Im Schnitt haben Frauen in der Schweiz mit 51 Jahren ihre letzte Menstruation, die in der Fachsprache Menopause genannt wird. Bei einigen Frauen tritt diese viel früher ein. Was eine vorzeitige Menopause bedeutet, erklärt die Gynäkologin Dr. med. Kerstin Blickenstorfer von der Frauenklinik des UniversitätsSpitals Zürich.

Wann spricht man von einer vorzeitigen Menopause?

Wenn die letzte Menstruation vor dem 40. Lebensjahr eintritt. Davon ist rund ein Prozent der Frauen betroffen. Bei 0,1 Prozent dieser Frauen bleibt die Periode sogar schon vor dem 30. Geburtstag für immer aus.

Was geschieht im Körper einer Frau, wenn die Menopause vorzeitig eintritt? Welches sind Begleiterscheinungen?

Bei Frauen, die etwa mit 51 ihre letzte Mens haben, produziert ihr Körper immer weniger weibliche Hormone, bis der Zyklus ausbleibt. Das führt zu den typischen Wechseljahrbeschwerden, die Frauen normalerweise erst ab etwa Mitte 40 spüren. Dazu gehören Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und Scheidentrockenheit, die sexuelle Probleme und Inkontinenz begünstigen. Zudem nimmt oft auch die Libido ab. Rund 80 Prozent meiner Patientinnen, die von vorzeitiger Menopause betroffenen sind, leiden an diesen Symptomen.

Gibt es Anzeichen dafür, dass die Eierstöcke ihre Funktion bald einstellen?

Ja, bei vielen Frauen treten schon ein bis zwei Jahre vor der letzten Menstruation Blutungsstörungen in Form von verkürzten, verlängerten und letztlich ausbleibenden Blutungen auf.

Wenn die Menopause vorzeitig eintritt

Wie können verunsicherte Frauen feststellen, ob die hormonellen Veränderungen bereits eingesetzt haben?

Ich empfehle Frauen, die unter den beschriebenen Beschwerden leiden, zu einem Gespräch mit ihrer Gynäkologin oder ihrem Gynäkologen. Sie oder er wird mithilfe eines Ultraschalls über die Scheide die Eierstöcke beurteilen und feststellen können, ob noch Eibläschen vorhanden sind, die Frau also noch fruchtbar ist.

Ausserdem ist eine Blutuntersuchung sinnvoll. Wenn eine Frau noch einen Zyklus hat, empfehle ich, eine Blutentnahme zur Bestimmung des Hormonstatus in den ersten fünf Tagen des Zyklus vornehmen zu lassen. Im Blut lässt sich feststellen, wie viel follikelstimulierendes Hormon (FSH) eine Frau produziert. Dieses Hormon beeinflusst die Reifung der Eizellen in den Eierstöcken. Funktionieren die Eierstöcke nicht mehr optimal, kurbelt die Hirnanhangsdrüse die Ausschüttung von FSH an, um die Reifung der Eibläschen zu erhalten. Bleibt die Menstruation länger als vier Monate aus, ist der FSH-Wert zweimal erhöht, also über 25 U/l, und der Östradiolspiegel erniedrigt, also unter 40 pmol/l. Somit ist die Diagnose der vorzeitigen Menopause gestellt.

Bei Frauen mit Kinderwunsch und drohender vorzeitiger Menopause dient die zusätzliche Bestimmung des Anti-Müller-Hormons zur Beurteilung der Eierstockreserve. Dieses Hormon wird von den Zellen in den Eibläschen gebildet.

Welche Ursachen sind für eine vorzeitige Menopause verantwortlich?

Bei manchen Frauen wird sie durch eine Krebsbehandlung verursacht. Bestrahlungen und Chemotherapie können die Eierstöcke so stark schädigen, dass sie ihre Funktion einstellen. Bei diesen Patientinnen können wir vor der Therapie Eizellen oder Eizellgewebe entnehmen, sodass sie nach Abschluss der Behandlung noch eine Chance auf eine Schwangerschaft haben. Ein weiterer Grund kann die Entfernung der Gebärmutter oder eine Operation an den Eierstöcken sein. Diese Eingriffe führen oft dazu, dass die Menopause vorzeitig eintritt. Bei 10 bis 13 Prozent der Betroffenen ist die vorzeitige Menopause genetisch bedingt, was sich mittels eines Gentests feststellen lässt. Bei fünf Prozent der Betroffenen wendet sich das Immunsystem gegen den Körper. Das bedeutet, dass Antikörper gegen die hormonbildenden Systeme produziert werden.

