Der Säure-Basen-Haushalt in unserem Körper ist ein komplexes System. Die Ernährungsberaterin Dr. Nina Schweigert aus Kilchberg erklärt im folgenden Interview, wie er funktioniert und weshalb basenbildende Nahrungsmittel unserem Körper guttun.

Was versteht man unter säure- und basenbildenden Lebensmitteln?

Ob ein Nahrungsmittel im Körper sauer oder basisch verstoffwechselt wird, hängt nicht von der Empfindung auf der Zunge ab. Die Zitrone schmeckt zwar sauer, gehört aber – wie alle Früchte und Gemüse – zu den Basenbildnern. Unter anderem macht ein hoher Kaliumgehalt Nahrungsmittel basisch.

Was ist der Säure-Basen-Haushalt?

Der Säure-Basen-Haushalt ist ein Regulationssystem, das die Aufgabe hat, das Verhältnis von Säuren und Basen im Körper in sehr engen Grenzen konstant zu halten. Idealerweise sollte der pH-Wert in unserem Blut um 7,4 liegen. Ein konstanter pH-Wert ist wichtig, weil Stoffwechselreaktionen davon abhängig sind und die daran beteiligten Enzyme nur in diesem pH-Bereich optimal funktionieren.

Kann der Säure-Basen-Haushalt gestört sein?

Ja, wenn der pH-Wert im Blut unter 7,36 sinkt, spricht man von einer Übersäuerung, in der Fachsprache auch Azidose genannt. Bei Werten über 7,44 liegt eine Untersäuerung, eine Alkalose, vor. pH-Werte zwischen 7,36 und 7,44 haben keine Folgen für den Organismus; Werte ausserhalb dieses Toleranzbereiches weisen auf eine schwere Erkrankung hin, zum Beispiel auf einen Diabetes mellitus. Störungen im Säure-Basen-Haushalt können sich lebensbedrohlich auswirken. Allerdings muss man auch wissen, dass wir allein mit der Ernährung keine Übersäuerung des Blutes auslösen können, wenn keine Krankheit vorliegt. Schwankungen innerhalb des Toleranzbereiches treten ständig auf. Damit sie sich aber in Grenzen halten, gibt es im Körper verschiedene Puffersysteme. Dazu gehören der Gasaustausch in den Lungen bei der Atmung, die Ausscheidungsmechanismen der Nieren und das Puffersystem des Blutes.

Wie lässt sich eine Übersäuerung feststellen?

Der pH-Wert des Urins lässt sich einfach und schnell zu Hause mit Teststreifen aus der Apotheke oder Drogerie messen. Dieser Wert sagt jedoch nichts über den pH-Wert des Blutes aus. Nur Extremwerte – also zum Beispiel ein pH-Wert im Urin unter 5 – können auf eine Übersäuerung im Blut hinweisen. Leider findet man im Internet immer wieder Seiten, die behaupten, dass sich eine Übersäuerung des Blutes mit Hilfe von Urinteststreifen feststellen lässt.

Die Diagnose einer Übersäuerung geschieht ausschliesslich über eine Blutanalyse. Da die Nahrungszufuhr oder eine intensive Atmung, zum Beispiel beim Sport, den pH-Wert des Blutes – innerhalb des Toleranzbereiches, der zwischen pH 7,36 und 7,44 liegt – beeinflussen, hat eine einzelne Messung nur wenig Aussagekraft. Man bräuchte eine ganze Messreihe, um festzustellen, ob der pH-Wert des Blutes ständig unter dem Sollwert von 7,4 liegt.

Kann die Ernährung zu einer Übersäuerung im Körper führen?

Im Gegensatz zum Blut ist es möglich, dass es durch einen hohen Konsum von Fleisch, Milchprodukten und Getreide zu einer Übersäuerung des Gewebes kommt.

«Oft bleibt die Gewebeübersäuerung lange unbemerkt. Sie lässt sich schwer messen, kann sich aber auf Dauer durch Schmerzen und Erkrankungen bemerkbar machen. Möglich sind zum Beispiel Erkrankungen des Bewegungsapparates wie Arthritis, Arthrose oder Gicht.»
Dr. Nina Schweigert

Hier gilt zu beachten, dass diese Krankheiten auch andere Ursachen haben können.

