Wie über 5000 Jahre altes Wissen aus Indien in unserem Alltag und in unserer Küche Platz hat.

Ayurveda, eine traditionelle Heil- und Lebensphilosophie, und unsere schnelllebige Zeit: wie soll das zusammenpassen? Ayurveda ist aktueller denn je, findet Dominique Iseppi.

Sie ist Ayurveda Coach und Yogalehrerin aus Zürich und sagt:

«Der Ayurveda kann uns dabei helfen, mit einer typgerechten Anpassung unseres Lebensstils, unserer Ernährung, mit Bewegung und Entspannung unsere Balance zu halten und sie immer wieder neu zu finden.»
Dominique Iseppi

Wichtig sei, traditionellen Ayurveda modern zu interpretieren und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Da Ayurveda den Menschen immer in seinem individuellen Kontext betrachtet, bricht man so auch nicht mit einem Dogma oder führt nur eine «Lifestyle-Version» aus.

Ganzheitlich betrachten

Ayurveda setzt sich zusammen aus den Begriffen «ayuh» (Sanskrit für Leben) und «veda» (Wissen) und wird als die «Wissenschaft vom Leben» übersetzt.

Die ganzheitliche Methode mit den drei Säulen Schlaf, Ernährung und Umgang mit Lebensenergie stellt den Menschen in den individuellen Kontext seines Lebens. Das heisst: Es werden nicht nur einzelne Symptome oder Beschwerden angeschaut, sondern immer das ganze Leben des Menschen mit dazu, von der beruflichen Situation bis zum Stresslevel.

Unter Berücksichtigung des Gesamtbildes werden individuelle Handlungsempfehlungen für den einzelnen Menschen und seine Bedürfnisse oder Beschwerden abgeleitet. «Diese Ganzheitlichkeit fasziniert mich», sagt Dominique Iseppi. «Zudem gefällt mir, dass der Ayurveda die Ressourcen des Menschen und der Natur einsetzt. Das Rückbesinnen und Leben mit der Natur, das vielen von uns heute abhandengekommen ist, nimmt im Ayurveda eine wichtige Rolle ein.»

Drei Prinzipien –  die drei Doshas

Im Ayurveda unterscheidet man zwischen den drei Doshas «Vata», «Pitta» und «Kapha». Die Doshas können als Prinzip oder Grundkonstitution verstanden werden, die für Mensch und Natur gelten. Sind die Doshas nicht ausgeglichen, können Disbalancen entstehen, die sich als Beschwerden und Krankheiten äussern können.

Das vata-dosha

Vata steht für die Elemente Luft und Äther. Es hat die Eigenschaften beweglich, kalt, leicht, trocken und Die Organe, die besonders mit Vata verbunden sind, sind Dickdarm, Harnblase und Nieren. Disbalancen können sich entsprechend dort zeigen.

Das pitta-dosha

Das Dosha mit dem Feuer-Element wird Pitta genannt und hat die Eigenschaften ölig, warm, heiss, scharf und ätzend. Ist zu viel Pitta im Körper, manifestiert es sich als innerliche oder äusserliche Entzündung oder Störung der Ausscheidungsorgane Leber und Galle.

Das kapha-dosha

Kapha wird aus Erde und Wasser Die Merkmale sind schwer, weich, süss, stabil, klebrig und schleimig. Nacken- und Brustraum sowie Dünndarm und Magen sind die körperlichen Entsprechungen von Kapha.

Im Internet kursieren viele Selbsttests, mit denen man seine Dosha-Zusammensetzung selbst bestimmen kann. Dominique Iseppi warnt aber:

Die Übergänge beachten

Im Ayurveda wird das Jahr in sechs Jahreszeiten unterteilt, die zweimonatigen Abschnitte werden «Ritu» genannt. Gleichzeitig wird das Jahr in die drei Doshas Vata, Pitta und Kapha eingeteilt und wiederum jeder Ritu je einem Dosha zugeordnet. Die jeweils typischen Wetter- und Temperatureigenschaften entsprechen den Eigenschaften der Doshas. Die Zeit von Februar bis Juni, mit typischerweise kaltem und feuchtem Wetter, steht für das Kapha-Dosha. Juni bis Oktober dominiert das Pitta-Dosha mit warmem, leicht feuchtem Wetter. Wird es dann von Oktober bis Februar kalt, windig und trocken, ist Vata-Zeit.

