Die Nebennieren sind ein wenig beachtetes Organ und nur selten wird über ihre Gesundheit geschrieben. Das ist nicht verwunderlich; denn sie sind winzig klein. Und trotzdem sind sie von grosser Bedeutung.

Eigenständiges Organ

Die Miniorgane liegen direkt oberhalb der Nieren. Deshalb heissen sie auf lateinisch Glandula suprarenalis. Übersetzt heisst das «die Drüse oberhalb der Nieren».

Sie wurden erst im 16. Jahrhundert von einem päpstlichen Leibarzt entdeckt und er hielt sie für völlig unbedeutend. Aus diesem Grund erhielt die paarige Hormondrüse nicht einmal einen eigenständigen Namen und wurde, wegen ihrer Lage im Körper, einfach zur Niere mitgezählt. Erst zweihundert Jahre später merkten die Ärzte, dass es sich um ein eigenständiges Organ handelt, das lebenswichtige Funktionen erfüllt.

Die Nebennieren wiegen nur wenige Gramm und sind nicht grösser als vier Zentimeter. Trotz ihrer Kleinheit sind sie komplex in Funktion und Aufbau. Sie bestehen aus einer Rinde und dem Mark. Die rechte Nebenniere sieht aus wie ein Dreieck, die linke wie ein Halbmond. Dieses winzige Organ ist ein chemisches Wunderwerk.

«In diesen Drüsen werden nämlich gegen fünfzig verschiedene Substanzen gebildet, die für unsere Gesundheit alle unentbehrlich sind. Arbeiten die kleinen Drüsen nicht richtig, entsteht ein komplexes Krankheitsbild.»
Judith Dominguez

Müdigkeit ein Symptom

Wer sich oft müde und energielos fühlt, klagt meist über zu viel Arbeit, zu wenig Freizeit und viel Stress. Müdigkeit kann aber auch körperliche Ursachen haben.

Arbeiten nämlich die winzigen Nebennieren nicht ausreichend, ist die Erschöpfung eines der ersten spürbaren Symptome. Verursacht wird die anhaltende Kraftlosigkeit durch einen zu niedrigen Hormonspiegel im Blut.

Hormone Adrenalin und Noradrenalin

Im Mark der Nebenniere, die ein Teil des vegetativen Nervensystems ist, werden Adrenalin und Noradrenalin gebildet.

Adrenalin hilft uns in einem Notfall, Energiereserven locker zu machen. Werden wir bedroht, haben wir Angst oder erschrecken wir, so benötigen wir einen gewaltigen Energieschub, um blitzschnell reagieren zu können. Dank dem Hormon Adrenalin wird Fett schnell in frei verfügbare Energie umgewandelt. Diese benötigen wir für die Flucht oder den bevorstehenden Kampf. Für die Abwehr einer Bedrohung genügend Energie zu haben, ist lebenswichtig. Wir sind zwar heute, mindestens in unseren friedlichen Breitengraden, selten vom Tode bedroht; doch der Körper macht da keine Unterschiede und jeder starke Stressauslöser ist Bedrohung genug.

Auch emotionaler und psychischer Stress müssen abgewendet werden, dafür brauchen wir viel Kraft. Adrenalin wird in der Umgangssprache deshalb auch als Stresshormon bezeichnet.  Wir bekommen Herzrasen und alle im Augenblick nicht wichtigen Körperfunktionen werden gedrosselt. Deshalb zum Beispiel der trockene Mund, wenn wir aufgeregt sind. Das ist in einer mündlichen Prüfung unangenehm und erschwert das Sprechen. Unser biologischer Körper entwickelte sich jedoch in einem ganz anderen Umfeld und Speichel brauchten die ersten Menschen nicht auf der Flucht vor einer Horde wilder Tiere.

Müde oder hyperaktiv

Bei einer Unterfunktion der Nebennieren haben wir zu wenig Adrenalin im Blut. Deshalb kommen wir nicht in die Gänge. Wir fühlen uns ausgelaugt und erschöpft. Auch Noradrenalin ist ein Stresshormon, wirkt aber im gesunden Körper als Neurotransmitter. Das heisst, dieses Hormon ist im zentralen Nervensystem als Botenstoff wichtig. Wird in den Nebennieren zu wenig Noradrenalin gebildet, sinkt die Konzentration und uns fehlt die Motivation.

«Durch eine Unterfunktion werden wir träge und nichts kann uns begeistern. Vermutlich trägt ein Mangel an Noradrenalin zur Entwicklung einer Depression bei.»
Judith Dominguez

Ganz anders sieht die Gesundheit bei einer Überproduktion von Adrenalin und Noradrenalin aus: Solche Menschen sind ununterbrochen in Aktion und können kaum eine Minute stillhalten. Sie stehen unter permanenter Anspannung, ganz so, also ob sie andauernd auf der Flucht wären. Menschen mit einer Überfunktion der Nebennieren sind gestresst und fühlen sich von einer inneren Unruhe getrieben.

