Alte Menschen wohnen häufig allein oder zu zweit und sind damit zufrieden. Über die vergangenen Jahrzehnte standen vor allem drei alternative Wohnformen zur Diskussion. Der Altersforscher François Höpflinger erläutert deren Vor- und Nachteile.

François Höpflinger, wie wollen Sie im Alter wohnen?

Solange man gesund ist, ist für mich selbst­ ständiges Wohnen in einer attraktiven Umgebung mit viel Grün, Einkaufsläden in der Nähe und guten Verkehrsverbindungen das Ideal. Im hohen Lebensalter wäre eine betreute Pflegewohnform, etwa eine individuell ge­staltbare kleine Pflegewohnung mit Anbindung an Serviceleistungen wie etwa einem Notrufdienst optimal.

Wie hat sich das Wohnen im Alter über die Jahrzehnte verändert?

Früher wohnten Jung und Alt meist zusammen, die Platzverhältnisse waren eng. Alte, ver­armte Menschen kamen ins Bürger­ oder Armenhaus der Bürgergemeinde. Die letzten zwanzig Jahre verstärkten den Trend zu indi­vidualisiertem Wohnen in Ein-­ oder Zwei­-Personen-­Haushalten. Heute ist der Anteil alter Menschen, die in einer überbelegten Woh­nung leben, gering. Immer mehr leben lange selbstständig zu Hause und werden ambulant betreut. Die Zahl jener, die in einer Alters­- und Pflegeeinrichtung wohnen, sinkt.

Welche alternativen Wohnformen im Alter gibt es?

In den letzten Jahrzehnten wurden vor allem drei Prinzipien diskutiert, wenn auch nur teilweise realisiert:

«So gewann die Idee einer Alterswohn-­ und Altershausgemeinschaft an Bedeutung, dann erhielten generationen­gemischte Wohnformen eine neue Aktuali­tät und letztlich werden vermehrt betreute Wohnformen, also Wohnen mit Service, propagiert und realisiert.»
François Höpflinger

Welche Vor- und Nachteile haben Alterswohn- und Altershaus­gemeinschaften?

Einsamkeit im Alter kann man durch gemeinschaftliches Wohnen vermeiden. Funktionale Einschränkungen lassen sich besser bewältigen, wenn man sich gegenseitig unterstützt. Zusätzlich reduzieren sich die Wohnkosten pro Person. Und es werden die Lebensquali­tät erhöht sowie die Lebenskosten reduziert. Ausser, dass das gemeinschaftliche Leben hohe soziale Kompetenzen und das Zurückstellen individueller Interessen voraussetzt, gibt es keine Nachteile.

Wohngemeinschaft im Alter

Was versteht man unter generationen­durchmischtem Wohnen?

Generationen­gemischtes Wohnen kombiniert Familien­wohnungen mit Klein­wohnungen für junge Alleinstehende und/oder ältere Menschen. In einigen Fällen enthalten solche Projekte auch Pflegewohngruppen sowie Kinder­tagestätten, Cafés und so weiter. Jung und Alt haben Platz und der gesellschaftliche Zusammenhalt wird gestärkt.

Inwieweit werten Mehr­generationen­häuser und/oder generationen­gemischte Wohn­siedlungen mit altersgerechten Wohnungen das Leben im Alter auf?

Viele, wenn auch nicht alle, ältere Menschen erleben es als positiv, wenn sie auch nachbarschaftliche Kontakte mit jungen Menschen oder jungen Familien haben. Sie erfahren damit neue gesellschaftliche Entwicklungen und können am Leben anderer Generationen teil­nehmen.

«Nur immer unter Gleichaltrigen zu leben, wird oft langweilig.»
François Höpflinger

Alte Menschen mit guten Kontakten zu jüngeren haben mit neuen Trends, wie etwa digitalem Leben, weniger Probleme. Auf der Gegenseite kann es für junge Eltern entlastend sein, wenn tagsüber pensionierte Frauen und Männer im Haus sind, die sich gelegentlich bei der Kinderbetreuung engagieren.

Alternative Wohnformen im Alter

Was alles umfasst betreutes Wohnen, also Wohnen mit Service, welche Vor- und Nachteile gibt es und ist das bezahlbar?

Betreutes Wohnen kombiniert Individualität, also eine eigene altersgerechte Kleinwohnung, mit guter ambulanter Versorgung. Betreutes Wohnen ist vor allem von Vorteil, wenn alte Menschen schon an gesundheitlichen und funktionalen Einschränkungen leiden. Wichtig sind dann etwa Putzdienste, Mahlzeitendienste, aber auch ein 24-­stündiges-­Notruf­system, teilweise auch ein Transport. Doch das grosse Thema ist der Preis: Serviceleistungen sind privat zu bezahlen und sie kosten.

«Betreutes Wohnen ist primär für wohlhabendere Menschen, weniger Betuchte müs­sen in eine Alterseinrichtung. Dort ist zwar die Versorgungssicherheit hoch, aber die in­ dividuelle Selbstständigkeit teilweise eingeschränkt.»
François Höpflinger

Was spricht für beziehungsweise was gegen einen Aufenthalt in einem Alters- und Pflegeheim?

Für einen Aufenthalt in einem Alters-­ und Pflegeheim spricht einiges: Man wird gut um­- und versorgt, in einer altersangepassten Struktur. Es ergeben sich Möglichkeiten für neue Kontakte. Ein Nachteil ist der eingeschränkte Wohnraum. Oft gibt es nur ein Pflegezimmer, das man nur bedingt selbst möblieren kann, und man lebt «nur unter alten Menschen». Es gibt Heime, die stark auf die Wahlmöglichkeiten der Bewohner*innen achten, und andere Heime, die striktere Hausordnungen haben.

Welche Wohnformen gibt es für alte Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die nicht mehr selbstständig leben können, aber in kein Alters- oder Pflegeheim wollen?

Hier existieren grosse Lücken, da für Menschen mit speziellen Bedürfnissen, wie etwa ältere MS­Patientinnen und ­-Patienten oder ältere Suchtkranke, kaum angepasste Wohnformen existieren. In einigen wenigen Gemeinden gibt es Pflegewohngruppen für spezifische Bedürfnisse. Das Gleiche gilt auch für ältere Migrantinnen und Migranten, obwohl sich etwa mediterran ausgerichtete Pflegeabteilungen für betagte Südeuropäer*innen als erfolgreich erwiesen haben.

Viele Gemeinden erstellen Altersleitbilder, die auch das Wohnen im Alter thematisieren. Finden Sie das zielführend oder braucht es zusätzliche Bemühungen?

Die Fortschritte beim Wohnen im Alter variieren regional stark. Hauptproblem vieler Gemeinden sind die steigenden Grundstücks­ und Immobilienpreise, die etwa kostengünstige Alterswohnungen an zentraler Lage verhindern. Mangelhaft sind oft auch die Wohnberatung und Wohnassistenz im Alter. Was sich in den letzten Jahren verbessert hat, ist die Vernetzung von ambulanter und stationärer Altersversorgung in den Gemeinden beziehungsweise Regionen.