Was ist der häufigste Grund für Trennungen und Scheidungen? Genau: Untreue. Um diese zu verhindern, sollte jedes Paar regelmässig über die gemeinsamen Bedürfnisse sprechen – und Abmachungen treffen.
Romantische Rendez-vous und sexuelle Abenteuer im Geheimen und Versteckten – ohne dass die Ehefrau oder der Freund davon weiss: Dass kommt vor. Und auch, dass es wohl häufiger geschieht, als bekannt ist. Nicht selten bedeutet ein Seitensprung – wenn er denn ans Licht kommt – das Ende der Beziehung oder Ehe.
Wahre Liebe jedoch ist an keine Bedingungen geknüpft; sie lässt frei: Liebe ich einen Menschen wirklich, sperre ich ihn nicht in einen Käfig – auch wenn er noch so golden scheint.
Die meisten Paare gehen vom monogamen Modell aus: Küssen, Petting und Beischlaf erfolgt exklusiv mit der Partnerin beziehungsweise dem Partner. Dies hat seinen Sinn: Gemeinsame Sexualität vertieft die Beziehung. Denn dabei wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Zudem hat das Ein-Partner*in-Modell mit gesellschaftlicher Prägung zu tun: Monogamie ist seit Jahrhunderten überliefert und kirchlich-religiös begründet. Offene Partnerschaften hingegen gelten als anrüchig, verwerflich, krank und sündig.
Treue wird oft aus der moralischen Optik betrachtet: Laut Tim Wiesendanger leitet sie sich aus dem Mythos Monogamie ab. Er hat ein Buch über die Thematik verfasst: Abschied vom Mythos Monogamie. In diesem plädiert der Psychotherapeut dafür, frei zu wählen: Sich beim Lieben davon leiten zu lassen, dass es sich für einen selbst und als Paar stimmig anfühlt. Sei dies nun exklusiv mit einer Partnerin oder einem Partner – oder mit mehreren Partner*innen.
Tim Wiesendanger hält Monogamie für einen Mythos. Dieser besagt seiner Ansicht nach, dass eine möglichst lebenslange, monogame Liebesbeziehung als moralisch wertvoller gilt als eine offene Beziehung. Trotz dieser verbreiteten gesellschaftlichen Wertung: Das Neue, Prickelnde, Spannende lockt – der Reiz des Verbotenen. Und wer polygame Modelle befürwortet, argumentiert wie folgt: Aus wissenschaftlicher Sicht deutet viel darauf hin, dass sich die meisten von Natur aus nicht auf eine Partnerin oder einen Partner beschränken mögen.
Oft wird Treue mit sexueller Treue gleichgesetzt. Aber Treue – oder Untreue – ist zweischichtig.
Sexuelle Untreue besteht in sexueller Interaktion mit einer anderen Person, die ausserhalb der Beziehungsvereinbarung liegt. Emotionale Untreue umfasst nicht-sexuelles Verhalten, das unausgesprochenen Erwartungen oder Abmachungen widerspricht: Zum Beispiel wenn man für jemand anderes romantische Gefühle hegt, sich spezielle Vertrautheit und Nähe entwickelt und man sich besonders unterstützt.
Beide Sorten von Untreue können bei der Partnerin oder beim Partner zu starken emotionalen Reaktionen führen.
Manche fühlen sich einem Menschen vor allem emotional verbunden – wünschen sich aber doch, Romantik und Sexualität (auch) mit einem anderen Menschen zu leben. Dies ist höchstens mit der moralischen Brille ein Widerspruch.
Auf tiefgründiger Ebene sind offene Liebesbeziehungen ein Gewinn – sofern beide Partner*innen diesem Konzept zustimmen. Sind beide monogam unterwegs, ist dies ebenso richtig und wertvoll.
Um die freie Wahl zu ermöglichen, ist es nötig, über die emotionalen und sexuellen Bedürfnisse zu sprechen – und darüber, wie man sie umsetzen will. Es geht darum, gemeinsam einen Konsens finden – wie auch immer er sich gestaltet. Also zu vereinbaren, wie man in der Partnerschaft damit umgehen will. Dabei kann gelten: «Don’t ask, don’t tell» (Frag nicht, erzähl nicht). Oder auch, dass man sich im Gegenzug alles erzählt.
Sich alles zu erzählen: Das gilt dann nicht nur (je nach Vereinbarung) bei offenen Beziehungen, sondern auch bei monogamen. Zum Beispiel dann, wenn sich eine der beiden Personen verliebt oder eine erotische Episode erlebt.
Dann kommt es zu Drama, Frust, Kummer und Verletzung und es gibt nur Verliererinnen und Verlierer. Allenfalls führt die Untreue gar zu Kindern. Auf deren Leben ist schon zu Beginn ein Schatten geworfen, falls sie nicht sicher wissen, wer ihr Vater ist.
Zwar braucht es Mut, zu sich und zu seinen Bedürfnissen zu stehen. Doch es lohnt sich – für eine langfristige Liebesbeziehung.
Was können Sie tun, um sich und Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner Kummer, ein schlechtes Gewissen oder allfällige gesundheitliche Folgen zu ersparen? Und wie können Sie vermeiden, dass Kinder ausserhalb sicherer Beziehung geboren werden? Vorbeugen in vier Schritten:
Literatur: Tim K. Wiesendanger. «Abschied vom Mythos Monogamie. Wege zur authentischen Beziehungsgestaltung», Querverlag.