Wenn ein Partner in Pension geht, während der andere arbeitet, bringt dies Herausforderungen mit sich. Frühzeitige Absprachen tragen dazu bei, den veränderten Beziehungsalltag gut zu meistern.

Der «Ruhestand» kann warten

Im Laufe des Lebens werden gelegentlich die Weichen neu gestellt: Die Pensionierung zählt zu den wichtigen Übergängen in einen neuen Lebensabschnitt und damit zu einer neuen Tagesgestaltung. Früher war dafür das Wort «Ruhestand» gebräuchlich. Die Zeiten haben sich geändert. Viele Menschen im AHV-Alter reagieren unwirsch, wenn man sie als «Ruheständler» bezeichnet. Die Vorstellung, sie würden ihren dritten Lebensabschnitt im Schaukelstuhl verbringen, weisen sie weit von sich. Viele Rentnerinnen und Rentner sind heute bei guter Gesundheit. Gelenkersatz, Herzschrittmacher und Hörgeräte sorgen dafür, dass man trotz gesundheitlicher Handicaps im AHV-Alter einen erfüllenden Alltag geniessen und seine Passionen pflegen kann. Viele Rentnerinnen und Rentner besuchen mit ihren Enkeln den Zoo oder das Schwimmbad, sie sind mit dem E-Bike unterwegs oder ziehen in ihrem Garten Gemüse.

Sich gemeinsam absprechen – vor der Pensionerung

Engagement im Alltag kann sich positiv auf die Partnerschaft auswirken: Nach der Frühpensionierung von Kurt Hofmann (Name geändert) geriet der Haussegen beim Ehepaar in Schieflage, ständig kam man sich in den eigenen vier Wänden in die Quere, Reibereien nahmen zu. «Seit mein Mann stundenweise in der Schreinerei unseres Sohnes mithilft, geht es uns wieder besser», erzählt Myrta Hofmann.

Selten werden beide Partner zum selben Zeitpunkt pensioniert. Wenn einer der beiden berufstätig ist, während der andere bereits das Rentnerleben geniesst, braucht es sorgfältige Absprachen, immerhin kommt es zu erheblichen Veränderungen im gewohnten Alltag.

«Fachleute empfehlen dazu, langjährig und gemeinsam gepflegte Rituale und Gewohnheiten am Ende des Erwerbslebens nicht abrupt zu verändern, sie wirken wie Leitplanken. Beide Partner betreten mit der Pensionierung ein für sie unbekanntes Terrain, in dem sie sich nach und nach zurechtfinden müssen.»
Adrian Zeller

Es gilt, die gemeinsame Zeit neu zu gestalten. Dazu können auch individuelle Freiräume gehören, die man nicht zusammen verbringt, es wollen eigene Kontakte und Bedürfnisse gepflegt werden. Spätestens einige Monate vor dem Pensionierungstermin sollte die gemeinsame Diskussion über die Erwartungen und auch über allfällige Befürchtungen aufgenommen werden. Dadurch sinkt das Konfliktrisiko. Man kann wichtige Punkte als Stichworte notieren und sie gemeinsam besprechen.

Unterschiedliche Bedürfnisse anerkennen

Die unterschiedlichen Bedürfnisse muss man auf einen gemeinsamen Nenner bringen und eventuell Kompromisse schliessen. Ohne gute Absprache kann es passieren, dass der pensionierte Mann am Abend gemeinsam ins Kino will, dagegen möchte die vom Arbeitstag erschöpfte Frau zu Hause die Beine hochlagern und in Ruhe den Feierabend geniessen.

«Die unterschiedlichen Bedürfnisse können zu Spannungen führen. Zuständigkeitsbereiche in Haushalt, Garten und bei den Finanzen müssen neu geregelt werden.»
Adrian Zeller
Pensionierung – Balance in der Partnerschaft neu justieren

Es wollen laut einer Untersuchung nicht alle arbeitstätigen Frauen, dass der pensionierte Partner im Haushalt plötzlich überall Hand anlegt. Die vermehrte Mithilfe wird als ein Eindringen in den eigenen Bereich empfunden. Wenn die Frau die gut gemeinte Unterstützung barsch zurückweist, ist Ärger programmiert. Falls die Frau die Mithilfe des Mannes im Haushalt wünscht, sollte sie mit Kritik beim Staubsaugen oder beim Einräumen des Geschirrspülers sparen. Lob und konstruktive Tipps kommen besser an als Nörgelei.

