Trennen tut weh – es braucht Zeit, den Schmerz zu verarbeiten. Zwar gibt es die perfekte Trennung nicht. Aber man kann lernen, wie man das stil- und respektvoll tut: auf Augenhöhe.

Als ich mich das erste Mal verliebte, war ich fünfzehn. Der Versuch, eine Beziehung zu führen, dauerte drei Monate. Lange knabberte ich daran, bis ich das jähe Ende verarbeitete. Solche und ähnliche Geschichten aus dem (Liebes-)Leben können vermutlich fast alle erzählen. Sie sind der Stoff vieler Romane, Liebeslieder und Filme. Lässt man sich auf eine Liebesgeschichte ein, schwingt stets das Risiko mit, dass sie nicht für immer ist. Denn das ist selten der Fall.

«Trennungen können Menschen in tiefe Krisen stürzen, in denen sie alles hinterfragen. So hart dies ist, so viel lernt man bei jeder Trennung hinzu.»
Marcel Friedli-Schwarz

Davon ist der Psychologe Raffael Berchtold überzeugt. Die «Schweizer Hausapotheke» will von ihm wissen: Geht es auch ohne Drama, wenn sich die Wege von zwei erwachsenen Menschen trennen? Seine Aussagen lassen hoffen – wenigstens ein bisschen.

Raffael Berchtold, gibt es die perfekte Trennung?

Nein. Perfektion gibt es hier nicht. Höchstens auf Augenhöhe. Wenn zum Beispiel beide merken, dass sie sich auseinandergelebt haben und die Basis für den weiteren gemeinsamen Weg nicht mehr gegeben ist.

Wie geht das: auf Augenhöhe?

Ich weiss von einem Paar, das sich sehr bewusst getrennt hat: mit einem Ritual. Sie sagten einander, was ihnen die Beziehung bedeutet. Was sie gelernt, was sie positives erlebt haben.

«Das ist der Idealfall: sich bewusst zu trennen. Reflektiert, im Dialog. Wertschätzend.»
Raffael Berchtold
Psychotherapeut

Wenn das bei allen Paaren so abliefe, käme kaum jemand deswegen in eine Beratung.

Trennungen in allen Variationen, das ist ein Dauerbrenner. Das Thema begegnet uns in diversen Varianten: Etliche tragen sich mit dem Gedanken an Trennung, sind in einem Prozess, in dem wir sie darin unterstützen, den für sie stimmigen Weg zu finden. Hie und da will sich ein Paar dabei begleiten lassen, es noch einmal zusammen zu versuchen.

Wie gut vermögen sich Ihre Klient*innen zu trennen?

Das kann man meist nicht einfach so. Wie bei vielem braucht es dazu Kompetenzen, die man durch Erfahrungen erwirbt. Bei der allerersten Trennung geht man die Sache wahrscheinlich anders an als bei späteren. Wobei es eine schwierige und herausfordernde Geschichte bleibt – es gibt kein Patentrezept.

Inwiefern spielen Vorbilder eine Rolle?

Ist man Scheidungskind und hat den Rosenkrieg seiner Eltern miterlebt, kann dies Trennungsängste und Unsicherheiten verstärken. Hat man indes mitbekommen, dass sie sich im Guten trennten, ist Trennung vermutlich weniger negativ behaftet – man geht es unbeschwerter an.

Sie haben von Kompetenzen gesprochen, die bei Trennungen nötig sind.

«Nach einer Trennung ist man desillusioniert, verletzt. Man ist bestürzt, hässig, traurig. Bis man es verarbeitet, eingeordnet, verdaut hat, kann es lange dauern. Der Trennungsschmerz kommt oft in Wellen.»
Raffael Berchtold

Und auch wenn jede Trennung schmerzhaft ist, lernt man dabei etwas, das einen letztlich stärkt – und das allenfalls bei einer nächsten Trennung helfen kann. Man erwirbt sich Kompetenzen, die helfen, eine Trennung so gut wie möglich über die Bühne zu bringen.

Wurde man frisch sitzengelassen, kann man das kaum glauben.

Allerdings. Vor kurzem kam eine Person in meine Beratung, die sehr verloren war, nachdem sie verlassen worden war. Sie hatte das Gefühl, ihr sei ein Stück von sich herausgerissen worden. Trotzdem verlangte sie von sich, dass sie drüberstehen müsse.

Wie verbreitet ist diese Haltung?

