Esther Sager betreute während acht Jahren die Hotline für Trauernde des Tierkrematoriums in Seon. Sie erklärt, was beim Trauern um ein verstorbenes Haustier helfen kann.
In unserer Gesellschaft haben viele Haustiere den Stellenwert eines Familienmitglieds, das uns in jeder Lebensphase bedingungslos liebt. Ein Tier bewertet uns nicht – ihm ist es egal, ob wir dick oder dünn, gutaussehend oder hässlich sind. Wie bereichernd ein Haustier sein kann, haben viele durch die Covid-Situation erfahren. Die Zeit, in der wir unsere sozialen Kontakte einschränken mussten, hat einen Haustierboom ausgelöst. Wer sich mit einem Tier abgeben kann, fühlt sich weniger isoliert. Zudem verleiht ein Haustier dem Tagesablauf eine Struktur, die fehlt, wenn es plötzlich nicht mehr da ist.
Das hat damit zu tun, dass Weinen in unserer Gesellschaft als Schwäche gilt. Viele Trauernde haben aber auch Angst, nicht verstanden zu werden. Aussagen wie «Es war doch nur eine Katze!» oder «Kauf dir doch einfach einen neuen Hund!» können sehr verletzend sein. Interessant ist, dass die Scham nicht selten umso grösser ist, desto kleiner ein verstorbenes Tier war. Ich erlebe immer wieder, dass Halterinnen und Halter eines Hamsters sich für ihre Tränen entschuldigten, so als ob nur der Tod eines grossen Tiers zum Weinen berechtigt.
Ich finde es wichtig, dass Menschen, die ihr Haustier verloren haben, sich nicht gegen die Trauer wehren und sich zugestehen, dass die Situation schwierig für sie ist. Hilfreich ist, mit Menschen darüber zu reden, die Verständnis für die Situation haben und den Schmerz nachvollziehen können. Gespräche mit Menschen, die kein Tier halten und die Trauer nicht verstehen, sind meist nicht hilfreich und können sogar dazu führen, dass Freundschaften zerbrechen.
Sie sollen ehrlich mit ihm darüber sprechen und all seine Fragen beantworten. Muss ein Tier euthanasiert werden, würde ich nicht von «einschläfern» sprechen. Das kann bei kleinen Kindern Ängste auslösen und dazu führen, dass sie am Abend nicht mehr einschlafen wollen, weil sie beim Tier gesehen haben, dass es nach dem «Einschlafen» nicht mehr zurückgekommen ist. Besser ist, dem Kind zu erklären, dass das kranke Tier in der Natur schon längst gestorben wäre und die Tierärztin oder der Tierarzt ihm nun beim Sterben hilft.
Ja. Trauernde Erwachsene wissen oft nicht, wie ihnen geschieht. Ihre Trauer ist wie ein reissender Fluss, der sie mitzureissen droht. Die Trauer kann sich manchmal etwas beruhigen, bevor sie wieder heftig wird. Kinder hingegen springen von «Trauerpfütze» zu «Trauerpfütze» und sind dann untröstlich. Dazwischen sind sie schnell unbeschwert. Wie ein Kind trauert, hängt auch von seinem Alter ab.
Neben einem Gespräch mit einer verständnisvollen Person empfehle ich Rituale. Vielen Menschen tut es gut, ihr Tier zur Euthanasie und zum Krematorium zu begleiten, eine Grabstätte zu errichten, eine schöne Urne zu wählen, ein Foto des Tiers aufzuhängen oder einfach eine Kerze anzuzünden. Wenn Trauernde Schuldgefühle haben, weil sie glauben, etwas falsch gemacht zu haben, rate ich, dem Tier einen Brief zu schreiben, den man dem Feuer übergeben oder ins Grab legen kann. Auf der Website des Tierkrematoriums bieten wir Trauernden die Möglichkeit, eine Geschichte oder Erinnerungen an ihren tierischen Freund zu publizieren und eine virtuelle Kerze anzuzünden. Oft trösten sich Trauernde dort gegenseitig.
Das ist individuell. Manche Trauernden nutzen die Zeit, um jetzt Dinge zu tun, die sie vorher mit dem Tier nicht machen konnten. Einige Trauernde wollen nicht sofort ein neues Tier, weil sie dies als Verrat am verstorbenen Tier empfinden. Ich denke aber, dass niemand ein schlechtes Gewissen dafür haben muss, sich bald wieder ein neues Tier zuzutun. Wichtig ist aber die Erkenntnis, dass dieses kein Ersatz für das verstorbene Tier sein kann, weil es ein eigenes Wesen ist.