«Die Übergänge zwischen diesen Abschnitten stehen besonders im Fokus des Ayurveda, da sie für viele herausfordernd sein können. Der Körper braucht Zeit, um sich auf die Veränderungen draussen einzustellen.»
Manuela Donati

Jetzt im Spätherbst bedeutet das bereits weniger Licht, tiefere Temperaturen und mehr Wind. Aus ayurvedischer Sicht ist dies auch die Zeit für Ruhe und Erdung. «Eine warme, bekömmliche Nahrung wie ein Porridge zum Frühstück, eine leichte Suppe oder Reis mit gedünstetem Gemüse unterstützt diesen Übergang», sagt Dominique Iseppi. «Eine ayurvedische Massage mit warmem Öl bringt ebenfalls Erdung und Ruhe ins System.»

«Ein Ayurveda-Therapeut braucht Zeit, die Konstitution eines Menschen zu bestimmen. Natürlich habe ich nach der Anamnese eine Tendenz, aber Schnellschüsse sind nicht seriös.»
Dominique Iseppi

Ernährung mit Ayurveda

Neben den Doshas spielt auch «Agni» eine wichtige Rolle. Agni ist das Verdauungsfeuer, auch «Flamme des Lebens» genannt. Agni beeinflusst nicht nur die Verdauung, sondern alle Stoffwechselaktivitäten im Körper und wirkt auch auf das Immunsystem. Agni variiert im Tagesrhythmus. Weil es am Mittag am stärksten ist, empfiehlt es sich, am Mittag die grösste Mahlzeit zu sich zu nehmen.

Genau wie diese lassen sich viele weitere Empfehlungen der ayurvedischen Ernährungslehre leicht umsetzen. So sollten kalte Speisen und Getränke gemieden werden, denn bei diesen muss das Verdauungsfeuer zu viel Arbeit leisten. Aus demselben Grund werden auch kohlensäurehaltige und gesüsste Getränke sowie Tiefkühlkost nicht empfohlen.

Im Ayurveda werden Lebensmittel als Quellen der Lebensenergie «Prana» gesehen. Energie wird dabei nicht als Kalorie oder Nährstoffgehalt betrachtet, sondern es geht um die Qualität der Lebensmittel: Je saisonaler, regionaler und natürlicher die Lebensmittel in Anbau und Produktion sind, desto mehr Prana enthalten sie. Die Mahlzeiten sollten frisch gekocht sein und Gemüse, Stärkeprodukte und Proteine vereinen. Dazu werden in der ayurvedischen Küche viele Gewürze und Kräuter verwendet. Im Teller sollten die sechs Geschmacksrichtungen (süss, salzig, sauer, scharf, bitter, herb) und verschiedene Konsistenzen (feucht, suppig, cremig, weich, knusprig, knackig, ölig) zusammenfinden.

Die wichtigsten Begriffe

  • Agni: Verdauungskraft
  • Dosha: Prinzip, Energietyp
  • Prana: Lebensenergie
  • Vata: die Elemente Luft und Äther
  • Pitta: das Element Feuer
  • Kapha: die Elemente Erde und Wasser

Ayurveda im Alltag

Wer nun beginnen möchte, Ayurveda auch in seinen Alltag zu integrieren, der hat es nicht schwer: Mittlerweile findet sich in jeder grösseren Stadt ein ayurvedisches Restaurant, Zutaten für die ayurvedische Küche wie die vielen Gewürze und Ghee (Butter) können heutzutage auch in grossen Filialen von Detailhändlern gekauft werden.

Zudem hat Dominique Iseppi drei einfache und allgemein gültige Tipps für den Einstieg in den Ayurveda:

So empfiehlt sie, direkt nach dem Aufstehen morgens eine Tasse warmes, abgekochtes Wasser zu trinken. Das bringe einen Feuchtigkeitsboost für den Körper sowie den Stoffwechsel in Gang.

Weiter sagt sie: «Ich rate, dem Verdauungssystem auch mal eine Pause zu gönnen und zwischen den Hauptmahlzeiten nur dann einen gesunden Snack zu sich zu nehmen, wenn sich der Hunger meldet.»

Und ihr Tipp Nummer 3: «Eine Abendroutine etablieren und gegen 22 Uhr zu Bett gehen. Denn ayurvedisch betrachtet ist zwischen 18 und 22 Uhr die ideale Zeit, das hektische Tagesgeschehen zurückzulassen und anregende äussere Einflüsse – dazu gehört auch das Smartphone – zu minimieren.» Ein leichtes Abendessen unterstützt diese Abendroutine, denn dadurch läuft der Verdauungsstoffwechsel abends nicht auf Hochtouren.