Vermehrte körperliche Beschwerden sowie Verhaltens­änderungen bei Kindern sind mögliche Anzeichen eines Schultraumas.

Mobbing und Abwertung

Eine Internetumfrage ergab eine Auswahl von Erfahrungsberichten mit demütigendem Verhalten in der Schule. Eine heute erwachsene Frau, die als Schülerin infolge Übergewichts rasch an ihre Leistungsgrenzen kam, wurde im Sportunterricht immer wieder mit abschätzigen Bemerkungen eingedeckt. Weitere Personen berichten von demotivierenden Kommentaren von Lehrpersonen.

Abwertende Kritik, Demütigung und Einschüchterung können Kinder und Jugendliche über längere Zeit, eventuell ein ganzes Leben lang, negativ begleiten. In Biografien von einigen erfolgreichen Unternehmern heisst es etwa, in der Schule habe man ihnen gesagt, dass sie es im Leben nie zu etwas bringen werden – sie wollten das Gegenteil beweisen.

Gestörte Lernprozesse

Wenn der Schulbesuch zur dauerhaft negativen Erfahrung wird, stecken in der Regel sehr vielschichtige Gründe dahinter. Bei näherem Hinsehen ist es nicht die Schule selbst, die Narben hinterlässt, es sind vielmehr schwierige zwischenmenschliche Beziehungen.

Mädchen wird von Mitschülerinnen gemobbt.
«Hinter psychischen Verletzungen können Mitschülerinnen und Klassenkameraden wie auch Lehrpersonen stecken, es geht um Schikane, Mobbing und Drohungen. Eine spannungsgeladene Situation, in der man sich wehr- und schutzlos ausgeliefert fühlt, kann zur psychischen Verletzung, zum Trauma, werden.»
Adrian Zeller

Dabei stellt sich der Körper reflexhaft auf eine drohende Gefahr ein und schüttet vermehrt Stresshormone aus. Kopf- und Bauchschmerzen sowie Appetitstörungen können eintreten.

Gelegentlich werden Betroffene plötzlich von intensiven Erinnerungen und Gefühlen an das Ereignis überflutet, auch in nächtlichen Träumen. Kinder reagieren unterschiedlich auf verstörende Erfahrungen. Die einen werden anschliessend wortkarg und ziehen sich zurück, andere wirken ungewöhnlich aggressiv oder übermässig ängstlich.

Weil die erhöhten Stresshormone auch die Gehirnfunktionen beeinflussen, wird das schulische Lernen erschwert. Konzentrationsstörungen und nachlassende Schulleistungen sind mögliche Auswirkungen.

Schultrauma oder Schulangst: Anzeichen erkennen

Psychisch verletzte Kinder und Jugendliche reden nicht immer von sich aus über ihre inneren Nöte.

Eltern oder andere Bezugspersonen sollten hellhörig werden, wenn ein Kind ungewöhnlich oft Bauchschmerzen oder andere Befindlichkeits­störungen erwähnt. Auch auffällige Verhaltensänderungen in Richtung Niedergeschlagenheit, Stimmungsschwankungen, Lustlosigkeit oder Zerstörungswut sollten aufrütteln.

Dabei ist das direkte Ansprechen auf Schulprobleme nicht immer der optimale Weg.

Psychisch verletzte Kinder wissen oft selbst nicht genau, was sie belastet. Im Zweifelsfall sollten Eltern fachkundige Beratung bei einer Kinderärztin oder einer Elternberatungsstelle in Anspruch nehmen. In traumatisierenden Situationen wurden menschliche Grundbedürfnisse wie Sicherheit, Beachtung, Geborgenheit, Respekt sowie soziale Zugehörigkeit zeitweise oder dauerhaft nicht erfüllt. Dabei kann es auch um das Verhältnis zwischen Lehrpersonen und Kindern gehen.

Mühe mit Anpassung

Laut Experten tun sich manche Schülerinnen und Schüler schwer, sich in den strukturierten Betrieb einer Klasse einzufügen. Sie erleben sich als fremdbestimmt und übergangen.

«Dabei spielt ihr eigenes Erleben eine entscheidende Rolle, nicht die objektive Situation. Es kommt zum Widerstand – offen oder verdeckt.»
Adrian Zeller

Bei einem Machtkampf zwischen Schüler*in und Lehrperson spielen die Eltern eine massgebliche Rolle. Mit allenfalls abwertenden Kommentaren über die Lehrperson und über die Schule fördern sie die rebellische Haltung ihrer Tochter oder ihres Sohnes. Motivieren sie dagegen ihr Kind zur Mitarbeit in der Schule, lassen die Spannungen nach.

Wenn zwischen einer Lehrperson und einem Kind ein ausgesprochen schwieriges Verhältnis herrscht, sollten die Eltern frühzeitig das gemeinsame Gespräch suchen. Im direkten Dialog können Unklarheiten und Missverständnisse angesprochen sowie Lösungen gefunden werden, bevor die Fronten verhärtet sind. Unter Umständen wirkt ein Klassenwechsel entspannend. Nötigenfalls können auch Schulsozialarbeiterinnen und Schulpsychologen beratend miteinbezogen werden.

Herausforderungen erfolgreich meistern

Ein weiterer Grund für negativ prägende Schulerfahrungen sind Reifeverzögerungen. Andere favorisieren nur bestimmte Fächer, für alle weiteren bringen sie nur geringes Interesse auf. Der Schulunterricht ist für sie eine weitgehend frustrierende und demotivierende Tortur. Auch in diesen Situationen müssen Eltern frühzeitig das Gespräch mit der Lehrperson oder der Schulleitung suchen. Andernfalls wird der Schulbesuch zur dauerhaften Quälerei.

Junge wird von Mitschülern schickaniert

Um motiviert zu bleiben, benötigen Mädchen und Buben immer wieder Erfolgserlebnisse. Diese können auch im ausserschulischen Bereich, im Sport, in der Musik, beim Fotografieren oder in einer anderen Leidenschaft, erfolgen.

«Um ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln, brauchen Kinder Situationen, die sie alleine oder mit leichter Unterstützung bewältigen können. Andernfalls erleben sie sich wehrlos ausgeliefert: sie geraten leicht in die Opferrolle, aus der sie nur schwer wieder herausfinden.»
Adrian Zeller

Raus aus Überforderung und Opferrolle

Kinder wachsen an ihren Aufgaben; dabei ist der Grat zur Überforderung schmal. Im Gegensatz zu Erwachsenen verfügen Kinder und Jugendliche über wenig Lebenserfahrung. Viele Situationen im Alltag sind für sie neu. Sie haben noch kein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten.

Wie sollen sie reagieren, wenn sie ein Schulkamerad zu einem Ladendiebstahl oder zum Kiffen anstiften will? Erwachsene können bei solchen Themen klare Entscheidungen treffen. Jugendliche suchen die Anerkennung ihrer Mitschüler, sie wollen nicht als Feiglinge gelten. Standhaft zu bleiben und ein klares «Nein» auszusprechen, fällt ihnen schwerer.

In Umfragen gaben Kinder an, am meisten wünschten sie sich mehr gemeinsame Zeit mit ihren Eltern und den Grosseltern. Dabei können sie über ihre Erlebnisse sprechen und mit Unterstützung der Eltern ihre Erkenntnisse daraus ziehen. Die Reflexion über eigene Erfahrungen fördert den Reifeprozess.