Wir atmen und essen immer mehr Plastik. Verantwortlich sind – auch – wir selber mit unserem Lebensstil. Passen wir diesen an, tragen wir dazu bei, unser Leben gesünder zu machen. Doch gefragt sind auch Politik und Wirtschaft.

Ausmass vor Augen

Seit ein paar Jahren sammeln wir in unserem Haushalt Plastik. In einem zusätzlichen Sack. Seither ist der Abfallsack für die Verbrennungsanlage deutlich weniger schnell voll. Dies macht bewusst, wie gross der Anteil von Plastik beim Abfall ist. 176 Kilogramm Plastik pro Kopf und Jahr kommen durchschnittlich zusammen. Weltweit sind dies 340 Millionen Tonnen Kunststoff. Liest man diese Zahlen, tauchen solche Bilder vor dem geistigen
Auge auf: von gigantischen Inseln aus Plastik, die in den Weltmeeren schwimmen. Von Stränden, an denen Plastik die Muscheln überdeckt. Und von Tieren, die sich am Plastik verletzen, ihn fressen und daran sterben.

Auch Seen betroffen

Weit weg, weil die Schweiz an keinem Meer liegt? Weit gefehlt. Montserrat Fillela von der Universität Genf widmet sich seit Jahren den Auswirkungen von Plastik auf Süsswasser-Ökosysteme. «Die Seen sind von der Plastikbelastung genauso betroffen wie die Meere», betont sie in einem Interview mit dem Magazin von pro natura.

«Zwar treibt in unseren Seen und Flüssen kein sichtbares Plastik – aber nahezu unsichtbares: Mikroplastik. Dies sind winzige Partikel, kleiner als einen halben Zentimeter, die in die Nahrungsmittelkette und in die Umwelt gelangen.»
Marcel Friedli

So befinden sich im Zürichsee 8133 Milliarden kleinste Plastikteilchen, und der Rhein spült pro Jahr rund zehn Tonnen Mikroplastik ins Meer.

Plastik an sich kann der Gesundheit nichts anhaben und hat viele Vorteile: Es ist gut formbar und vergleichsweise preiswert herzustellen. Gefährlich für die Umwelt – und damit auch für den Menschen – sind jedoch die chemischen Substanzen, welche dem Plastik je nach Verwendungsart beigefügt werden: zum Beispiel Flammschutz-, Verstärkungs- und Füllmittel. Sie machen den Plastik biegsam oder fest, verändern die Farbe.

Vor allem wegen dieser Zusätze dauert es enorm lange, bis Plastik abgebaut ist: zum Beispiel 450 Jahre bei einer Plastikflasche, 50 Jahre bei einem Styroporbecher und bei einer Plastiktüte bis zu 20 Jahre.

Dass Plastikteilchen ins Wasser gelangen, hat mit unserem Lebensstil zu tun. Zum Beispiel mit Fast Fashion, mit schneller Mode: Schweizerinnen und Schweizer kaufen pro Jahr durchschnittlich sechzig Kleidungsstücke, die sie immer weniger lange tragen. Dieser Boom wird genährt mit Kleidern aus Kunstfasern. Diese waschen stark aus, sodass – trotz Abwasserreinigungsanlagen – Unmengen von Partikeln in Gewässer geschwemmt werden.

Bild von Enten, die auf einem See neben einer Pet-Flasche vorbei schwimmen

Spuren im Boden

Der Hauptharst der 5100 Tonnen Plastik, die in der Schweiz in die Umwelt gelangen, wird im Boden abgelagert. Über den Wind werden die Plastikpartikel verteilt, via Niederschlag landen sie im Boden.

Die Hauptursache: Viel Abfall wird liegengelassen; zwei Drittel ist Kunststoff. Dieser zersetzt sich mit der Witterung in Milliarden Einzelteile: Als kaum sichtbare Fremdkörper in unserer Natur – die aber erst Jahrzehnte bis Jahrhunderte spääer verrotten. Tiefe Spuren hinterlassen Autos und Lastwagen, dies wegen des Reifenabriebs. In den letzten dreissig Jahren haben sich so rund 200 000 Tonnen Mikrogummi in der Umwelt angesammelt; davon landen vier Fünftel im Boden und ein Fünftel im Gewässer. Auch dies eine Folge unseres Lebensstils; akzentuiert wird dies mit dem Trend zu schweren Autos – die noch mehr Abrieb verursachen.