Ziemlich verbreitet. Wer stellt sich schon freiwillig Gefühlen, die nicht gern gesehen und erlebt werden – gerade, wenn dies in der Erziehung als Schwäche eingestuft wurde?

Wie verarbeitet man eine Trennung?

Die Person, die ich vorhin erwähnt habe, versuchte nach dem Schock die Gründe herauszufinden. Es ist brutal, von einem auf den anderen Tag verlassen zu werden. Aus heiterem Himmel. Das kann das Vertrauen in sich selbst und in die eigene Wahrnehmung erschüttern. Darum suchte sie das Gespräch. Doch man blockte ab.

Das ist hart.

Ja, man wünscht sich abgerundete Geschichten mit abschliessenden, bestenfalls versöhnenden, Gesprächen. So kann man leichter Abschied nehmen. Doch dazu müssen beide bereit sein.

Gibt es auch einen Teil, den man für sich leisten kann?

Nach dem Schock geht es darum, einzuordnen, zu verstehen. Was ist mein Anteil? Welche Erfahrungen stecken dahinter, dass ich so verletzt bin? Und: Warum gab es keine andere Option als die Trennung? So kann man etwas über sich selbst erfahren. Besser, als sich gleich in die nächste Beziehung zu stürzen.

Nach der Trennung: Wie gehe ich damit um?

Scheiden tut weh: sowohl jener Person, die verlassen wird – als auch jener, die verlässt. Wenn es schmerzt, wünscht man keine Rat-Schläge. Diese sind zwar gut gemeint, werden aber doch als Schläge empfunden.

Mit etwas Abstand kann es allenfalls helfen, sich das eine oder andere zu Herzen zu nehmen:

Emotionen wahrnehmen

Nach einer Trennung ist man enttäuscht, wütend, fühlt sich ohnmächtig, traurig. Lassen Sie diese Gefühle zu. Es ist der Situation angemessen, dass Ihre Emotionen Achterbahn fahren und Sie aus der Bahn werfen. Wo und wie spüren Sie diese Emotionen? Nehmen Sie sie entgegen, auch wenn sie nicht Wunschprogramm sind. Verändern sie sich? Beobachten Sie die Gefühle. Versuchen Sie, sie aus der Distanz zu betrachten, von aussen. Und sich nicht mit ihnen zu identifizieren.

Respekt wahren

Verhalten Sie sich selbst gegenüber respektvoll, auch wenn Sie in einem Loch sind: Achten Sie auf sich. Verurteilen Sie sich nicht, obwohl Sie das eine und andere bereuen. Niemand ist perfekt. Gehen Sie sorgsam mit sich um. Meiden Sie Alkohol und Drogen sowie Verhalten, das Sie schwächt und schädigt. Wahren Sie den Respekt vor der Person, bei der es zur Trennung kommt. Auch, wenn Sie sich verletzt oder verraten fühlen. Falls Kinder im Spiel sind, ist ein Rosenkrieg besonders verheerend.

Aufzeichnen

Notieren Sie, zeichnen, malen Sie, nehmen Sie via Handy auf, was in Ihnen vorgeht: Gedanken, Emotionen, Erinnerungen an die Zeit mit der Person, von der Sie nun getrennt sind. Schreiben Sie einen Brief, ungefiltert. Diesen dann aber besser nicht abschicken, sondern verbrennen. Das hilft beim Ver- und Aufarbeiten.

Ablenken

Es ist dienlich, sich mit den Gefühlen auseinanderzusetzen, welche durch die Trennung ausgelöst werden. Doch begrenzen Sie diesen Zeitraum zum Beispiel auf eine Viertelstunde pro Tag. Machen Sie etwas, das Sie gern tun: spazieren, Musik hören, sich Ihrem Hobby widmen, einen Freund treffen. Meiden Sie Orte und Gewohnheiten, die Sie zu sehr an diese Person erinnern.

Sich Zeit lassen

Lassen Sie sich die Zeit, die Sie benötigen, um die Geschichte zu verarbeiten. Vielleicht erkennen Sie im Nachhinein, dass Sie dadurch einiges gelernt haben.

Hilfe annehmen

Lassen Sie sich helfen. Allenfalls professionell, wenn Sie über längere Zeit traurig und niedergeschlagen sind.

Neu orientieren

Verliert man die Partnerin oder den Partner, gerät einiges ins Wanken. Das kann die Chance sein, sich neu zu orientieren: Was ist mir wichtig in meinem Leben? Was sind meine Bedürfnisse?