Fällt die Nickhaut vor und schiebt sich vor das Auge, ist mit der Katze etwas nicht in Ordnung. Ob ein Nickhautvorfall vorliegt, klärt der Tierarzt/die Tierärztin. Wer sein Büsi regelmässig entwurmt und gegen Katzenschnupfen impft, beugt vor.

Was ist ein Nickhautvorfall?

Armer Mikesch. Bereits zum vierten Mal in Folge ist das Auge des jungen Katers hälftig mit einer dünnen weissen Schicht belegt.

Sein Besitzer weiss mittlerweile, dass es sich dabei um einen «Nickhautvorfall» handelt und sucht einen Tierarzt auf. «Die meisten Haustiere haben eine Nickhaut, auch drittes Augenlid genannt», erklärt Jürg Bolliger, Tierfacharzt für Augen­erkrankungen an der Tierklinik Mittelland in Oftringen.

«Die Nickhaut, oder Membrana nictitans, ist eine Bindehautfalte am inneren Augenwinkel der Katze. Sie beinhaltet eine Tränendrüse und einen Stützknorpel und dient als Schutzmembran. Ist das Katzenauge wegen einer Hornhautverletzung, einem Fremdkörper oder einer inneren Augenentzündung beeinträchtigt, kann sie vorfallen und die Linse ganz oder teilweise bedecken.»
Jürg Bolliger
Tierfacharzt für Augenerkrankungen

Zusätzlich kann wässriger, schleimiger oder eitriger Ausfluss aus dem Auge tränen.

Dass Mikesch zum Tierarzt gebracht wurde, ist gemäss Bolliger wichtig:

«Ein Nickhautvorfall kann schwerwiegende Ursachen haben.»

Hinzu kommt, dass der Vierbeiner durch die vorgeschobene Nickhaut in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist. Selbst ein einmaliger Nickhautvorfall kann sich negativ auf das Sehvermögen einer empfindlichen Katze auswirken.

Eine ungewöhnlich vorgelagerte Nickhaut ist keine Erkrankung, sondern ein Symptom. Auslöser können verschiedene Krankheiten sein. Je nach Ursache kommt ein Nickhautvorfall einseitig oder beidseitig vor.

Unterschiedliche Auslöser

Ist der Vorfall einseitig, stimmt meist etwas mit dem betroffenen Auge nicht. «Dabei handelt es sich häufig um eine Bindehaut­entzündung als Folge einer Rangelei unter Katzen. Aber auch neurologische Probleme etwa wegen einer Mittelohr­entzündung sind möglich, das sogenannte Horner-Syndrom», sagt der Tierfacharzt und ergänzt: «In seltenen Fällen sind Tumore im Bereich der Nickhaut oder in der Augenhöhle die Auslöser.»

Es kommt auch vor, dass sich keine eindeutige Ursache ermitteln lässt oder der Vorfall spontan wieder abheilt.

Von einem Haw-Syndrom sprechen die Fachleute, wenn ein beidseitiger Nickhautvorfall ohne weitere Krankheits­symptome vorliegt.

«Dafür verantwortlich können Magen-Darm-Probleme sein, verursacht etwa durch einen Parasitenbefall.» Ferner kann ein beidseitiger Nickhautvorfall auf einen schlechten Allgemein­zustand der Katze hinweisen, oder es liegt eine Virus­erkrankung vor. Psychische Probleme wie Stress und Belastungen gelten neben den organischen Ursachen als Auslöser.

Wie wird behandelt?

Zunächst untersucht der Veterinär/­die Veterinärin die Katze auf eine bestehende Krankheit als Ursache, um je nach Diagnose eine Therapie festzulegen. Bolliger ergänzt: «Sehr häufig sind Verletzungen an Horn- und Bindehaut, die eine Antibiotika­therapie erfordern. Ist das Auge entzündet, sind entzündungshemmende Medikamente nötig. Herpesvirus­infektionen behandelt man mit Virostatika, einem antiviralen Medikament.» Und er fügt an: «Liegt ein beidseitiger Nickhautvorfall ohne Augen­probleme oder Krankheits­symptome vor, entwurmen wir den Vierbeiner. In vielen Fällen verschwindet der Nickhautvorfall in wenigen Wochen.»

Schutzimpfung und Entwurmen wichtig

Da ein Nickhautvorfall viele Ursachen haben kann, sind vorbeugende Massnahmen nur begrenzt möglich. Bolliger empfiehlt: «Um die Gefahr eines Katzenschnupfens und so eines gängigen Erregers zu verhindern, raten wir zu regelmässigen Schutzimpfungen. Auch wiederholtes Entwurmen, etwa viermal jährlich, und Parasiten­behandlungen beugen gegen eine weitere, häufige Ursache vor.» Wichtig sei überdies darauf zu achten, dass sich die Katze wohlfühlt und sich angst- und stressfrei bewegen kann.