Geheimratsecken, mickriger Haarkranz: Jeder vierte Mann hat Haarausfall. Während dies etliche gelassen hinnehmen, nehmen immer mehr Männer die Sache in die Hand – und lassen sich Haare transplantieren. Die ultimative Lösung?
«Wenn der Verstand kommt, müssen die Haare weichen.» – «Haare sind ein Überbleibsel unserer Vorfahren, als es noch keine Mützen gab.» Mit solchen und ähnlichen Sprüchen überspielen viele Männer, dass sich ihr Haar lichtet und lichtet und lichtet. Nicht alle schieben Gelassenheit vor, wenn es um ihre schwindende Haarpracht geht.
Student Manuel (28) versucht zwar, dies mit geschicktem Styling zu kaschieren und den Haarwuchs mit diversen Wässerchen anzuregen – doch die Geheimratsecken lassen sich nicht aufhalten. «Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue», sagt er, «schäme ich mich.» Wie ihm geht es vielen seiner Geschlechtsgenossen:
Auch wenn nicht alle dazu stehen: Das Schreckensszenario Glatze setzt ihnen zu.
«Für viele Männer ist das schrittweise Verlieren der Haare beschwerlich», sagt Psychologe Raffael Berchtold. «Je mehr jemand auf äusserliche Attraktion bedacht ist und seinen Selbstwert daraus bezieht, desto mehr wird ihm der Haarverlust zusetzen. Denn eine volle Haarpracht steht in unserer Gesellschaft für Jugendlichkeit, Kraft und Natürlichkeit.»
Diese Attribute wollen sich immer mehr Männer bewahren: Die Zahl jener, die sich Haare versetzen lassen, hat laut der Internationalen Gesellschaft für Haartransplantationen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Heute stehen Männer nicht nur im engeren Freundeskreis, sondern öffentlich zur Haartransplantation: zum Beispiel Fussballtrainer Jürgen Klopp, die Fussballprofis Wayne Rooney und Zinedine Zidane oder Ex-Bachelor Clive Bucher.
Eine Haartransplantation ist ein eintägiger chirurgischer Eingriff, bei dem am Hinterkopf Haarwurzeln entnommen und an die kahle Stelle versetzt werden. Dabei gibt es eine lokale Betäubung oder eine leichte Narkose. Danach braucht es etwas Geduld, bis die transplantierten Haare wachsen.
Wie bei jeder Operation sind Nebenwirkungen wie Infektion oder sichtbare Narben nicht auszuschliessen. Das Ganze kostet in der Schweiz zwischen 6000 und 12 000 Franken; im Ausland kann es deutlich billiger sein – allerdings auf die Gefahr hin, dass das Personal weniger gut geschult ist, wie es bei der Internationalen Gesellschaft für Haartransplantationen heisst.
Bevor man sich unters Messer legt, sich betäuben lässt und ein paar Tausender hinblättert, lohnt sich ein Gedankenspiel: Eigentlich sind Haare am Kopf nicht praktisch. Sie kleben verschwitzt am Hinterkopf, man muss sie dauernd waschen, kämmen, frisieren, fönen, man muss regelmässig zum Coiffeur. Sie schwimmen in der Suppe oder im Sieb der Dusche und verstopfen den Abfluss. Wie viel leichter hat man’s da, wenn man keine Haare auf dem Kopf hat.
«Das ist so wahnsinnig praktisch – gerade, wenn man einen aktiven Lebensstil hat», erzählt Claudio, der sich sein Haar mit einem Haarschneider auf einen halben Millimeter herunterrasiert.
Abgesehen vom Praktischen: Männer mit Glatze werden gemäss Studien als mächtiger, männlicher, stärker und grösser eingeschätzt als ihre behaarten Kollegen. «Ein Mann mit Glatze gilt als sexy, maskulin und intelligent», sagt Psychologe Raffael Berchtold. Wen das nicht überzeugt, der gönne sich einen Filmabend mit Bruce Willis in Stirb langsam: Hat er im ersten Teil noch volles Haar, tritt er bei Folge vier mit einer Vollglatze auf. Zuvor hat Bruce Willis mit Toupets experimentiert. Seit er zu seinem neuen Look steht, ist er einer der attraktivsten Glatzköpfe auf der Leinwand – so kommen seine Muskelpakete, seine tiefe Stimme und seine Heldentaten erst recht zur Geltung.
Ebenso ein Held ist, wer die Zeichen der Zeit akzeptiert und würdevoll das Beste und Schönste daraus macht.
Wie viel kann der Profi mit geschicktem Schnitt und Styling kaschieren? Der Berner Coiffeur Pino Zinna hat mehr als 30 Jahre Erfahrung – und verrät, wie er seine Kunden über Haarverlust tröstet.
Pino Zinna: Das ist selten nötig. Ihnen ist bewusst, dass es gewisse Grenzen gibt: Bei wenig Haar kann ich keine Löwenmähne zaubern. Also empfehle ich eine Frisur mit dem, was zur Verfügung steht: meist kürzer, vor allem an den Seiten, damit der Kopf seine schöne Form behält. Aus den Haaren, die noch da sind, mache ich die bestmögliche Frisur.
Es kommt auf den Typ an. Beim modischen Typ kann man die Stirnfransen betonen und sie keck nach vorne kämmen. Beim klassischen Typ kann sich ein Scheitel empfehlen – immer so, dass nicht der Eindruck entsteht, dass der Mann etwas verstecken will.
Die meisten empfinden es vor allem dann als störend oder als Verlust, wenn sie jung sind. Es tut weh, wenn dieses schmückende Tool, das der Verführung dient, wegfällt.
Indem ich dem Kunden sage, dass er diesen Schmuck offenbar nicht mehr braucht – weil er anderes hat, das ihn schmückt: die Lippen, der Bart, die Augen, die nun mehr zur Geltung kommen. Oder der einzigartige Charme und Humor.
Ja, den einen oder anderen tröstet das. Manchmal versuche ich, jemanden im Selbstvertrauen zu bestärken, indem ich sage: Du siehst gut aus.
Nein, nur wenn ich wirklich dieser Meinung bin. Ich lüge nicht.
Hat man Geld und Zeit, empfiehlt sich das. Zwar ist es ein operativer Eingriff, aber es sind die eigenen Haarwurzeln, die transplantiert werden. Da habe ich etliche schöne Resultate gesehen. Wichtig ist, dies bei einem seriösen Anbieter machen zu lassen.
Die Haare ganz weg oder auf wenige Millimeter rasieren: Das ist eine verbreitete Radikalmethode, wenn auch der beste Figaro nichts mehr ausrichten kann.
Hat ein Mann eine schöne Kopfform, steht ihm die Glatze. Sie kann sein männliches Gesicht betonen und zum Beispiel die Augen zur Geltung bringen. Eine Glatze steht jedem, der sie mit Würde trägt.