Partnerschaften können in eine schier ausweglose Sackgasse geraten. Die Ursache liegt oft in der Art der Gesprächsführung.
Jean-Pierre Gasser und Chantal Rohner (Namen geändert), hatten sich einige Jahre nicht mehr gesehen und begegneten sich an einem mehrtägigen Weiterbildungsseminar wieder. Sie hatte damals ihre kaufmännische Ausbildung in jener Firma gemacht, in der Gasser als Abteilungsleiter angestellt war. Sie hatte sich zu einer attraktiven Frau mit einem selbstsicheren Auftreten entwickelt. Dies faszinierte Gasser. Nach dem ersten Seminartag trafen sie sich an der Hotelbar zu einem Drink und erinnerten sich an die gemeinsamen Jahre im gleichen Unternehmen. Der Barpianist spielte romantische Evergreens. Am zweiten Abend übernachtete Jean-Pierre Gasser nicht in seinem Zimmer. Am anderen Morgen plagten ihn Gewissensbisse. Der Seitensprung hätte nie und nimmer passieren dürfen. Zu Hause hatte er eine Frau und zwei Töchter im Teenager-Alter.
Wie hatte es überhaupt so weit kommen können? Dass seine Frau schon seit Jahren kaum mehr auf seine Annäherungsversuche im Bett reagierte, machte ihm sehr zu schaffen. Wenn er mit ihr schlafen wollte, drehte sie sich brüsk weg. Mittlerweile lebten sie nebeneinander her. Wegen den Töchtern blieb Gasser noch bei seiner Frau, aber innerlich war er schon vor Jahren zu ihr auf Distanz gegangen. So war er empfänglich für einen Flirt mit der attraktiven Chantal Rohner. Der Alkohol an der Bar half mit, die letzten Bedenken zu betäuben.
Bei langjährigen Verbindungen sind dauerhafte Disharmonien keine Seltenheit. Knapp die Hälfte der Befragten gab in einer Untersuchung an, in der Partnerschaft unglücklich zu sein. Nicht immer sind Schwierigkeiten mit dem körperlichen Liebesleben, wie beim Ehepaar Gasser, der Hauptgrund. Die Ursache liegt vielfach in der Routine.
Blumen sowie andere Aufmerksamkeiten gibt es nur noch zum Geburtstag. Wenn sich dann eine entsprechende Situation ergibt, kann es zu einem Seitensprung oder einer Aussenbeziehung kommen, die das ohnehin morsch gewordene Beziehungsfundament weiter untergräbt.
Bei manchen Paaren bedeutet dies das endgültige Aus für eine Partnerschaft, die längst nur noch eine Zweckgemeinschaft war. Für andere ist es ein alarmierender Weckruf, um an ihrer Beziehung zu arbeiten.
Die Aussenaffaire hat oft eine jahrelange Vorgeschichte innerhalb der Beziehung.
Die Kinder, die Schwiegereltern, der Haushalt sowie die Berufstätigkeit stellen hohe Anforderungen, viele Aufgaben müssen gelöst und Entscheidungen getroffen werden. Eventuell absorbiert auch noch die Tätigkeit in einem Verein einiges an Freizeit. Die vielen Verpflichtungen führen zu einer gewissen inneren Anspannung. In manchen Momenten kann der Tonfall gereizt ausfallen.
Eine entsprechende Formulierung klingt dann etwa so: «Seit einer Woche versprichst du mir, die Winterpneus wechseln zu lassen, wie oft muss ich es dir noch sagen?!» Ein andererVorwurf könnte etwa so lauten: «Manchmal frage ich mich, wozu ich einen Mann habe, wenn ich doch alles Schwierige alleine erledigen muss.» Auf diese Vorhaltungen fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. Es kann zu schmollendem Schweigen kommen. Auch eine Verteidigungshaltung ist möglich: «Wenn mein Chef viele Überstunden von mir verlangt, kann ich unmöglich auch noch zum Reifenwechsel in die Garage fahren». Es kann auch zu einem Gegenangriff kommen: «Du kommst mir gerade recht mit deinen Vorwürfen, nicht mal richtig kochen kannst du, aber im Stellen von Forderungen bis du Meisterin!»