Eine Übersäuerung des Gewebes kann auch zu einem Verlust an Knochenmasse, zu brüchigen Haaren und Nägeln und Verdauungsstörungen wie Sodbrennen führen. Eine Übersäuerung kann aber auch durch Durchfälle gefördert werden, weil dabei Alkalimetalle ausgeschieden werden, die im Körper eine Pufferfunktion haben. Weitere Faktoren sind Diabetes und Fasten. Heute sind viele Menschen auch übersäuert, weil sie gestresst durchs Leben gehen.

Gibt es weitere Faktoren, welche die Übersäuerung des Gewebes begünstigen?

Ja, dazu gehört eine niedrige Zufuhr von mineralstoffreichen und basisch wirkenden Lebensmitteln. Ein Mangel an Mineralstoffen und Elektrolyten begünstigt die Übersäuerung. Auch die Flüssigkeitszufuhr und das Alter spielen eine Rolle. Wer wenig trinkt, scheidet vermindert Säure aus. Bei älteren Menschen reduziert sich die Säureausscheidung über die Nieren.

Basische Kosmetik

In der Vergangenheit war man überzeugt, dass die Haut bei einem pH-Wert von etwa 5,5 die beste Schutzbarriere gegen Bakterien und Viren bildet. Doch warum liegt ein Ungeborenes während neun Monaten im Fruchtwasser, dessen pH-Wert 8 beträgt? Ein basisches Milieu kann also für die Haut nicht schlecht sein. Ganz im Gegenteil, Experten in Sachen Basenkosmetik sind sich einig, dass sich der Feuchtigkeitsausgleich der Haut mit basischer Kosmetik besser reguliere. Sie sind überzeugt, dass basische Körperpflege Säuren neutralisiert, die über die Haut ausgeschieden werden; und auf die Haut beruhigend, mild, ausgleichend und erneuernd wirkt.

Welchen Einfluss hat Bewegung?

Wenig Bewegung oder kaum Sport können zu einer Übersäuerung führen. Wenn wir uns zu wenig bewegen, scheiden wir zu wenig Säure aus. Bei Sportlern kann sich allerdings Milchsäure im Gewebe ansammeln.

Wie können wir einer Gewebeübersäuerung entgegenwirken?

Am besten gelingt dies mit einer Ernährungsumstellung und notfalls mit der Einnahme von basenbildenden Mineralstoffsalzen. Zink- und manganhaltige Basenmischungen haben neben der basischen Wirkung auch die Fähigkeit, Enzyme im Körper zu aktivieren, die in der Lage sind, den Säure-Basen-Haushalt zu regulieren.

Welche Lebensmittel wirken basenbildend?

Alle Obst- und Gemüsesorten wirken basenbildend. Zu den besten Basenbildnern gehören getrocknete Feigen, Weintrauben, Spinat und Petersilie. Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Milchprodukte ausser Kefir und Molke und Getreide ausser Quinoa sind Säurebildner. Die meisten Menschen essen mehr Säure- als Basenbildner.

Säurebildende Lebensmittel

Tierisches Eiweiss: Fleisch, Fisch, Wurst, Meeresfrüchte, verarbeitete Milch und Milchprodukte

  • Margarine
  • Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Reis, Mais (ausser Quinoa)
  • Schokolade, Kuchen, Süssgetränke, brauner Zucker
  • Süssgetränke (das enthaltene Phosphat wirkt säurebildend)
  • Hülsenfrüchte
  • Eier
  • Alle Nüsse (ausser Haselnüsse)

Basenbildende Lebensmittel

Alle Gemüsesorten, inkl. Kartoffeln

  • Salate und Kräuter
  • Alle Obstsorten
  • Getrocknete Feigen und Rosinen
  • Pilze
  • Molke
  • Haselnüsse
  • Pflanzenöle, z. B. Oliven-, Lein- und Rapsöl
  • Honig
  • Frisch gepresste Gemüse- und Obstsäfte
  • Früchte-, Grün-, Schwarz- und Kräutertee
  • Mineralwasser
  • Rotwein

Wie sieht das ideale Verhältnis zwischen säure- und basenbildenden Nahrungsmitteln aus?

Obst und Gemüse sollten auf unserem Speiseplan überwiegen oder zumindest immer dazugehören. Ideal ist es, wenn die Hälfte des Tellers mit Gemüse und Salat belegt ist.

Hilft eine vorwiegend basische Ernährung beim Abnehmen?

Ja, wer mehr basenbildende Nahrungsmittel konsumiert, nimmt automatisch mehr Obst und Gemüse zu sich, die vergleichsweise wenig Kalorien enthalten.