Es gibt immer mehr Alternativen zu tierischem Leder. Die innovativen Materialien werden unter anderem aus Ananas, Äpfeln, Kaffee oder Pilzen hergestellt.

Um vorab etwas richtigzustellen: Veganes Leder gibt es eigentlich nicht. Leder ist per Definition eine gegerbte Tierhaut, also immer tierischen Ursprungs. Der Begriff «veganes Leder» ist demnach ein Widerspruch in sich. Aber um Wortklauberei soll es hier nicht gehen, sondern darum, dass die Suche nach Alternativen zu echtem Leder mittlerweile zahlreiche innovative Lösungen hervorgebracht hat.

«Eine begrüssenswerte Entwicklung, denn die industrielle (Billig-)Lederproduktion steht schon lange in der Kritik: Der Einsatz von giftigen Chemikalien bei der Gerbung und der hohe Wasserverbrauch sind für Mensch und Umwelt zu einer enormen Belastung geworden.»
Susanne Lieber

Der Ersatz von Kunstleder, das aus synthetischen Kunststoffen wie Polyurethan oder PVC besteht, ist jedoch keine adäquate Alternative. Darum gehört Materialien aus biobasierten und nachhaltigen Rohstoffen die Zukunft. Bei vielen neu entwickelten Lederimitaten sind zwar immer noch Bestandteile aus nicht biobasierten Rohstoffen enthalten, aber viele Unternehmen arbeiten fieberhaft daran, diese zu reduzieren oder – wenn möglich – gänzlich darauf zu verzichten. Wir stellen hier einige dieser Materialien vor.

Ananasblätter als Leder-Alternative

Aus den Fasern von Ananasblättern, die als Nebenprodukt der Ananasernte auf den Philippinen anfallen, stellt das Unternehmen Ananas Anam (Hauptsitz in London) das Material «Piñatex» her. Neben den Pflanzenfasern besteht der Vliesstoff zu etwa 20 Prozent aus einem Kunststoff, der auf Maisstärke basiert. Für die Produktion des Materials werden die Pflanzenblätter, die nach der Ananasernte zurückbleiben, abgeschnitten und die langen Fasern herausgelöst. Diese werden gewaschen und getrocknet. Durch einen weiteren Reinigungsprozess entsteht daraus ein flockiges Material, das mit dem Kunststoff gemischt wird und so die Grundlage aller Piñatex-Kollektionen bildet. Als Rollenware wird das Material dann in Europa veredelt und weiterverarbeitet.

Leder aus Ananasfasern

Entwickelt wurde die Innovation von der spanischen Designerin und Unternehmerin Carmen Hijosa, die in den 1990er-Jahren als Lederexpertin tätig war. Die negativen Auswirkungen der Lederindustrie für die Umwelt veranlassten sie jedoch, nach einer nachhaltigeren Alternative zu suchen. 2021 wurde sie für den Europäischen Erfinderpreis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert. Anwendung findet Piñatex bei Schuhen, Taschen, Bekleidungen und Polstermöbeln. Zu den Kunden zählen unter anderem namhafte Labels wie Hugo Boss.

Recycling von Apfeltrester

Aus den Resten von Äpfeln, die vor allem bei der Saftproduktion in grossen Mengen anfallen, lässt sich ebenfalls ein lederähnliches Material herstellen. So zum Beispiel die «AppleSkin» des Unternehmens Frumat. Gegründet wurde es von Hannes Parth.

«Bereits seit 15 Jahren feilt der Südtiroler an seinem innovativen Material, das früher oder später auf rein pflanzlichen Inhaltsstoffen basieren soll. Momentan wird allerdings noch Kunststoff zur Stabilität benötigt.»
Susanne Lieber
Veganes Leder aus Apfeltrester

Der sogenannte Trester (die festen Rückstände der Äpfel) wird damit angereichert und auf ein Trägermaterial wie Baumwolle, Bambus oder recyceltem Polyester aufgebracht. So erhält der Stoff die gewünschte Reissfestigkeit. Die typische Lederstruktur wird mittels Schablone auf die Oberfläche aufgebracht.

Ebenfalls aus Apfeltrester wird das lederähnliche Material «Leap» vom Unternehmen Beyond Leather hergestellt. Es besteht aus 84 Prozent biobasierten Bestandteilen.

Nützliche Haut der Kaffeebohne

Was Kaffee mit Autos zu tun hat? Für Ingenieurin Martina Gottschling, Forscherin der VW Group Innovation, eine ganze Menge. Für den Autokonzern ist sie auf der Suche nach tierfreien und recycelten Materialien, die als Lederersatzstoffe für Autositze, Zierverkleidungen und Lenkradbezüge taugen. Denn auch in der Autoindustrie wird der Ruf nach umweltfreundlicheren Materialien immer lauter.

«Für ihre Grundlagenforschung hat Martina Gottschling mitunter die Kaffeebohne ins Visier genommen. Oder genauer gesagt: das Silberhäutchen, das die Kaffeebohne ummantelt und als Reststoff bei der Röstung anfällt.»
Susanne Lieber

Diese Häutchen eignen sich bestens als natürlicher Füllstoff bei der Herstellung von Kunstleder. Damit ist das Kunstleder zwar nicht vollständig nachhaltig, aber der Anteil an erdölbasierten Inhaltsstoffen kann damit zumindest reduziert werden.

Auch aus Kaffeebohnenhäutchen lässt sich eine Art Leder herstellen.

Ebenfalls mit Kaffee experimentiert das Münchner Schuhlabel nat-2. Zusammen mit einem Tiroler Betrieb, der aus gebrühtem Kaffeesatz sogar Tapeten herstellt, sind Sneakers entstanden. Bis zu 30 Prozent Kaffeeanteil steckt in den Schuhen. Der Rohstoff stammt von Cafés aus der Umgebung, was den grossen Vorteil hat: Der Rohstoff kann dadurch zügig weiterverarbeitet werden und schimmelt nicht so schnell.

Anstatt Wildleder Pilze aus Transsylvanien

Optisch und haptisch erinnern die Produkte des Labels Zvnder an Wildleder.

«Allerdings handelt es sich auch hierbei um keine Tierhaut, die verwendet wird, sondern um einen speziellen Baumpilz: den Zunderschwamm. Daraus entwickelte Designerin Nina Fabert, die bereits während ihres Studiums eingehende Material- und Verarbeitungsstudien zu diesem Pilz betrieb, das Material <Fungiskin>.»
Susanne Lieber

Geerntet wird der Rohstoff in Rumänien, genauer gesagt in Siebenbürgen (Transsylvanien). Dort kommt der Pilz häufig vor und wird seit Generationen verarbeitet. Um den Arterhalt des Pilzes zu sichern, werden die Fruchtkörper des Pilzes vorsichtig von den Stämmen gelöst und die Bäume auch entsprechend gepflegt. Da der Pilz einen hohen Luftanteil aufweist, fühlt sich das Material ausgesprochen weich und leicht an. Im gesamten Herstellungsprozess werden keine chemischen Stoffe eingesetzt.