Recycling ist schwierig

Plastik in einem separaten Sack sammeln, abgeben – und weitermachen wie gehabt: Recyclen klingt zwar und tut dem Gewissen gut, aber es ist energieintensiv und stösst recht rasch an Grenzen. Glas zum Beispiel lässt sich wesentlich besser und öfter in zufriedenstellender Qualität wiederherstellen. Lebensmittelverpackungen hingegen bestehen oft aus Materialien, die man kaum wiederaufbereiten kann. Ist es dennoch möglich, entsteht daraus minderwertiges Material, das zum Beispiel für die Füsse von Verkehrsschildern verwendet wird.

Man kann es auch positiv sehen: Immerhin wird mit dem gesammelten Kunststoff zu rund zwei Dritteln Granulat gewonnen, das wiederverwertet werden kann. Angepeilt wird zurzeit eine Quote von 70 Prozent, wie es dem Bundesamt für Umwelt vorschwebt. Das gewonnene Granulat wird zum Beispiel für Kunststoffrohre oder Kabelummantelungen verwendet. Ein Teil der Rezyklate wird zudem eingesetzt, um zur Herstellung von Gartenstühlen, Kleiderbügeln, Teppichen und Faserpelzen beizutragen.

Doch: Die meisten Kunststoffe landen in einer Verbrennungsanlage oder im Ausland auf einer Müllhalde. Von den über acht Milliarden Tonnen Kunststoff, die seit den 1950er-Jahren produziert worden sind, wurde knapp ein Zehntel Prozent rezykliert.

«Auch in der Schweiz ist es wenig, etwas mehr als zehn Prozent: Lediglich 80 000 Tonnen von rund einer Million Tonnen Plastik werden stofflich verwertet. Der Rest wird als Abfall entsorgt, vor allem verbrannt.»
Marcel Friedli

Dies vor allem darum, weil sich Verbindungsstoffe häufig kaum trennen lassen. So ist es meist auch mit jenem Plastik, den wir in den Säcken sammeln und so unser Gewissen beruhigen.

Lange Zeit wurde Plastikabfall nach Asien verschifft. 2018 hat China schärfere Regeln eingeführt, worauf die Importe sanken – und der Müll fortan nach Malaysia, Thailand und Vietnam transportiert wurde. Nun haben auch diese Länder angekündigt, den Import zu verbieten.

Umdenken übers Portemonnaie

Darum sind jetzt Lösungen vor Ort nötig. Im Herbst 2019 hat das Schweizer Parlament die Regierung verpflichtet, gemeinsam mit den produzierenden Branchen Massnahmen zu prüfen und zu ergreifen, um Plastikverpackungen und Einwegkunststoffe innert nützlicher Frist erheblich zu reduzieren. In der Europäischen Union setzt man vor allem aufs Recycling: Bis 2030 sollen alle Plastikprodukte wiederverwendet werden können. Die europäische Grüne Partei fordert hingegen eine Plastiksteuer, um ein Umdenken zu bewirken: sowohl bei den Konsumenten als auch bei der Industrie.

Da von den Politikerinnen und Politikern nur zaghaftes Angehen erkennbar ist, sind zivile Initiativen notwenig. So haben sich zum Beispiel 2016 mehr als 1400 Organisationen zu «Break free from Plastic» formiert. Mit Aktionen und Aufklärung weisen sie auf die Problematik hin und erinnern  Konsumgüterkonzerne und Plastikproduzenten an ihre Verantwortung.

Kleine grosse Dinge

Verantwortung hat man auch als einzelner Konsument. Um dies alltagstauglich wahrnehmen zu können, kann man sich auf eine Plastikmatrix stützen. Diese beruht auf folgendem Gedanken: Je mehr Schaden ein Artikel auslöst, desto mehr lohnt es sich, eine plastikfreie Alternative zu finden. Eine weitere Rolle spielt, wie lange man einen Artikel gebraucht.

Bild einer jungen Frau, die im einem unverpackt-Laden einkauft

Betrachtet man diese beiden Aspekte, ist es angemessen, zum Beispiel Einwegwindeln, Plastiktüten, Kaffeekapseln, Einwegflaschen und -besteck, Plastikröhrli etc. zu vermeiden oder zu ersetzen. Weiter kann man Plastik sparen, wenn man auf dem Markt oder in Unverpackt-Shops einkauft und eigene Taschen mitbringt, um die Einkäufe nach Hause zu bringen. Oder indem man nur wenn nötig neue Kleider kauft und auf Secondhand setzt. Sich mit dem noch gut funktionierenden Smartphone zufrieden zu geben, ist eine weitere Option. Wer ein geschicktes Händchen hat, kann Kaputtes reparieren und damit der Wegwerfmentalität ein Schnippchen schlagen.

Kleine Dinge. Doch wenn viele Menschen viele kleine Dinge tun, kann dies Grosses bewirken – erst recht, wenn auch Politik und Wirtschaft mitziehen.