Weiterarbeiten trotz Pensionerung

Vor vier Jahren übergab Rolf Kellenberger (Name geändert) seine Metallbaufirma an seinen Sohn. Kellenberger sen. hatte sein Unternehmen mit viel Fleiss und Arbeit zum Erfolg gebracht. Fünf Angestellte haben dort ihren Arbeitsplatz. Auch wenn sich der Vater offiziell aus dem Geschäft zurückgezogen hat, ist er dennoch öfters in der Werkstatt anzutreffen. Sie ist sein Lebenswerk, der vollständige Rückzug fällt ihm schwer. Mit seinem Sohn bespricht er immer wieder die aktuellen Aufträge. Rolf Kellenberger ist einer jener Menschen im AHV-Alter, die mit einem Bein noch immer im Arbeitsleben stehen.

Während sich die einen Menschen nicht vorstellen können, nach der Pensionierung nur einen Tag länger zu arbeiten, sind andere mit 75 noch berufstätig, so wie Kellenberger senior. Dafür gibt es sehr unterschiedliche Gründe, einer ist eine tiefe Rente.

Knapp 14 Prozent der Menschen im dritten Lebensabschnitt gelten in der Schweiz als arm. Die Ursache dafür sind vor allem tiefe Löhne in den Berufsjahren sowie Erwerbsunterbrüche, etwa während der Kleinkindphase oder zur Pflege von Angehörigen, und auch Teilzeitarbeit. Durch diese Beitragslücken fällt die AHV-Rente tiefer aus. Gemäss Statistik sind Frauen besonders häufig von tiefen Renten betroffen. Wenn sie nach der Pensionierung weiter einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ist dies kein freiwilliger Entscheid, sie müssen mit dem Austragen von Zeitungen, Reinigungsjobs und bezahlter Seniorenbetreuung ihre finanzielle Situation aufbessern.

Einige Frauen und Männer im Pensionsalter arbeiten vor allem aus psychologischen Motiven weiter, sie wollen nicht «zum alten Eisen» gehören, sondern spüren, dass sie gebraucht werden und etwas zum Funktionieren der Gesellschaft beitragen.

Weiteren fällt zu Hause «die Decke auf den Kopf», sie möchten unter die Leute gehen und aktiv sein. Langeweile und Kontaktarmut fördern nicht nur die Unzufriedenheit, sie begünstigen auch den vorzeitigen Abbau von Gehirnfunktionen.

Von der Pensionerung zur erfüllenden Arbeit

Irene Bracher (Name geändert) arbeitet stundenweise im Blumenladen ihrer Tochter. Die gelernte Floristin und hat sich vor einigen Monaten selbständig gemacht; eine Angestellte kann sie sich nicht leisten. So geht ihr die Mutter, eine pensionierte Buchhalterin, etwas zur Hand. Ihr gefällt ihre neue Tätigkeit.

«Arbeit wird oft mit viel Mühsal, Fremdbestimmung und Stress gleichgesetzt. Dies ist aber nur ein Teil der Wirklichkeit. Arbeit trägt auch zur Gesunderhaltung bei und kann befriedigend wirken.»
Adrian Zeller

Allerdings sollte die entsprechende Tätigkeit die Person nicht immer wieder überfordern. Sie soll zudem sinnvoll sein und die Zeiteinteilung sollte man selbst gestalten können, oder dabei zumindest ein Mitsprachrecht haben.

Im Pensionsalter kann man in der Regel den hektischen Arbeitsrhythmus der Berufsjahre hinter sich lassen, Arbeit ist nicht mehr eine existenzsichernde Pflicht, sie ist meistens ein freiwilliger Einsatz. Transportfahrten von Kranken oder von Menschen mit Beeinträchtigung sowie Mahlzeitendienst sind typische Beispiele für Arbeitsleistungen von Menschen im Seniorenalter. Einige weitere ältere Menschen stehen stundenweise als Museumsaufseher im Einsatz. Auch leiten sie Wandergruppen, unterrichten Line Dance, helfen bei Naturschutzprojekten oder füllen für Betagte Steuererklärungen aus.

Diese Menschen setzen auf die wohltuenden Aspekte der Arbeit: Sie vermittelt Struktur im Tag, sorgt zudem für zwischenmenschlichen Kontakt und fordert Körper und Geist. Sie verhilft zu Selbstbestätigung und bringt neues Wissen, neue Erfahrungen mit sich.