Aus dem Gleichgewicht: Cortisol und Aldosterol

Die Rinde der Nebennieren wiederum hat völlig andere Aufgaben und Produkte zu bieten. Da werden Hormone wie Cortisol oder Aldosterol gebildet.

Diese sind lebenswichtig für die Regulation im Stoffwechsel. Die Hormone der Rinde steuern den Salz- und Wasserhaushalt im Körper, sodass nie zu viel oder zu wenig da ist. Sie harmonisieren den Blutdruck auf einem gesunden Niveau und dosieren den Blutzuckerspiegel.

«Werden diese Hormone nicht in der genau richtigen Dosierung hergestellt, gerät ganz vieles im Körper zur selben Zeit aus dem Gleichgewicht. Das macht es den Ärzten oft schwer, die Nebenniere als Verursacher der Symptome dingfest zu machen.»
Judith Dominguez

Glücklicherweise kann man heute im Labor einzelne Substanzen im Blut genau messen und so eine Über- oder Unterfunktion erkennen. Liegt eine Überproduktion an Aldosteron vor, spricht man vom Morbus Conn. Diese Patienten leiden unter Bluthochdruck, Verstopfung, häufigem Wasserlösen und grossem Durst. Ist Cortisol in zu grossen Mengen vorhanden, hat man ein Cushing-Syndrom mit Störungen im Zuckerstoffwechsel. Bei einem Mangel an den genannten Hormonen, also bei einer Unterfunktion der Nebennierenrinde, sprechen die Ärzte von Morbus Addison.

Unter- oder Überfunktion der Nebennieren

Dies ist nur eine ganz kleine Auswahl möglicher Krankheitsbilder, deren Ursachen in den Nebennieren zu finden sind. In diesem winzigen Organ sind Tumore möglich, die das Gewebe zerstören und zu einer Unterfunktion führen oder Tumore, die zusätzlich Hormone bilden und so eine Überfunktion verursachen. Das kleine Organ kann von Autoimmunreaktionen betroffen sein, die zu Funktionsstörungen führen. Und wie in jedem anderen Organ kann es dort Infektionsherde geben, die alles durcheinanderbringen. Nach anhaltendem Stress leiden die Nebennieren vielleicht unter Erschöpfungszuständen und produzieren immer ein bisschen weniger, als sie sollten.

Behandlungsmöglichkeiten

Funktionsstörungen der Nebennieren sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und bedürfen – unabhängig der Ursache – einer Behandlung. Ist die Ursache bekannt, muss diese mittels ärztlicher Therapie behandelt werden. Bei Tumoren hilft oft nur das chirurgische Messer und Infektionen werden mit Antibiotika behandelt.

Nur bei stressbedingten Ermüdungserscheinungen können wir selbst einiges zur Gesundung beitragen.

Mehr Erholung und gezielte Ernährung

Um den kleinen Organen mal Ruhe zu gönnen, sind ins tägliche Leben gezielt Erholungsphasen einzubauen. Und niemand soll behaupten, dafür hätte er keine Zeit: Gerade das ist ja ein Symptom und nicht die Wirklichkeit. Hilfreich ist es, täglich gleiche Ruhe- und Schlafzeiten zu planen: Der Körper gewöhnt sich daran, stimmt sich darauf ein und erfährt dadurch mehr Erholung. Parallel dazu kommt man um ein bisschen Bewegung nicht herum. Aber keine stressigen Wettkämpfe, sondern ein gemütlicher Waldspaziergang oder ein paar Runden schwimmen sind angemessen. Bewegung, richtig eingesetzt, wirkt wie ein Katalysator gegen alle möglichen stressauslösenden Faktoren.

Die Nebennieren sind wichtig für den Stoffwechsel, deshalb ist auf die Ernährung besonders zu achten.

Stimulierend wirken auf das Nebennierenmark Süssholz, Ginseng, Ingwer oder Maca. Letzteres ist in letzter Zeit als Superfood aus den Anden oder Wunderwurzel der Inkas bezeichnet worden.

Vitamine der B-Gruppe putschen die Nebennierenrinde auf. Besonders wirkungsvoll soll die Pantothensäure sein, die den Namen Vitamin B5 trägt. Sie kommt in fast allen Lebensmitteln vor, in speziell hohen Dosen jedoch nur in Leber, Eiern und Vollkornprodukten.

Für ein gutes Funktionieren der Nebennieren ebenfalls sehr wichtig ist Vitamin E. Dieses findet man reichlich in Nüssen und Milchprodukten, in Vollkorngetreide und in pflanzlichen Ölen.