Eigentlich ist ja längst bekannt, dass überhöhter Zuckerkonsum der Auslöser verschiedener Zivilisationskrankheiten ist. Trotzdem gibt es erst zaghafte Bestrebungen seitens der Lebensmittelindustrie, den Zuckergehalt ihrer Produkte schrittweise zu reduzieren. Aber funktioniert «zuckerfrei leben» überhaupt?
Bei der Vorbereitung aufs Interview wurde ich rasch eines Besseren belehrt: Aus dem Arbeitstitel «Zucker: gesunde Alternativen?» würde schon mal nichts werden. Das bestätigt mir Sabine van’t Hart, Gesundheitscoach, gleich zum Einstieg:
«Manche Zuckerformen haben zwar den Vorteil, dass sie zusätzliche Nährstoffe enthalten; aber im Endeffekt ist deren Auswirkung auf unseren Körper gleich oder mindestens sehr ähnlich wie bei reinem Zucker» Ganz so einfach ist es also nicht. Und trotzdem ist es Frau van’t Hart gelungen, vom berüchtigten Cookie-Monster zu einer gefragten Expertin in Sachen «zuckerfreies Leben» zu werden. Der Schlüsselmoment waren schwere Erkrankungen in der Familie, die sie veranlasst haben, sich intensiv mit Ernährungstheorien und ihren eigenen Gewohnheiten auseinanderzusetzen.
Ihre intensiven Recherchen förderten unter anderem diese möglichen Folgen von zu hohem Zuckerkonsum zutage: Müdigkeit, Übergewicht, Typ-2-Diabetes, erhöhte Blutfettwerte, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Karies und andere mehr. «Ich bin schon sehr erschrocken, als ich realisiert habe, welche Mengen an Zucker wir pro Kopf und Jahr konsumieren: durchschnittlich 44 kg*. Viele Leute benutzen Zucker als Energiequelle oder sind einfach gewohnt, beim Fernsehen etwas Süsses zu geniessen. Dazu kommt aber auch noch die extrem hohe Menge an verstecktem Zucker in unseren Lebensmitteln. Und diese Gesamtmenge ist es, die uns schlussendlich Probleme macht.»
Sie unterstütze ihre Kunden schrittweise dabei, die Ernährung umzustellen. Diese seien immer wieder überrascht, wie rasch sie die positiven Aspekte einer Zuckerreduktion erleben dürfen:
In ihren Beratungen und Seminaren weltweit legt Sabine van’t Hart den Fokus erst mal auf eine Stabilisierung des Blutzuckerspiegels, «damit die Heisshungerattacken aufhören», und ganz speziell auf die riesige Problematik der versteckten Zucker: «Viele Leute haben den Eindruck, dass sie sich eigentlich ganz gesund ernähren: etwa beim Frühstück mit Fruchtsaft, Birchermüesli und Joghurt. Das kann ganz gewaltig täuschen – deshalb investieren wir viel Zeit aufs Lesen der Etiketten, um verstecktem Zucker auf die Spur zu kommen: weil Zucker etwa 60 verschiedene Namen hat. Das ist der einzige Weg, um dafür ein Bewusstsein zu entwickeln.»
Schon fast perfid sei, dass Zucker auch in vielen an sich «salzigen» Produkten wie Tomatensaucen, Pizza, Chips oder Wurst vorkomme, wo man es gar nicht erwarte, «und leider auch in angeblich gesunder Babynahrung.» Mit dem neu erworbenen Wissen werde die folgende Durchforstung des heimischen Küchenschranks zum Augenöffner.
Zucker lässt sich aber nicht komplett vermeiden; das relativiert auch den Begriff «zuckerfreies Leben». Sabine van’t Hart betont denn auch:
*Schweizerische Gesellschaft für Ernährung, 2017
Ann-Brita Dähler
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt als Maximalwerte pro Tag
Männer erreichen ihre empfohlene Tagesdosis schon mit einer einzigen Büchse Coca-Cola (3,3 dl) oder einem Mars Riegel.