Die innere Uhr ist eine vereinfachte Vorstellung von unserem biologischen Rhythmus. Noch wenig erforscht sind die gesundheitlichen Folgen, wenn wir gegen unsere innere Uhr leben.

Viele von uns leben meistens nicht nach der inneren Uhr: Gehen zu spät ins Bett, schlafen zu wenig, stehen unausgeschlafen auf und starten gestresst in den neuen Tag. Damit schaden wir unserer Gesundheit. Schul- und Komplementärmedizin haben Tipps, wie wir unseren Biorhythmus wieder ins Lot bringen.

Die innere Uhr ist eine vereinfachte Vorstellung von unserem biologischen Rhythmus. Dieser regelt wichtige Prozesse wie den Schlaf oder die Produktivität und beeinflusst die Gesundheit. Unsere Gene und Prozesse im Körper folgen dabei ungefähr einem 24-Stunden-Rhythmus, dieser muss aber nicht mit der Tageszeit, unserem äusseren Taktgeber, korrelieren.

Was ist Biorhythmus?

Der biologische Rhythmus wird im Zwischenhirn gesteuert und regelt wichtige Prozesse wie Schlaf und Produktivität. Sie folgen einem 24-Stunden-Rhythmus, deshalb wird der Biorhythmus umgangssprachlich auch die «innere Uhr» genannt. Die innere Uhr tickt bei jedem Menschen anders und kann nicht willentlich beeinflusst werden. Untersucht wird der biologische Rhythmus von der Chronobiologie (altgriechisch «chronos» = Zeit), einem jungen Wissenschaftszweig der Biologie.

So treten Herzinfarkte häufig am Morgen ein, weil sich dann der Blutdruck erhöht. Weil unser Enzymspiegel schwankt, sind wir am Morgen schmerzempfindlicher als am Nachmittag und bauen Alkohol am Nachmittag (Frauen) bzw. am frühen Morgen (Männer) am besten ab.

Körper im «Dauer-Jetlag»

Wer nun denkt, Schlafmangel und Alltagsstress seien mit viel Schlaf und Entspannung am Wochenende aufzuholen, der oder die irrt. Besonders wenn wir unsere innere Uhr regelmässig ignorieren, riskieren wir gesundheitliche Folgen. Wer schon einmal einen Jetlag hatte, weiss, wie «durch den Wind» man sich dabei oft tagelang fühlt.

Schichtarbeitende sind quasi in einem Zustand des «Dauer-Jetlags»: «Das kann zu körperlichen und psychischen Erkrankungen führen», sagt Chronobiologin und Schlafforscherin Dr. Mirjam Münch.

«Als daraus entstehende Folgen werden Depressionen, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Magengeschwüre vermutet. Der Biorhythmus rückte erst in letzter Zeit in den Fokus der Wissenschaft. Entsprechend wenig erforscht sind die gesundheitlichen Folgen, wenn wir gegen unsere innere Uhr leben.»
Manuela Donati

TCM: Organe folgen der Uhr

Die Traditionelle Chinesische Medizin TCM kennt ein dem Biorhythmus ähnliches Prinzip: die sogenannte Organuhr.

Was ist die Organuhr?

Dabei versteht die TCM als Organ nicht nur das Organ selbst, sondern auch seinen Funktionskreis, also seine «Beziehungen» im Körper. Die Organuhr ist die Vorstellung, dass diese Funktionskreise über den Tag verteilt aktive und passive Phasen haben: Im Zwei-Stunden-Rhythmus fliesst die Lebensenergie «Qi» einem anderen Organ zu, dieses hat dann seine aktive Phase.

Als Beispiel: Zwischen fünf und sieben Uhr morgens, wenn viele von uns aufstehen, ist der Funktionskreis des Dickdarms aktiv: Gemäss TCM ist dann Zeit für Reinigung und Entgiftung. Ein Glas warmes Wasser auf leeren Magen hilft dem Darm dabei. Genau gegenüberliegend auf dem Zifferblatt liegt die Ruhezeit des Dickdarms: Zwischen 17 und 19 Uhr ist der Dickdarm träge und ohne Energie. Genau dann eine Darmreinigungs-Kur zu beginnen oder ein sehr üppiges Essen zu sich zu nehmen, würde folglich wenig Sinn machen.

Die TCM nutzt die Organuhr zur Diagnostik: Hat ein Patient regelmässig Mühe einzuschlafen oder wacht immer um dieselbe Uhrzeit auf, kann es sein, dass das entsprechende Organ eine Blockade oder einen Überschuss von «Qi» hat. Es kann auch ein Hinweis sein auf eine Störung im zeitlich gegenüberliegenden Organ.

Was ist TCM?

Die jahrtausendealte Medizinlehre basiert auf der Philosophie des Taoismus und lässt sich von der Natur inspirieren. Wichtigstes Prinzip ist das Prinzip von Yin und Yang, oft symbolisiert als Kreis, in dem sich ein weisser und ein schwarzer Pinselstrich endlos folgen. Yin und Yang sind die Polaritäten, die es in allen Bereichen des Lebens gibt. Ziel ist es, Yin und Yang in Harmonie zu halten.

Alle Prozesse im Leben – vom Tagesablauf bis zum Verdauungsprozess im Körper – ordnet die TCM den fünf Elementen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser zu, auch fünf Wandlungsphasen genannt.

Behandlungsmethoden der TCM sind die Akupunktur, die Therapie mit Kräutern sowie die Massagetechniken Shiatsu und Tuina.

TCM gegen Biorhythmus-Störung

Katerina Chrissochou, Shiatsu-Therapeutin und Dozentin an der Heilpraktikerschule Luzern, behandelt immer wieder Menschen in ihrer Praxis, die wegen Folgen von Biorhythmus-Störungen zu ihr kommen:

«Durch unseren Lebenswandel und dem Druck in der Gesellschaft leben viele Menschen in Disharmonie zur Natur. Sie haben den Bezug zum Ursprünglichen verloren.»
Katerina Chrissochou

Dadurch fehle oft die Beziehung zum eigenen Bauchgefühl, zur Intuition: «Sie sind völlig verunsichert und wissen nicht mehr, was und wann zu essen oder wie sie sich durch den Tag bewegen sollen».

Kenne deinen Biorhythmus!

Ziel ihrer Shiatsu-Therapie ist es dann, die Menschen wieder ins Gleichgewicht oder näher zu ihrem Gleichgewicht zu bringen. So unterstützt sie ihre Patient*innen dabei, wieder Kontakt zu ihrem Körper und den eigenen Ressourcen aufzunehmen und die zu eigene Widerstandsfähigkeit zu stärken: «Das können ganz einfache Tipps sein, regelmässig und dreimal am Tag zu essen, sich im Alltag kleine Inseln der Ruhe zu schaffen oder vor dem Schlafengehen nicht mehr am Smartphone zu scrollen.»

Auch Mirjam Münch empfiehlt, sich seines Rhythmus bewusst zu werden und zu versuchen, sein Leben darauf abzustimmen: Kenne man seinen Rhythmus, entstehe ein «Bewusstsein über die zeitlichen Unterschiede von Leistung, Verhalten und Stoffwechsel im Laufe des Tages.»

Biorhythmus gut, alles gut

In diesem Sinne sind sich Schulmedizin und Komplementärmedizin einig:

«Mit kleinen Anpassungen an unseren individuellen Rhythmus und unsere individuelle Konstitution können wir unsere Lebensqualität positiv beeinflussen und vielleicht sogar Krankheiten und Beschwerden vermeiden.»
Manuela Donati