wofür wir dankbar sein könnten. Wahrscheinlich gibt es vieles, was nicht selbstverständlich ist und wo wir uns dankbar zeigen könnten: Ein Lächeln einer Verkäuferin, ein feines Essen zubereitet von einem Familienmitglied, ein angenehmer Arbeitsplatz mit verständnisvollen Vorgesetzten, eine gut funktionierende Beziehung, gesunde Kinder.

Oder noch viel grundsätzlicher: Dass wir genug zu essen und zu trinken haben, dass wir ein Dach über dem Kopf haben und nicht frieren müssen und dass wir medizinisch versorgt sind … Das ist übrigens etwas, worauf Millionen von Menschen weltweit immer noch warten …