Bei einem Grossteil der Frauen kennt man die Ursachen für das vorzeitige Ausbleiben der Menstruation jedoch nicht.

Gibt es Massnahmen, die Frauen ergreifen können, damit die Menopause nicht vorzeitig eintritt?

Sind die Ursachen genetisch oder immunologisch bedingt oder ist ein operativer Eingriff an Gebärmutter und Eierstöcken notwendig, ist das leider nicht möglich. Liegen diese Ursachen nicht vor, kann ein gesunder Lebensstil dazu beitragen, dass die Menopause nicht vorzeitig eintritt. So wissen wir zum Beispiel, dass Raucherinnen im Schnitt zwei Jahre früher ihre letzte Periode haben. Auch langjährige Mangelernährung trägt dazu bei, dass die Eierstöcke ihre Funktion früher einstellen können als normal.

Warum leiden manche Frauen, wenn ihre letzte Menstruation so früh eintritt?

Heute wollen die meisten Frauen erst zwischen 30 und 40 Jahren Mütter werden. Ist also noch ein Kinderwunsch vorhanden, kann das sehr schwierig sein, denn diese Diagnose reduziert die Chance auf eine spontane Schwangerschaft auf fünf bis zehn Prozent. Ausserdem haben viele Betroffene Mühe, dass ihr Körper plötzlich mit Problemen konfrontiert wird, die die meisten Frauen erst zehn Jahre später haben. Eine vorzeitige Menopause wirkt sich nicht nur negativ auf die Lebensqualität aus – sie bringt ohne Therapie auch gesundheitliche Probleme mit sich. So erhöht sich das Risiko für vorzeitige Osteoporose, Gedächtnisprobleme und Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich.

«Die vorzeitige Menopause kann für eine Frau so einschneidend sein, dass sie psychologische Hilfe braucht.»
Dr. med. Kerstin Blickenstorfer

Was empfehlen Sie Frauen, die von vorzeitiger Menopause betroffen sind?

Ihre Eierstöcke produzieren nicht mehr genügend Hormone. Um gesund zu bleiben, sind sie auf eine Hormonersatztherapie angewiesen. Das Hormon  Östradiol kann in Form von Tabletten, Gel oder Pflastern eingenommen werden. Ist die Gebärmutter noch vorhanden, braucht die Patientin auch Gelbkörperhormon. Wichtig ist, dass Betroffene nicht rauchen, weil sich dies negativ auf die Gefässe auswirkt und das Risiko für Herzinfarkt und Hirnschlag erhöht. Betroffene sollten sportlich aktiv bleiben und versuchen, ihr Gewicht zu halten. Das beugt Herz-Kreislauf-Problemen vor. Zudem empfehle ich, die Knochendichte messen zu lassen und eventuell Kalzium und Vitamin D einzunehmen, wenn sich hierbei Anzeichen einer Knochendichteminderung zeigen.

Wie lange sollten die Hormone eingenommen werden?

In der Regel bis etwa zum 51. Geburtstag, also bis zu dem Zeitpunkt, in dem Frauen normalerweise ihre letzte Mens haben. Leidet eine Frau aber nach dem Absetzen der Therapie an den typischen Wechseljahrbeschwerden, kann die Behandlung auch weitergeführt werden.

Welche Möglichkeiten haben Frauen mit Kinderwunsch, die von vorzeitiger Menopause betroffen sind?

Mit der Diagnose ist die Chance auf eine spontane Schwangerschaft sehr klein. Bei Frauen, die auf eine Tumorbehandlung angewiesen sind, können die vor dem Eingriff entnommenen Eizellen später aufgetaut und befruchtet werden. War eine Entnahme von Eizellen oder Eierstockgewebe nicht möglich oder hat die Frau keinen Zyklus mehr, bleibt nur die Eizellspende. Diese ist aber leider bis heute nur im Ausland möglich, was für Betroffene sehr belastend sein kann und auch unfair ist: Die Samenspende hingegen ist in der Schweiz schon seit vielen Jahren erlaubt.