Die Weinrebe ist eine der ältesten Kulturpflanzen. Sie bietet kulinarische Freuden und heilsame Wirkstoffe: Ein Weinstock vor dem Haus ist wie eine kleine Apotheke.

Botanik und Kultur

Die Wilde Rebe (Vitis vinifera ssp. sylvestris) ist die Stammform der heutigen Weinrebe (Vitis vinifera ssp. vinifera). Im Gegensatz zu ihrer domestizierten Schwester ist sie zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Wildreben. Als Lebensraum zieht sie frische Auenwälder vor, während es die Weinrebe ja gern sonnig und heiss mag.

Die Wiege der Weinkultur liegt in Kleinasien, die Griechen perfektionierten den Anbau und mit den Phöniziern gelangte das Wissen um 600 v. Chr. nach Frankreich. Der Wein wurde in vielen Kulturen als Geschenk der Götter angesehen. So soll der griechische Gott Dionysos die ersten Weinstöcke eigenhändig auf der Erde gepflanzt haben. Die Rebe war jedoch immer auch eine wichtige Heilpflanze, bei den Sumerern hatte das Schriftzeichen für «Leben» die Form eines Weinblatts!

Heilendes Rebwasser

Beim Zurückschneiden im Frühling tropfen die Reben. Dieses Rebwasser, Aqua vitis oder Lachryma vitis, Rebtränen genannt, verwehrt Krankheitserregern den Eintritt in die Wunde und verschliesst sie mit einem Harzpfropfen. Das Rebwasser wurde auch medizinisch genutzt, es sollte die Sehkraft stärken und bei Schuppenflechte oder Ekzemen helfen. Auch wurde es bei Ohrenschmerzen angewendet und, mit Olivenöl vermischt, als Enthaarungsmittel. Eine gaschromatische Analyse der Rebtränen zeigt ein Gemisch aus über 30 Substanzen, darunter antiseptisches Thymol, gefässerweiterndes Terpineol, entzündungshemmendes und antibiotisches Cineol sowie hautpflegende Palmitinsäure. Ins Reich der Fabeln dürfte hingegen der mittelalterliche Tipp gehören, einem Alkoholiker Rebtränen in den Wein zu mischen, um ihn von seiner Sucht zu heilen.

Weinblätter vielfältig verwendbar

Auch die Blätter der Weinrebe wurden medizinisch verwendet. Hildegard von Bingen empfahl bei Husten oder Magenschmerzen einen Tee aus jungen Blättern.

«Heute wird rotes Weinlaub, das sind Blätter besonders anthocyanhaltiger Rebsorten, zur Behandlung chronischer Venenschwäche und schwerer Beine eingesetzt.»
Ursula Glauser-Spahni

Extrakte aus rotem Weinlaub wirken kapillarabdichtend, entzündungshemmend, antiödematös und hemmen die Verklumpung der Blutplättchen.

Weinblätter lassen sich im übrigen auch kulinarisch verwenden: gefüllt mit Hackfleisch und Reis oder als Umhüllung für Schafskäse. Aus unreifen Trauben wurde der saure Verjus (vert jus, grüner Saft) gewonnen, der als Verdauungshilfe nach fettreichem Essen, aber auch als Magenstärkungsmittel eingenommen wurde. Vermischt mit Wasser ergab er ein erfrischendes Getränk. Verjus diente zudem als Säuerungsmittel beim Kochen, bis er durch die Zitrone abgelöst wurde.

Mehr als ein Genussmittel

Das wichtigste Produkt der Rebe blieb jedoch der Wein. Bis ins späte Mittelalter trank man ihn mit Wasser verdünnt. Im alten Griechenland galt es sogar als barbarisch, Wein pur zu trinken. Doch Wein war nicht nur Genussmittel, es war die Grundlage heilsamer Kräuterweine und Lebenselixiere. Zudem liessen sich damit Tinkturen herstellen, Kräuterauszüge also, die längere Zeit haltbar waren und dank des Lösungsmittels Alkohol eine breite Palette an Wirkstoffen enthielten.

Bereits Hippokrates sah im Wein ein Stärkungsmittel für Herz und Kreislauf. Die Flavonoide und Polyphenole aus den Traubenschalen fangen freie Radikale auf und schützen so die Zellen.

«Wein hält die Kapillaren elastisch, senkt die Blutfettwerte und beugt der Verkalkung der Herzkranzgefässe vor. Wein entspannt, erweitert die Blutgefässe und senkt so den Blutdruck. Zudem verbessert er den Zuckerstoffwechsel, die Nierenfunktion und stärkt die Abwehrkräfte.»
Ursula Glauser-Spahni

Wein ist – mit Augenmass genossen – gesund. Allerdings streiten sich die Fachleute noch immer darüber, wie viel Wein denn gesundes Augenmass sei.

Weinrebe (Vitis vinifera ssp. vinifera)

Vom Kern bis zur Blüte

In den Traubenkernen findet man oligomere Procyanidine, abgekürzt OPC, bekannt als entzündungshemmende und antioxidative Nahrungsergänzungsmittel. So gesehen ist es gesünder, Trauben mit Kernen zu essen als die kernlosen Sorten. Aus den Kernen wird zudem Traubenkernöl gewonnen, das reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist, aber auch OPC, Vitamin E und Lecithin enthält. Es ist ein gesundes Speiseöl, wird aber auch als straffendes Hautöl verwendet.

Selbst die Blüten der Weinrebe werden genutzt: Sie sind Teil von Dr. Bachs Blütentherapie und helfen Menschen und Tieren mit einer übergrossen Willensstärke und einer Neigung zum Tyrannischen.

In der Gemmotherapie werden frische Frühlingsknospen verwendet.

«Die Weinrebe mit ihren flexiblen Trieben hilft bei Krankheiten, die die Beweglichkeit einengen: Arthritis, Polyarthritis, Arthrose. Sie stoppt Gelenksveränderungen, wirkt entzündungshemmend und verbessert die Gelenkbeweglichkeit.»
Ursula Glauser-Spahni

Meist wird sie zusammen mit den Essenzen der Schwarzen Johannisbeere und der Bergföhre angewendet. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Warzen und Gewebsneubildungen der Haut, wobei die Essenzen von Weinrebe und Feigenbaum kombiniert werden.