Aus einer bissigen Bemerkung wird im Nu ein handfester Streit. Die Vorwürfe wirken verletzend, genauso schwerwiegend sind die Herabwürdigung und die Entwertung des Partners oder der Partnerin. Die Kritik ist nicht lediglich auf ein bestimmtes aktuelles Verhalten bezogen, etwa den unerledigten Reifenwechsel oder die vermisste Unterstützung bei Schwierigkeiten, es stellt die ganze Person infrage. Wer hört sich schon gerne die Unterstellung an, nicht mal richtig kochen zu können?
Der Vorwurf mit den noch nicht getauschten Reifen klingt wie eine genervte Mutter, die mit ihrem widerspenstigen Kind spricht: «Wie oft muss ich es dir noch sagen?!» Wer lässt sich als Partner schon gerne als Kind behandeln?
Meinungsverschiedenheiten kommen in jeder gesunden Partnerschaft vor.
Wenn dagegen der Gesprächseinstieg mit einem gereizten Tonfall beginnt, wird die andere Person reflexartig eine Abwehrhaltung einnehmen. Am besten beginnt man mit seiner eigenen Sichtweise, so kann die Partnerin oder der Partner die Ursache des Konflikts besser nachvollziehen. Vielleicht hat der Mann gar nie bemerkt, dass seine Frau von ihm mehr Unterstützung in schwierigen Situationen erwarten würde. Oder die Frau wusste nicht, dass ihr Mann wegen der vielen Überstunden noch nicht dazu gekommen ist, den Wagen in die Garage zu bringen, es war nicht Nachlässigkeit und leichgültigkeit, wie sie vermutet hatte.
In vielen Partnerschaften finden diese klärenden Gespräche nicht statt; früher oder später kommt es wieder zu genervten Vorwürfen.
Es stehen ständig Vorwürfe im Raum, die ungeklärt bleiben. Ein Klima der Unzufriedenheit herrscht vor. Der Umgangston ist vermehrt gereizt, die Nörgeleien nehmen zu, die Offenheit füreinander ist rückläufig. Beide Partner begeben sich in eine innere Schutzhaltung, weil sie ständig auf brüskierende Äusserungen gefasst sind.
Dabei entwickelt sich eventuell eine Negativspirale, aus der das Paar nur schwer wieder herausfindet: Es kommt zu einem Gewirr von Verletzungen, Frustrationen sowie Schuldzuweisungen und zu immer mehr Frustrationen. Aus dem ursprünglichen Feuer der Liebe wird eine kleine Sparflamme. Die Partner distanzieren sich gefühlsmässig voneinander, die gegenseitige Loyalität wird innerlich aufgekündigt. In Gedanken wird eine mögliche Trennung durchgespielt.
Es mangelt mittlerweile in der Beziehung an Wertschätzung und an Solidarität. Manche Paare gehen in dieser Phase auseinander, weil das Klima in der Beziehung auf Dauer unerträglich ist und weil sie keinen anderen Ausweg aus dem Dilemma finden. Zudem steigt das Risiko von Flirtavancen nach aussen, weil unbewusst gehofft wird, dass bei einer anderen Person die Grundbedürfnisse nach Anerkennung und Wertschätzung eher erfüllt würden.
Um weniger in eine verfahrene Situation in der Partnerschaft zu kommen, sind frühzeitige klärende Gespräche sehr wichtig. Zudem raten Paartherapeuten zu häufigen Zeichen der Wertschätzung, damit die Partnerin oder der Partner nicht den Eindruck bekommt, alles falsch zu machen. Wer für sich selber eine Liste mit fünf angenehmen Eigenschaften der Partnerin oder des Partners notiert, wird rasch auf Gründe kommen, die öfters ein Lob verdient haben.