Wo Menschen miteinander in Kontakt stehen, kann auch mal etwas schiefgehen. Mit unsensiblen Bemerkungen oder indiskreten Fragen können Mitmenschen verletzt werden. Wie sollten wir reagieren, wenn wir eine Person versehentlich brüskiert haben?

Was sind «Fettnäpfchen»?

In vergangenen Jahrhunderten standen in vielen Häusern mit Fett gefüllte Gefässe in Ofennähe. Mit der glitschigen Substanz wurde das Leder der Stiefel gepflegt. Trat jemand versehentlich mit dem ganzen Schuh in einen Fetttopf, hinterliess er anschliessend hässliche Flecken auf dem Fussboden. Mit diesen schwer zu beseitigenden Spuren machte sich die Person unbeliebt.

Mittlerweile gibt es praktischere Methoden, um seine Schuhe zu pflegen, die Fetttöpfe sind verschwunden. Geblieben ist die Gefahr, bei anderen durch ungeschicktes oder rücksichtsloses Verhalten einen schlechten Eindruck zu hinterlassen und somit im übertragenen Sinn in ein «Fettnäpfchen» zu treten. Ohne böse Hintergedanken stellen wir eine Frage, die die angesprochene Person verletzt oder beschämt.

Oder aber wir schneiden ein Thema an, das für den am Gespräch beteiligten Menschen schmerzlich oder ihr/ihm peinlich ist. «Was macht Ihre Karriere?» Die Frage kann jemand, dem vor Kurzem gekündigt wurde, als sehr unsensible Bemerkung empfinden. Nichtsahnend hat die Fragende mit ihrer Neugierde Salz in eine offene Wunde gestreut.

Vorsicht Vorurteile

Auf dem gesellschaftlichen Parkett lassen sich zwischenmenschliche Fehltritte nicht gänzlich vermeiden; wer ahnt schon, wo aktuell die wunden Stellen seiner Mitmenschen liegen?

Wie folgendes Beispiel zeigt, kann jemand unwissentlich gekränkt werden: Beim Spazieren trifft man die Frau eines ehemaligen Arbeitskollegen. Man bittet sie, ihm einen Gruss auszurichten. Bedrückt erwidert sie, dass er vor zwei Wochen tödlich verunfallt sei. Ein anderes Beispiel: Auf einem Einkaufsbummel trifft man zufällig auf eine ehemalige Arbeitskollegin, die in Begleitung eines älteren Mannes ist. Auf die Frage, ob der Begleiter ihr Vater sei, reagiert die Angesprochene leicht schockiert: «Nein, das ist Erich, mein Mann.»

«Vorurteile, fehlerhafte Annahmen sowie Verwechslungen sind besonders häufige Gründe für den Tritt ins Fettnäpfchen. Um das Risiko, jemanden zu verletzen, zu reduzieren, sollten im Zweifelsfall Fragen gestellt werden.»
Adrian Zeller

Am Telefon kann sich der/die Anrufer*in vergewissern: «Spreche ich mit dem Geschäftsführer?» In den allermeisten Fällen wird die angesprochene Person ihre Funktion definieren: «Nein, ich bin der Verkaufsleiter. Der Geschäftsführer ist momentan gerade in einer Besprechung.» Im Zweifelsfall sollte die berufliche Stellung nicht zu hoch angesetzt werden. Fragt der/die Anrufer*in am Telefon den Lernenden: «Spreche ich mit dem Inhaber?», dann wird sich dieser geschmeichelt fühlen. Erkundigt er/sie sich hingegen unwissend beim Chef, ob er der Lernende sei, zeigt sich dieser ob dieser Frage wenig erfreut.

Negative Bemerkungen vermeiden

Menschen möchten grundsätzlich mit Wertschätzung und mit Respekt behandelt werden. Wenn – absichtlich oder ungewollt – gegen diese Grundbedürfnisse verstossen wird, landet man im Fettnäpfchen und verscherzt sich Sympathien.

Weitere Fauxpas sind abfällige Äusserungen über Abwesende. Auch mit dem Weitererzählen von Gerüchten und Tratsch landen Erzähler*innen sehr schnell auf dünnem Eis. Die Zuhörer*innen könnten denken: «Was erzählt diese Person wohl Negatives hinter meinem Rücken über mich?»

Vorsicht Ironie

Im Weiteren sollte mit spassigen Bemerkungen besser vorsichtig umgegangen werden. Nicht alle Menschen teilen denselben Humor, ironisch gemeinte Kommentare halten manche Menschen für ernstgemeint, sie fühlen sich unter Umständen angegriffen oder verletzt.

