Weissdorn
Lesezeit ca. 5 min

Der Weissdorn leuchtet im Mai mit seinen weissen Blüten aus Hecken und Waldrändern. So schön die Blüten auch sind, ihr Duft polarisiert: Betörend, animalisch oder gar nach Fisch riechend – so gehen die Meinungen auseinander.

Weissdorn (Crataegus) wächst als Strauch oder kleiner Baum, er kann bis 500 Jahre alt werden, was für ein Kleingehölz aussergewöhnlich ist.

Im Schutz der Dornen

Dank der Langlebigkeit, des sparrigen, aber schnittverträglichen Wuchses und der eindrücklichen Dornen wurde Weissdorn in früheren Zeiten als Umzäunung von Feldern und Weiden gepflanzt. Die alten Namen Hagedorn oder Zaundorn erinnern daran. Doch Weissdorn hält nicht nur Weidetiere auf der Wiese und Raubtiere daraus fern, sondern bietet in seinem Zweiggewirr vielen Vögeln und Kleinsäugern Schutz. Darüber hinaus finden gut hundert Schmetterlingsarten auf dem Weissdorn Nahrung und Lebensraum.

Bis in die neuere Zeit waren die Menschen überzeugt, dass Weissdorn Haus und Hof vor dunklen Mächten schütze. So wurden oft Weissdornzweige über der Stalltüre befestigt. Den Kelten war der Weissdorn heilig, er galt als Hüter der Anderswelt. Einzelnstehende Weissdornbäume sollten Feen beherbergen und durften deshalb nicht angerührt werden.

Das Holz ist hart und witterungsbeständig. Es wurde für Spazierstöcke, Werkzeugsgriffe, aber auch für Spindeln verwendet. Dornröschen soll sich an einer Weissdornspindel gestochen haben, was ja für die beleidigte dreizehnte Fee naheliegend gewesen wäre.

Weissdorn Beeren

Medizinische Entdeckung

Bereits die Steinzeitmenschen assen die mehligen Beeren und stärkten damit ihre Gesundheit.

«Im Mittelalter war Weissdorn Bestandteil vieler der damals beliebten Lebenselixiere.»
Ursula Glauser-Spahni

Die Beeren galten in der Volksmedizin als gutes Mittel bei Durchfall. Erst im 19. Jahrhundert entdeckte der irische Arzt Dr. Thomas Green das grosse Potential von Weissdorn bei verschiedenen Herzleiden. Anders als die damals üblichen Herzpflanzen, die ihre Wirkung über heikel zu dosierende Herzglykoside ausübten, erwies sich Weissdorn als völlig ungiftig, eignete sich problemlos für eine Langzeittherapie und dies bei ausgezeichneter Wirksamkeit. Im Weissdorn war ein eigentliches Herzpflegemittel entdeckt worden.

Als Hauptinhaltsstoffe finden sich Procyanidine, die eine Oxidation der Blutfette hemmen und so der Verkalkung der Herzkranzgefässe vorbeugen, und Flavonoide, welche die Durchblutung und damit die Sauerstoffversorgung der Herzmuskelzellen verbessern.

Der Herzmuskel wird gestärkt, seine Pumpleistung gesteigert. Zusätzlich schützen die Flavonoide durch ihre antioxidativen Eigenschaften vor freien Radikalen. Weissdorn verbessert zudem das Reizleitungssystem, was zu einer Stabilisierung des Herzrhythmus beiträgt. Ausserdem wirkt Weissdorn krampflösend, beruhigend und nervenstärkend. Er entspannt die Blutgefässe und reguliert den Blutdruck.

Stark fürs Herz

Die Weissdornblüten und Blätter enthalten mehr Flavonoide, die Beeren mehr Procyanidine. Die Gemmotherapie verwendet die sich entfaltenden Frühlingsknospen, die sowohl Blüten als auch Blattanlagen enthalten.

«Die Knospenessenz aus Weissdorn stärkt das Herz bei beginnender Herzmuskelschwäche, wie sie im Alter oder als Folge von Infektionskrankheiten auftreten kann. Sie verbessert die koronare Durchblutung, stärkt den Herzmuskel und stabilisiert den Herzrhythmus.»
Ursula Glauser-Spahni

Sie wird als Herztonikum eingesetzt bei klimakterischen Beschwerden, beim Altersherz, aber auch bei Stress. Ferner stützt sie das Herz bei Asthma oder Emphysem, löst Beklemmung und Krampfbereitschaft bei Angina pectoris und schenkt Ruhe. Nach einer Grippe oder anderen Infektionskrankheit eingenommen, beugt sie einer Herzmuskelschwäche vor. Weissdorn ist Pflege und Stärkung des Herzens, er gibt frische Energie. Geistige Müdigkeit verschwindet ebenso wie erhöhte Reizbarkeit und Nervosität.

Herz und Seele: untrennbar

Herzprobleme treffen den Menschen in seinem Innersten, an seiner verletzlichsten Stelle. In seinem Verständnis des Menschen als Mikrokosmos hat Paracelsus das Herz der makrokosmischen Sonne gleichgesetzt. Lebendigkeit, Freude, Selbstbewusstsein, Vitalität und schöpferische Kraft sind Ausdruck des Herzens, unserer inneren Sonne. Das Herz galt in allen Kulturen als Sitz der Seele. Bereits in der sechsten Woche beginnt das Herz des Embryos zu schlagen, in dem winzig-kleinen Wesen, das zu diesem Zeitpunkt weniger als einen Zentimeter misst.

Obschon die moderne Wissenschaft das Herz zur Pumpe degradiert hat, gilt es den meisten Menschen immer noch als Zentrum der Gefühle. Wir fühlen Angst, Freude, Trauer in der Herzgegend. Auch die Sprache bestätigt es, Herz und seelisches Befinden sind untrennbar: Das Herz hüpft vor Freude, ist schwer von Kummer. Fällt ein Stein vom Herzen, wird es einem leicht ums Herz. Wir verschenken unser Herz, werden mit dem Liebsten ein Herz und eine Seele. Aber wir nehmen uns auch etwas zu Herzen – und das kann Spuren im Organ Herz hinterlassen. Die Hektik der heutigen Zeit schwächt die Energie des Herzens, die Lebensfreude lässt nach, das Leben scheint immer grauer. Spätestens jetzt sollte man mit der Essenz von Weissdorn wieder Sonne in sein Leben bringen.