«Insbesondere digitale Kommunikationskanäle wie SMS, E-Mails und Chats führen leicht zu Missverständnissen und damit zu Verstimmungen. Beim entsprechenden Kommunizieren sieht das Gegenüber weder die Mimik, noch hört es die Stimmlage.»
Adrian Zeller

Beide sind wichtig, um Bemerkungen richtig einordnen zu können. Eine kleine Neckerei kann auf diese Weise rasch als kritische Bemerkung missverstanden werden. Im Zweifelsfall lässt man humorvolle Kommentare besser bleiben oder weist darauf hin, dass sie nicht ernst gemeint sind.

Rechthaberei und lockere Zungen

Ein häufiger Grund für zwischenmenschliche Disharmonien sind rechthaberische Diskussionen. Sie führen zu einer Verhärtung der Fronten. Wenn man feststellt, dass sich keine Annäherung der Meinungen ergibt, sollte die Diskussion frühzeitig beendet werden. Andernfalls kann es leicht zu gehässigen Auseinandersetzungen und zu verletzenden Bemerkungen kommen. Mit dem Satz: «Ich sehe, dass wir nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, deshalb schlage ich einen Themenwechsel vor», kann die zunehmend angespannte Stimmung aufgelöst werden.

Besondere Vorsicht ist bei Alkoholkonsum geboten. Bier, Wein und Spirituosen lockern bekanntlich die Zunge, leicht können unter ihrem Einfluss Bemerkungen herausrutschen, die andere hart treffen.

Interesse zeigen und zuhören

Besonders schnell landen Menschen im Fettnäpfchen, wenn sie die eigene Person zu sehr lobend in den Vordergrund rücken. Streichen sie die eigenen Fähigkeiten, beruflichen Erfolge oder den materiellen Reichtum zu sehr heraus, kann dies leicht als Egozentrik und als grossspurige Prahlerei wirken. Andere könnten sich dadurch zurückgesetzt fühlen.

«Hingegen können Sympathiepunkte bei Mitmenschen gewonnen werden, wenn ein ehrliches Interesse an ihnen gezeigt wird.»
Adrian Zeller

Jeder Mensch hat positive Eigenschaften und Kompetenzen, nicht immer sind sie offensichtlich.

Beispielsweise bringt die Frage nach Freizeitbeschäftigungen oft Interessantes zutage: Wer mit Leidenschaft Rosen züchtet, Oldtimer restauriert oder Fingerhüte sammelt, weiss viel zu erzählen. Kommunikationsexperte Dale Carnegie (1888-1955) schreibt in seinem Bestseller «Wie man Freunde gewinnt»: «Man kann einem anderen Menschen kaum ein grösseres Kompliment machen, als wenn man ihm aufmerksam zuhört.» Wer von anderen geschätzt werden will, sollte sich für die Meinungen, Erfahrungen und Ansichten anderer interessieren. Gute Zuhörer*innen fragen nach, haben häufigen Blickkontakt und sind zurückhaltend im Werten des Gehörten.

Unverfängliche Themenwahl

Beim Interessezeigen ist Fingerspitzengefühl gefragt. Allzu indiskrete Fragen können im übertragenen Sinn einen Tritt ins Fettnäpfchen bedeuten. Ebenso eine heikle Themenwahl:

«Politik, Religion, Finanzen, eigene Krankheiten und persönliche Probleme sollten grundsätzlich Gesprächen mit Verwandten und engen Freunden vorbehalten bleiben.»
Adrian Zeller

Mit oberflächlichen Bekannten sollten diese Gesprächsgegenstände besser nicht thematisiert werden, sie können die Atmosphäre belasten und auch leicht zu Meinungsverschiedenheiten führen.

Naheliegende Themen, bei denen jede*r mitreden kann, eignen sich gut, um mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen; beispielsweise die wechselnden Launen der Witterung oder die Jahreszeiten sind gute Anknüpfungspunkte für ein Gespräch. Jede*r erlebt diese ganz persönlich und kann entsprechend mitreden. Das Risiko von Meinungsverschiedenheiten ist gering. Gespräche über das Wetter bieten eine unverfängliche Gelegenheit, auszuprobieren, ob die Chemie auch für ein anspruchsvolleres Thema stimmen würde.

Ehrlichkeit und Reue

Auch wenn sich Mühe gegeben wird, im zwischenmenschlichen Bereich heiklen Klippen möglichst auszuweichen: Niemand ist davor gefeit, mit einer ungeschickten Bemerkung eine Arbeitskollegin oder einen Vereinskameraden zu verletzen.

Fachpersonen für gutes Benehmen raten in diesem Fall zum direkten Gespräch, um die Situation möglichst zu klären. Eine ehrlich gemeinte Bitte um Verzeihung vermittelt Reue und Einsicht nach einem begangenen Fehler. Weder eine SMS noch eine E-Mail mit einem «Sorry» haben dieselbe besänftigende Wirkung.